Tierisch gute Freunde: Shari & Susi

MS-Geschichten

Mein Name ist Susanne de Miguel. Ich bin 66 Jahre alt und wohne seit 1985 in Beringen im ländlichen Klettgau (Kanton Schaffhausen). Die Diagnose MS erhielt ich 2004 nach einer Sehnerv-Entzündung. 

Frühere Symptome wie Schwäche in den Beinen, Zittern der Hände, Flimmern der Augen habe ich jahrelang ignoriert, weil sie ja wieder von alleine verschwunden sind. 2004 war ich monatelang auf dem rechten Auge komplett blind. Ein Jahr später hatte ich wieder eine Sehnerv-Entzündung, dieses Mal auf dem linken Auge. Seither trage ich eine Brille zum Lesen. Lähmungen der Beine und der linken Hand kamen bei weiteren Schüben dazu. Die schubförmige MS hat sich seit 2014 in eine Sekundärprogrediente Form entwickelt. Nach verschiedenen Versuchen mit Basistherapien bin ich immer (noch) bei Rebif.

Und wer ist dein «tierischer Freund»?
Mein tierisch bester Freund ist zurzeit die Labradorhündin Shari aus dem Tierschutz. Sie ist jetzt 7,5 Jahre alt.

Wie habt ihr zueinander gefunden?
Schon seit 1991 habe ich Labradore. Mit den beiden Rüden vom gleichen Züchter bin ich in Begleithund- und Obedience-Prüfungen gelaufen. Um die für die Prüfung erforderlichen 60 Meter im Laufschritt laufen zu können, habe ich dafür wochenlang trainiert, trotz MS. Shari habe ich nach dem Tod des letzten Labradorrüden in einem Tierheim gesehen. Sie war damals 6 Monate alt. Da ich schon jahrelange Erfahrung hatte mit Labradoren, haben wir sie adoptieren dürfen.

Mit Shari, der portugiesischen Renn-Maus, habe ich wegen der Distanzkontrolle in verschiedenen Trainingsformen gearbeitet, wie zum Beispiel in «Dummy» (mit 500 Gramm schweren, künstlichen Würsten. Eine davon sieht man auf dem Foto), «Hoopers Agility» und Longieren. Das sind Trainings, wo der Hundehalter nicht so viel rennen muss wie der Hund. Da Shari als Labrador Retriever sehr gerne apportiert, kann ich mit ihr auch Such-Apport-Spiele machen. Sie liebt das.

Von einer lieben Kollegin habe ich extra für Shari angefertigte rote Flitzemäuse kaufen können (Hunde sind farbenblind, darum rote Mäuse). Sie liebt das Suchen der frechen Flitzemäuse, welche sich überall verstecken auf dem Spaziergang.

Wirkt sich dein Tier positiv auf deinen Alltag mit Multipler Sklerose aus? Welche körperlichen und psychischen Vorteile bringt dir euer Zusammenleben?
Shari wirkt sich definitiv positiv auf meine MS aus, da sie sehr tier- und menschenfreundlich ist und von mir auch gut erzogen worden ist. Ich freue mich, täglich mit ihr im Klettgau über Felder, Wiesen, Reben und Wälder spazieren zu gehen. Die Erziehung Sharis war anspruchsvoll, hat sich aber zu 100 Prozent gelohnt.

Sie jagt nicht und kann auch am Scooter an der Roll-Leine (Flexi) laufen (falls ich einmal nicht so gut gehen kann). Dank dem Hund erlebe ich das Wachsen und Gedeihen in der Natur, rieche die Blumen und das Heu, sehe die Apfel- und Walnussbäume.

Es ist einfach herrlich. Und wenn Shari sich freut, freut es mich auch.

Gibt es auch Probleme, Sorgen?
Da mein Mann schon pensioniert ist, mache ich mir keine Sorgen, sollte ich einmal in eine Reha fahren. Das einzig Gefährliche wäre in dieser Zeit, dass sie sich vergiften könnte, weil sie labadortypisch etwas Ungeeignetes auf einem Spaziergang fressen würde.

Kannst du anderen MS-Betroffenen (d)ein Haustier empfehlen? Welche Voraussetzungen müssen für eine funktionierende «Partnerschaft» definitiv erfüllt sein?
Ich würde jedem Hundebegeisterten einen Hund empfehlen. Voraussetzung wäre aber, dass man in der Lage ist, einen Hund erziehen zu können. Shari zum Beispiel bringt 25 Kilo auf die Waage und sie darf nie an der Leine zerren. Sie hat von Anfang an gelernt, auch wenn ich mit Walkingstöcken unterwegs bin und sie an zwei!!! Fingern der linken Hand halte, was «Fuss» bedeutet. Nicht vergessen darf man die Kosten für Versicherung, Krankheitsfall des Hundes und hochwertiges Futter. Ein Hund braucht auch täglich Auslauf und auch Kontakt zu anderen Hunden.

Über die Serie «Tierisch gute Freunde»: Was die Beziehung von MS-Betroffenen und Haustieren angeht, spricht einiges für ein inniges Miteinander:  Viele Studien und noch mehr Lebens-Erfahrungen belegen von Blutdruck-Senkung über Stressreduktion bis Wohlfühlfaktor eine Vielzahl positiver physischer und psychischer Effekte.  Zudem bringen die «tierischen Freunde» Struktur in den Alltag und machen häufig Sozialkontakte relativ einfach möglich. Klar, gibt es auch elementare Dinge, die für die Tierhaltung allgemein und ein gutes Verhältnis beachtet werden müssen. Wir stellen hier unregelmässig MS-Betroffene und ihre Lieblinge vor.