Autologe Stammzelltransplantation

Fachartikel
Update Juni 2018

Die Behandlung der aggressiven MS mit autologen Blutstammzellen (aHSCT) ist ein hoch aktuellesThema. Mehrere Studien der letzten Jahre weisen auf eine sehr hohe Wirksamkeit der aHSCT hin.

Die aHSCT als Behandlung bei MS wird seit über 20 Jahren erforscht. Mehr als 2’000 MS-Betroffene erhielten eine aHSCT, und eine Reihe von Studien belegen ihre hohe Wirksamkeit. Zwischen 70 und 90 Prozent der behandelten MS-Betroffenen sind langanhaltend komplett krankheitsfrei.

Ablauf und Wirkung der aHSCT

Die aHSCT ist ein Behandlungsverfahren, das ca. vier Wochen dauert. Zunächst werden von Spezialisten der Hämatologie eigene Blutstammzellen aus dem Knochenmark des Patienten freigesetzt und dann eingefroren. Danach werden fünf Medikamente verabreicht, die die Immunzellen absterben lassen. Im Anschluss erhalten Patienten die eigenen, zuvor entnommenen Blutstammzellen zurück. In den folgenden Wochen entstehen aus diesen erst ein blutbildendes System (rote Blutkörperchen, Plättchen) und dann auch alle Immunzellen. In dieser Phase ist der Schutz gegenüber Infektionen stark eingeschränkt, deshalb müssen häufig für einige Wochen Antibiotika gegen Bakterien, Viren und Pilze eingenommen werden. Anders als die zugelassenen Therapien, die dauerhaft verabreicht werden und auf das Immunsystem wirken, ist die aHSCT eine einmalige Behandlung, die eine komplette Erneuerung des Immunsystems zum Ziel hat.

Für wen kommt die aHSCT in Frage?

Die aHSCT bleibt aufgrund der Risiken Menschen mit schwerem Verlauf vorbehalten. MS-Betroffene sollten in der schubförmigen Phase der Erkrankung sein (bei einem primär/sekundär chronisch progredienten Verlauf sollten noch Entzündungsläsionen im ZNS vorhanden sein), mehrere Kriterien müssen auf eine aktive/aggressive Verlaufsform hindeuten, die Betroffenen sollten möglichst nicht über 50 Jahre alt sein und keine schweren Beeinträchtigungen aufweisen, das heisst einen EDSS-Grad unter 6.5. Da für Betroffene mit den beschriebenen Kriterien eine Reihe teils sehr wirksamer Therapien zur Verfügung steht, erfordert die Indikationsstellung eine sorgfältige Abklärung, umfangreiche Aufklärung über Nutzen und Risiken sowie enge Zusammenarbeit zwischen Spezialisten der Hämatologie, MS-Spezialisten und speziell ausgebildeten Pflegefachpersonen.

Risiken und Nebenwirkungen der aHSCT

Wichtigstes Risiko stellen Infektionen dar, die direkt nach einer aHSCT auftreten können. Diese sind für die heute angenommene Transplantations-assoziierte Mortalität von knapp 1% verantwortlich. Bei den in Europa seit 2011 registrierten 230 MS-Betroffenen, die eine aHSCT erhielten, trat jedoch kein solcher Todesfall mehr auf. Bei einer aHSCT kommt es zu vorübergehendem Ausfall der Haare, Übelkeit, Schädigung von Schleimhäuten und anderen Nebenwirkungen. Diese sind allesamt reversibel. Als Langzeitnebenwirkungen kann es zum Auftreten von Krebs (unter 2%) sowie anderen Autoimmunerkrankungen, insbesondere der Schilddrüse, kommen (weniger als 5%). Darüber hinaus kann die Behandlung bei Frauen, sehr selten auch bei Männern, zu einer Unfruchtbarkeit führen.

In der Schweiz im Rahmen einer Registerstudie

Die Behandlung wird neu von den Krankenversicherern im Rahmen einer Registerstudie am Universitätsspital vergütet.

Text: Prof. Dr. Roland Martin, Abteilung für Neuroimmunologie und MS Forschung, Klinik für Neurologie; PD Dr. Urs Schanz, Klinik für Hämatologie am Universitätsspital Zürich