Tierisch gute Freunde: Sara & Calvin

MS-Geschichten

Ich bin 35 Jahre alt und habe seit 10 Jahren schubförmig remittierende MS. Ich arbeite in einem Vollpensum als Lehrperson im Kindergarten und engagiere mich nebenbei noch berufspolitisch im Verband Kindergarten Zürich. Ich habe keine Kinder und wohne mit meinem Partner zusammen.

Und wer ist dein «tierischer Freund»?
Mein Pferd Calvin. Ein 8 jähriger Freibergerwallach.

Wie habt ihr zueinander gefunden?
Vor zwei Jahren startete ich die Suche nach einem eigenen Pferd, nachdem ich viele Jahre eine Reitbeteiligung hatte. Ich hatte mir bereits einige Pferde angeschaut. Dann schickte mir meine Kollegin ein unscheinbares Inserat und zwang mich fast dort anzurufen. Einen Tag später ging ich ihn anschauen. Mir gefiel sein liebevolles und freundliches Gemüt auf Anhieb. Nach dem Proberitt und einer Nacht später entschied ich mich ihn zu kaufen.

Wirkt sich dein Tier positiv auf deinen Alltag mit Multipler Sklerose aus? Welche körperlichen und psychischen Vorteile bringt dir euer Zusammenleben?
Durch ihn bin ich 4-6 Mal in der Woche für mindestens 2.5 Stunden draussen. Die Bewegung, frische Luft und vor allem die Beziehung zu diesem Tier tun mir extrem gut. Ich vergesse die Alltagssorgen, da ich mich bei ihm voll auf ihn fokussieren muss. Meine Schwindelthematik ist auf dem Pferd interessanterweise komplett weg. Ich empfinde auch einfach wahnsinnig viel Freude, Liebe und Passion für das, was ich mit ihm tue.

Gibt es auch Probleme oder Sorgen?
Ja, die gibt es. Was passiert, wenn es mir chronisch schlechter geht und ich mich nicht mehr um ihn kümmern kann, wie er es braucht? Was, wenn ich gesundheitshalber mit dem Arbeitspensum zurückfahren muss und finanziell nicht mehr für ihn aufkommen kann?

Kannst du anderen MS-Betroffenen dein Haustier empfehlen? Welche Voraussetzungen müssen für eine funktionierende «Partnerschaft» definitiv erfüllt sein?
Ein Pferd ist eine grosse Verantwortung in Punkto Zeitaufwand und Finanzen. Monatlich kostet mich mein Hobby locker 1500.- (Pensionspreis, Hufbearbeitung, Training, etc.). Der Tierarzt ist da noch nicht eingerechnet. Der Kaufpreis ist die kleinste Belastung. Das muss man sich schon gut überlegen, ob man bereit ist, so viel Geld auszugeben. Zur Not würde mich mein Partner und/oder meine Eltern vorübergehend finanziell unterstützen.

Calvin steht in einem grosszügigen Offenstall und kann sich immer frei bewegen und mit seinen Pferdefreunden spielen. Dies erlaubt mir an Tagen, wo es mir nicht so gut geht auch mal nicht in den Stall zu müssen. Ausserdem habe ich meine Mutter als Reitbeteiligung. Sie geht 1-2 Mal in der Woche zu ihm und kann auch mal kurzfristig einspringen. So auch meine Trainerin. 

Ich haderte lange mit der Entscheidung, wegen diesen zwei Punkten. Da ich aber einen Backup-Plan hatte (finanzielle Absicherung, Offenstall) konnte ich den Schritt wagen. Es war wirklich ein Wagnis, weil ich durch die Krankheit immer alles abzusichern versuche. Aber ich musste mir sagen, dass auch ein gesunder Mensch nicht weiss, wie es ihm in zehn Jahren geht und ich das schlicht nicht voraussehen kann. Ich musste aus dem jetzigen Standpunkt entscheiden und dieser besagte, dass es möglich ist. Für alles andere finden sich zum gegebenen Zeitpunkt Lösungen.