Wenn die Batterie komplett leer ist

State of the Art

Welche Ursache hinter der in der Fachwelt als Fatigue bezeichneten bleiernen Müdigkeit steckt, ist bisher nicht bekannt. Man weiss aber, dass mindestens drei Viertel der Menschen mit MS davon betroffen sind, wie ein Workshop am MS State of the Art Symposium 2024 zeigte. Die Behandlung setzt auf eine Kombination verschiedener Massnahmen wie Medikamente, körperliches Training und psychologische Unterstützung.

Dr. med. Lara Diem (Kantonsspital Luzern) betonte zu Beginn des Workshops, dass unter Fatigue zu leiden nicht einfach nur bedeutet, dass die Betroffenen müde oder schläfrig sind. «Menschen mit Fatigue erzählen, dass sie keinerlei Energie mehr haben, dass ihre Batterie komplett leer ist», erläuterte sie.

Ein weit verbreitetes Problem

In der Schweiz leiden mindestens 75% der MS-Betroffenen unter Fatigue. Obwohl es sich um ein häufiges Problem handelt, das die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigt, liegt die genaue Ursache einer Fatigue nach wie vor im Dunkeln. Bekannt ist bisher, dass die Mengen gewisser Zytokine – Substanzen, die an der Koordination der Immunabwehr beteiligt sind – im Blut von MS-Betroffenen mit Fatigue höher sind als bei MS-Betroffenen ohne Fatigue. Bei Personen mit MS, die unter Fatigue leiden, konnten mit speziellen Verfahren zudem Veränderungen in einigen Strukturen des Gehirns nachgewiesen werden.

Im Weiteren können auch andere Erkrankungen wie ein Eisenmangel, ein Mangel an Vitamin B12, eine Unterfunktion der Schilddrüse sowie bestimmte Medikamente zu einer Fatigue führen. Es sei daher wichtig, bei Menschen mit Fatigue nach solchen Erkrankungen zu suchen und sie zu behandeln, sagte Dr. Diem.

Wie der zweite Redner des Workshops, Dr. med. Jean-Michel Pignat (Universitätsspital Lausanne), ergänzte, kann eine Fatigue Teil eines Teufelskreises sein. Einerseits kann sie Einfluss auf Faktoren wie die geistige Leistungsfähigkeit, den Schlaf, die Stimmung und auch körperliche Bereiche wie das Schmerzempfinden haben. Andererseits beeinflussen aber alle diese Faktoren umgekehrt auch wieder die Fatigue.

Kombination verschiedener Behandlungsansätze

Wie Dr. Pignat weiter ausführte, gibt es verschiedene medikamentöse und nicht-medikamentöse Massnahmen, deren Eignung zur Behandlung einer Fatigue bisher untersucht wurde. Viele dieser Optionen setzen nicht nur bei der Fatigue an, sondern auch bei anderen Punkten innerhalb des Teufelskreises. Unter den Medikamenten scheinen vor allem stimulierende Substanzen wie Methylphenidaten einen gewissen Effekt auf die Fatigue bei neurologischen Störungen zu haben; aber bei der MS-bedingten Fatigue wurde dies nicht bewiesen. «Gute Effekte konnte man bisher auch mit Programmen erreichen, die vor allem an der körperlichen Bewegung ansetzen», schilderte er. Auch mit verschiedenen psychologischen Verfahren (beispielsweise Psychoedukation oder Meditation) liessen sich positive Resultate erzielen. «Letztlich ist es bei einer Fatigue wichtig, verschiedene Massnahmen miteinander zu kombinieren und für jede betroffene Person die individuell am besten passende Lösung zu finden», sagte er abschliessend.

 

«MS State of the Art Symposium»

Das «MS State of the Art Symposium» ist der bedeutendste Fachkongress zum Thema Multiple Sklerose in der Schweiz und wird von der Schweiz. MS-Gesellschaft und ihrem Medizinisch-wissenschaftlichen Beirat organisiert. 2024 fand das Symposium am 27. Januar im KKL Luzern statt.

MS State of the Art Symposium 2024