Mit dem Forschungspreis der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft werden Forschungspersönlichkeiten geehrt, die auf dem Gebiet der MS bahnbrechende Erkenntnisse gewinnen konnten. Das Preiskomitee 2023 war sich einig, dass Prof. Dr. Jens Kuhle und Prof. Dr. Tobias Derfuss (beide Universitätsspital Basel) mit ihren aussergewöhnlichen Beiträgen zur MS-Forschung und mit ihrem grossen Engagement für MS-Betroffene herausragende Arbeit leisten. Der Preis wird je hälftig unter den Preisträgern aufgeteilt.
Wie Prof. Dr. Renaud Du Pasquier (Universitätsspital Lausanne), Mitglied des Preiskomitees, in seiner Laudatio erklärte, ergänzen sich die Forschungsgebiete der beiden Preisträger bestens. Während Prof. Derfuss vor allem an den Ursachen der MS und an den Mechanismen forscht, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Erkrankung beitragen, beschäftigt sich Prof. Kuhle damit, wie die Erkrankung nach ihrem Ausbruch verläuft und welchen Einfluss therapeutische Massnahmen auf den Krankheitsverlauf haben.
Einblick in spannende Forschungsprojekte
Nach der feierlichen Übergabe der Preise durch Prof. Dr. Britta Engelhardt (Universität Bern) und Dr. Christoph Lotter (Co-Direktor Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft) gewährten die beiden Preisträger den Zuhörenden einen kleinen Einblick in ihre aktuellen Forschungsprojekte. Prof. Kuhle sprach dabei über die Schweizerische MS Kohorte (SMSC), die seine Arbeitsgruppe seit zehn Jahren an acht grossen Spitälern der Schweiz koordiniert. Im Rahmen der SMSC werden über 1’500 MS-Betroffene alle sechs oder zwölf Monate systematisch und standardisiert nachuntersucht und die Daten erfasst und kontrolliert. Wie er sagte, stellt diese systematische und langjährige Erfassung ein ganz wichtiges Instrument dar, das zum besseren Verständnis und zur effizienteren Behandlung der MS beitragen kann. Prof. Kuhle und sein Team befassen sich zudem mit sogenannten Biomarkern, d.h. bestimmten Molekülen, die im Blut oder Hirnwasser gemessen werden können. Mithilfe der Bestimmung solcher Biomarker kann der Krankheitsverlauf, aber auch das Ansprechen auf verschiedene Therapien besser beurteilt werden. Zu diesen Biomarkern gehören unter anderem die Neurofilament-Leichtketten, die ein Abbauprodukt von Nervenzellen darstellen und mit besonders sensitiven Messverfahren im Blut bestimmt werden können. Prof. Kuhle und sein Team haben mit ihrer Arbeit entscheidend dazu beigetragen, dass die Bedeutung der Neurofilament-Leichtketten erkannt und ihr Nachweis in der klinischen Praxis etabliert wurde.
Der Krankheitsentstehung auf der Spur
Die Projekte von Prof. Derfuss und seinen Mitarbeitenden konzentrieren sich unter anderem darauf, die Rolle bestimmter Zellen des Immunsystems, der sogenannten B-Zellen, in der Entstehung der MS zu erforschen. «Wir wollen verstehen, wie die Multiple Sklerose entsteht, was auslösende Faktoren sind und wie es schliesslich zu der Autoimmunreaktion kommt, also dazu, dass das Immunsystem eines Menschen mit MS seine eigenen Nervenzellen angreift», sagte Prof. Derfuss. Die endgültige Lösung für das Rätsel MS ist noch nicht gefunden. Einige Ergebnisse dieser Forschungen weisen jedoch darauf hin, dass das Team um Prof. Derfuss auf dem richtigen Weg ist. In Langzeitstudien untersucht man ausserdem, wie sich das Immunsystem von MS-Betroffenen unter Therapie verändert. Diese Beobachtungen können wiederum Hinweise zur Krankheitsentstehung und über das Ansprechen auf bestimmte Behandlungsoptionen liefern.