Zwischen Fürsorge und eigenen Ansprüchen

Nebst dem Lebensalltag sind Angehörige von MS-Betroffenen unweigerlich auch durch die emotionale Anteilnahme verbunden. Damit befinden sich Angehörige von Menschen mit einer chronischen Erkrankung in einer besonderen Situation und können zurecht als «Mitbetroffene» gesehen werden.

Tatsächlich leiden Angehörige von MS-Betroffenen unter den vielschichtigen direkten und indirekten Folgen, die Multiple Sklerose mit sich bringt: Symptome, die als lebensbedrohlich empfunden werden (oder es auch sind), Einschränkungen in Alltagsfertigkeiten, allfällig notwendige Neuorientierung im Berufsleben, pflegerischer Aufwand oder finanzielle Einbussen. Nebst dem strengen Berufsalltag noch die Rolle des Fürsorgenden zu übernehmen und sich als tragende Kraft zu verstehen, kann die eigenen Grenzen überschreiten und zu akuten gesundheitlichen Krisen oder dauerhaften Belastungen führen.

Hinzu kommt, dass Angehörige eine Schutz- und Pufferfunktion für Betroffene ausüben – sei es, um diese angesichts möglicher Einschränkungen vor herben Alltagsanforderungen zu schützen, oder aber, um zwischen Ärzten und Institutionen zu vermitteln. Während Betroffene ihr Leben angesichts einer MS-Diagnose neu ausrichten müssen, um wieder Halt im Leben zu erlangen, werden auch die Angehörigen mit Veränderungen im Alltag konfrontiert und auch sie müssen ihre Lebensplanung oftmals überdenken. So müssen Wünsche und Ziele angepasst, zurückgestellt oder gar gänzlich aufgegeben werden, was in einer Negativspirale von Trauer, Verzweiflung, Wut, Schuldgefühlen und Ohnmacht enden kann. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass Angehörige von chronisch kranken Menschen selbst im Vergleich zur Restbevölkerung eine schlechtere Schlafqualität aufweisen sowie häufiger unter Müdigkeit und Schmerzen leiden.

Warnsignale ernst nehmen

Um selbst Kräfte sammeln zu können, ist für Angehörige von Menschen mit MS eine gute Selbstpflege unerlässlich. Dies bedeutet, dass man gut für sich selbst sorgen und sich kleine Auszeiten nehmen sollte, um langfristig mit gutem Gewissen und Elan für den anderen da zu sein. Angehörige brauchen Zeiten, in denen sie nicht mit der Krankheit konfrontiert sind, sondern ihren eigenen Interessen nachgehen. Eine bekannte und hilfreiche Strategie ist das sogenannte «Pacing». Dabei geht es darum, sich immer nur innerhalb der Grenzen der vorhandenen Energiereserven zu bewegen und bewusst aufzuhören, bevor man diese Grenze erreicht. Denn, wenn man die Warnsignale zunächst überhört und sich erst dann auf seine eigenen Bedürfnisse besinnt, wenn eine Last unerträglich wird, ist es meist zu spät: Man ist erschöpft, fühlt sich ausgebrannt und bedarf dann oft einer intensiven und langwierigen Regenerierung. Diese kann mit Lebensumstellungen verbunden sein und dazu führen, dass Angehörige tatsächlich zu Mitbetroffenen werden, die letztlich selbst Hilfe benötigen. Stattdessen hilft eine achtsame Strategie, sich vor Überforderung zu schützen.

Angehörigen-Support

Die MS-Gesellschaft bietet eine Anlaufstelle für Angehörige. Über die MS-Infoline erhalten Sie durch unsere Beratungsfachpersonen in belastenden Momenten Unterstützung: 0844 674 636 (Montag bis Freitag von 9 bis 13 Uhr).