Schweiz. MS-Gesellschaft verzichtet auf Pharmagelder

Seit Januar 2019 verzichtet die Schweiz. MS-Gesellschaft auf Zuwendungen der Pharmaindustrie und nimmt keine finanzielle Unterstützung in Form von Spenden oder Sponsoring mehr entgegen. Co-Direktor Dr. Christoph Lotter erklärt im Interview, was dies bedeutet.

Warum verzichtet die MS-Gesellschaft auf Gelder aus der Pharmaindustrie?
Die MS-Gesellschaft möchte die gelebte Transparenz mit einem vollständigen Verzicht auf Pharmagelder bei MS-Betroffenen und Mitgliedern noch weiter stärken und sich auf ihre Rolle zur Begleitung von Betroffenen und Angehörigen konzentrieren.

Folgt die MS-Gesellschaft einem Trend oder nimmt sie hier eine Vorreiterrolle ein?
Bei der MS-Behandlung handelt es sich um einen für die Pharmaindustrie lukrativen Markt. Umso wichtiger ist es, dass die MS-Gesellschaft unabhängig und neutral agiert. Wir sind hier tatsächlich in einer Vorreiterrolle. Möglich ist dies nur dank der treuen Unterstützung unserer Spender und Spenderinnen.

Versuchten die Pharmafirmen, Einfluss auf die Arbeit der MS-Gesellschaft zu nehmen?
Nein, die finanzielle und inhaltliche Unabhängigkeit und Neutralität der Arbeit der MS-Gesellschaft war schon vorher auf allen Ebenen gewährleistet. Es gab und gibt keine Beeinflussung durch Pharmafirmen oder Unternehmen der pharmazeutischen Industrie. Der vollständige Verzicht hat viel eher mit der gelebten Transparenz der MS-Gesellschaft zu tun.

Wie sieht denn künftig die Zusammenarbeit mit Pharmafirmen aus?
Natürlich muss ein Austausch mit allen Akteuren weiterhin stattfinden. Die Pharmaindustrie gehört wie Ärzteschaft, Therapierende und Forschende zum Netzwerk. Die MS-Gesellschaft begegnet allen auf Augenhöhe und wird informationstechnisch auch nicht benachteiligt. Die wichtigste Orientierung geben uns aber die Betroffenen und deren Angehörige, mit ihnen wollen wir intensiv zusammenarbeiten.

Wird die MS-Gesellschaft von nun an pharmakritisch auftreten?
Wie gesagt, bleibt die Pharmaindustrie einer unserer Partner, mit dem wir uns austauschen und dessen Handeln wir aufmerksam verfolgen. Die Pharmaindustrie entwickelt Therapien, die vielen MS-Betroffenen helfen, und treibt die MS-Forschung voran. Ihr Interesse ist es, damit Geld zu verdienen, dessen müssen wir uns bei der Zusammenarbeit bewusst sein. Daher ist es grundsätzlich wichtig, ganz klar zu wissen, wer hinter Apps, Onlinetools und Beratungen steht. Als Non-Profit-Organisation verfolgen wir einen breiteren Ansatz, unser Motto lautet: Damit es besser wird. Uns ist allem voran wichtig, dass Menschen mit MS bei uns Rat und Unterstützung finden. Weiter haben wir das Schweizer MS Register gegründet und unterstützen Forschung zur Verbesserung der Lebensqualität. Wir sind für alle Betroffenen da, auch für Schwerbetroffene, bei denen medikamentöse Optionen ausgeschöpft sind.

Muss die MS-Gesellschaft durch die fehlenden Einnahmen aus der Pharmaindustrie bei den Dienstleistungen sparen oder Angebote ganz streichen?
Die Zuwendungen aus der Pharmaindustrie bewegten sich in einem kleinen Rahmen, ca. 1,5%. Über 80% unserer Einkünfte bestehen aber weiterhin aus privaten Spenden. Durch effiziente Organisation stellen wir sicher, dass diese Spenden für MS-Betroffene eingesetzt werden. Dies wird auch durch das SQS-Gütesiegel garantiert, das die MS-Gesellschaft im Herbst 2018 erlangen konnte. Somit wird es keine Einsparungen bei den Dienstleistungen geben. Einzig unser jährlicher Fachkongress, das State of the Art Symposium, wird künftig in kleinerem Rahmen stattfinden. Etwas anderes würden MS-Betroffene, die bei uns auf allen strategischen Ebenen (inkl. Vorstand) vertreten sind und Entscheidungen treffen, auch gar nicht akzeptieren.