Schule & Ausbildung

Kinder und Jugendliche mit MS besuchen die Schule weiterhin ganz regulär.

Kinder und Jugendliche mit MS verfügen über eine normale Intelligenz und können reguläre Lernziele erreichen.

Schulalltag mit MS

Ergeben sich möglicherweise Nachteile aus der Erkrankung?

Kinder und Jugendliche mit MS besuchen die Schule weiterhin ganz regulär. Sie verfügen über eine normale Intelligenz, weshalb es kein Problem sein sollte, die regulären Lernziele zu erreichen. Wichtig ist, dass das schulische Umfeld, sofern notwendig, über die Diagnose aufgeklärt und über die für die Schule relevanten Themen informiert wird. Ob und wie die Klassenkameraden über die Erkrankung aufgeklärt werden sollen, liegt in der Entscheidungskompetenz der betroffenen Familie.

Wie alle Menschen mit einer chronischen Erkrankung haben Kinder und Jugendliche mit MS das Bedürfnis, dass es so gut wie möglich normal weitergeht und keine Sonderpositionen entstehen. Kinder und Jugendliche mit Einschränkungen aufgrund der MS brauchen aber eine individuelle Unterstützung, deren Umsetzung auch von den kantonalen Vorgaben und Möglichkeiten abhängig ist.

Nachteilsausgleich

In der Bundesverfassung der Schweiz wird in Kapitel 1 (Grundrechte) unter Artikel 8 (Rechtsgleichheit), Absatz 2 folgende Grundlage festgehalten:

 «Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugungen oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.»

Hieraus ergibt sich das Recht auf Nachteilsausgleich. Das bedeutet, dass Nachteile, die sich aus Erkrankungen ergeben, ausgeglichen werden müssen. Dies gilt insbesondere für Prüfungen, aber auch für den Alltag. Beispielsweise müssen Schulgebäude rollstuhlgängig gemacht werden.

Für Kinder und Jugendliche mit einer MS-Erkrankung kann dies zum Beispiel bedeuten, dass die Prüfungszeit verlängert werden kann (beispielsweise um einen Viertel bis einen Drittel der Zeit). Auch denkbar ist es, dass Prüfungen mündlich anstatt schriftlich oder auch in einem anderen Raum absolviert werden können. Wichtig ist es also, dass die Bedingungen den Fähigkeiten der Schüler angepasst werden.

Diese Massnahmen sind zwingend im direkten Kontakt zwischen Kind/Jugendlicher, Eltern und Schule, mit Unterstützung der Fachpersonen zu diskutieren.

Text: PD Dr. med. Sandra Bigi, MD MSc, Universitätsklinik Inselspital Bern


Unterstützungsmöglichkeiten in der Schule und Ausbildung

Grundsätzlich ist es möglich, die Schulsituation so anzupassen, dass die regulären Lernziele erreicht werden können.

Die schulischen Unterstützungsmöglichkeiten sind von Kanton zu Kanton, manchmal auch innerhalb der Kantone, unterschiedlich und von vielen Faktoren abhängig. Grundsätzlich aber sollte es immer möglich sein, im Rahmen des Nachteilsausgleiches die Schulsituation – in der Regel die Prüfungsbedingungen – so anzupassen, dass die regulären Lernziele erreicht werden können.

Bei Bedarf wäre auch an Hilfsmittel zu denken, um weniger rasch zu ermüden. So profitieren diese Kinder oft davon, wenn Texte nicht von Hand geschrieben, sondern auf einem Laptop getippt werden können. Den Schwierigkeiten in der Verarbeitungsgeschwindigkeit könnte man entgegenkommen, indem die Betroffenen beispielsweise länger Zeit für Prüfungen erhalten.

Zudem muss auch bedacht werden, dass Kinder und Jugendliche, die an einer starken Fatigue leiden, ein gutes Pausenmanagement benötigen. Dies erfordert im Schulalltag oftmals eine erhöhte Flexibilität, was in gewissen Schulsituationen eine Herausforderung darstellen kann. 

Unter Umständen kann es auch hilfreich sein, einen runden Tisch mit den involvierten Fachpersonen zu planen, um die individuelle Situation von Kindern und Jugendlichen mit einer MS zu besprechen und Fördermöglichkeiten zu evaluieren.

Unterstützungsmöglichkeiten bei der Erstausbildung – die Rolle der IV

Die Multiple Sklerose gilt nicht als Geburtsgebrechen. Das bedeutet, dass die Invalidenversicherung keine Kosten für die Behandlung der Patienten übernimmt. Wenn sich zeigt, dass die MS die Berufswahl oder die Erstausbildung erschwert, empfiehlt die IV eine rechtzeitige Anmeldung.

Die Invalidenversicherung klärt dann gemeinsam mit der betroffenen Jugendlichen/dem betroffenen Jugendlichen und seiner Familie den Unterstützungsbedarf und kann Massnahmen in die Wege leiten, die bei der Berufswahl und der Lehrstellensuche helfen. Während einer Ausbildung hat die IV verschiedene Möglichkeiten der Hilfestellung zur Verfügung (zum Beispiel Coaching, Mehraufwandsentschädigung für den Arbeitgeber).

Das Ziel dieser Massnahmen ist primär die Integration in den ersten Arbeitsmarkt und nicht eine IV-Rente.

Text: PD Dr. med. Sandra Bigi, MD MSc, Universitätsklinik Inselspital Bern