Grosse Entwicklungen in der MS-Therapie

Fachartikel

Am 28. Januar 2023 fand das MS State of the Art Symposium zum 25. Mal statt. Prof. Dr. Andrew Chan (Inselspital Bern) nahm dies zum Anlass, die Errungenschaften der letzten 25 Jahre in der Behandlung der MS Revue passieren zu lassen.

Mit der Zulassung von Interferon-beta 1b in den 1990er-Jahren begann eine neue Ära in der Therapie der schubförmig verlaufenden MS. Grosse Fortschritte in der Grundlagenforschung, technische Weiterentwicklungen und innovative klinische Studien haben in den folgenden Jahren zu einer raschen Entwicklung weiterer Therapien mit unterschiedlichen Wirkmechanismen und Anwendungswegen geführt. Inzwischen stehen neben Substanzen, die gespritzt werden müssen, auch Optionen in Tablettenform zur Verfügung. Ebenso sind Medikamente zur Behandlung der progredienten Krankheitsformen auf den Markt gekommen.

Therapieziele veränderten sich

Doch nicht nur die Palette an verfügbaren Medikamenten hat sich verändert. Das Gleiche trifft auf die Ziele der Behandlung zu. «Während früher eine moderate Reduktion der Schubrate als Durchbruch galt, diskutieren wir heute andere Therapieziele. So zum Beispiel das Fehlen jeglicher Krankheitsaktivität – klinisch und in der Bildgebung – oder sogar eine Verbesserung der Behinderung», erklärte Prof. Chan.

Heute ist zudem bekannt, dass es bereits im Frühstadium der Erkrankung zu irreversiblen Schäden am Gehirn kommen kann. Dies hat dazu geführt, dass hochwirksame Therapien aktuell schon sehr viel früher im Krankheitsverlauf eingesetzt werden als in der Vergangenheit. Ausserdem wurde entdeckt, dass es bei einer schubförmig verlaufenden MS auch unabhängig von einem Schub zu einem Voranschreiten der Erkrankung kommt (PIRA, Progression Independent of Relapse Activity). Lange wurde angenommen, dass dies nur bei den progredienten Verlaufsformen der MS der Fall ist. Diese neuen Erkenntnisse haben ebenfalls dazu beigetragen, dass hochwirksame Therapien schon früher zum Zug kommen.

Optionen für Kinder und Jugendliche verfügbar

Vermehrte Forschungen zur MS bei Kindern und Jugendlichen haben dazu beigetragen, dass sich auch in diesem Bereich das Wissen im Verlauf der letzten 25 Jahre verbessert hat. So weiss man nun, dass sich Kinder und Jugendliche von Schüben zwar oft viel besser erholen als Erwachsene, dass dies aber nicht automatisch mit einem besseren Verlauf der Erkrankung gleichzusetzen ist. Daher sollten auch Kinder und Jugendliche mit MS eine spezifische Behandlung erhalten. In den letzten Jahren sind denn auch verschiedene Behandlungsoptionen für diese Altersgruppe zugelassen worden.

Es gibt immer noch offene Fragen

Angesichts der Notwendigkeit eines frühzeitigen therapeutischen Eingreifens wurden im Laufe der Jahre auch mehrere Modifikationen der diagnostischen Kriterien einer MS notwendig. Sie alle zielen auf einen möglichst empfindlichen Nachweis der Krankheit (z. B. mithilfe der Magnetresonanztomografie) ab, ohne dass dabei das Risiko für Falschdiagnosen erhöht wird.

Trotz all dieser positiven Entwicklungen im letzten Vierteljahrhundert gibt es nach wie vor viele offene Fragen. So ist es weiterhin nicht möglich, die durch die Erkrankung verursachten Schäden am zentralen Nervensystem rückgängig zu machen. Auch verschiedene Symptome einer MS, wie Einschränkungen in der kognitiven Leistungsfähigkeit oder die oft mit der Krankheit einhergehende enorme Müdigkeit (Fatigue), können aktuell noch nicht zufriedenstellend behandelt werden. «Angesichts der jüngsten technologischen und methodischen Fortschritte sind jedoch auch bei diesen ungedeckten Bedürfnissen grosse Fortschritte zu erwarten. Vorausgesetzt, das in den letzten 25 Jahren vorgelegte Tempo kann beibehalten werden», schloss Prof. Chan.

«MS State of the Art Symposium»

Das «MS State of the Art Symposium» ist der bedeutendste Fachkongress zum Thema Multiple Sklerose in der Schweiz und wird von der Schweiz. MS-Gesellschaft und ihrem Medizinisch-wissenschaftlichen Beirat organisiert. Dieses Jahr fand das Symposium am 28. Januar 2023 im KKL Luzern statt.

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