Neue Therapien

Fachartikel

Zu den traditionellen Programmpunkten eines jeden «MS State of the Art Symposiums» gehört ein Überblick über die neusten therapeutischen Entwicklungen. Speziell in diesem Jahr war, dass es nicht nur in Bezug auf die MS etwas zu berichten gab, sondern auch zur Therapie der Neuromyelitis-Optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD). 

Die Aufgabe, über die neusten Entwicklungen auf dem Gebiet der MS-Therapien zu sprechen, gebührte wie in den Vorjahren Prof. Dr. med. Andrew Chan vom Universitätsspital Bern. Sein erstes Thema war die Gruppe der Sphingosin 1 Phosphat (S1P)-Rezeptor-Modulatoren (Wirkstoffe zu erkennen an den Namen, die auf «imod» enden). Bisher gehörte lediglich das Medikament Gilenya®, mit seinem Wirkstoff Fingolimod, zu dieser Gruppe.

Mehr Optionen erlauben individuellere Therapiewahl

Neu sind in der Schweiz zwei weitere «-imods» verfügbar: Zeposia® mit dem Wirkstoff Ozanimod und Mayzent® mit dem Wirkstoff Siponimod. Während Zeposia® bei Erwachsenen mit einer schubförmig remittierend verlaufenden MS eingesetzt werden kann, ist Mayzent® für Personen mit einer sekundär progredienten MS mit entzündlicher Krankheitsaktivität (nachgewiesen durch Schübe oder entsprechende Veränderungen in der Bildgebung) zugelassen. «Es könnte nun die Frage aufkommen, weshalb es gleich drei «-imods» braucht», so Prof. Chan. Grundsätzlich binden alle drei Wirkstoffe an ähnliche Strukturen – S1P Rezeptoren – an der Oberfläche von Zellen. Allerdings existieren von diesem Rezeptor mehrere Subtypen, die auf verschiedenen Zellen und Geweben vorhanden sind. Die verschiedenen «-imods» unterscheiden sich unter anderem darin, an welche Rezeptor-Subtypen sie bevorzugt binden. Dies kann nicht nur einen Einfluss auf die Wirksamkeit der Substanz, sondern potentiell auch auf das Nebenwirkungsprofil oder -ausmass haben.

Als weitere neue Therapieoption ist für Menschen mit einer aktiven, schubförmig verlaufenden MS seit kurzem Kesimpta® (Wirkstoff Ofatumumab) verfügbar. Dieses Medikament wird nach einer Eindosierungsphase einmal pro Monat unter die Haut appliziert. Wie auch bei allen anderen MS-Medikamenten, muss eine Therapie mit den neuen Substanzen durch einen Arzt eingeleitet werden, der über Erfahrungen in der Behandlung von neurologischen Erkrankungen, einschliesslich MS, verfügt.

«Die grosse Palette an Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkstoffen und Anwendungsarten erlaubt es uns immer besser, dasjenige zu wählen, das für einen bestimmten MS-Betroffenen am besten passt», erklärte Prof. Chan. Denn die Therapie einer MS sei keine Einheitstherapie, kein «one size fits all», sondern sie müsse sehr individuell ausgewählt und Nutzen sowie Risiken gegeneinander abgewogen werden.

Auch Fehlschläge zu verzeichnen

Prof. Chan wies auch darauf hin, dass nicht alle Bemühungen, neue MS-Medikamente zu entwickeln, von Erfolg gekrönt sind. Vor allem im Bereich sogenannter Neuroprotektiver Ansätze, also Substanzen, die den Gewebeschaden abmildern oder gar zum Teil rückgängig machen könnten, gab es zuletzt Rückschläge. So bestand beispielsweise die Hoffnung, dass hoch dosiertes Biotin sowie ein sogenannter Anti-Lingo-1-Antikörper bei MS eine Wirkung zeigen könnten. Leider lieferten die entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen jedoch keine positiven Resultate.

Fachreferat von Prof. Andrew Chan (auf Englisch)

Endlich gezielte Optionen für Menschen mit NMOSD

Im Anschluss an Prof. Chan sprach PD Dr. med. Anke Salmen, Universitätsspital Bern, über die Neuromyelitis-Optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD). Dabei handelt es sich um eine Gruppe seltener, chronisch-entzündlich verlaufender Erkrankungen, bei denen das körpereigene Immunsystem vor allem Nervenzellen im Rückenmark und in den Sehnerven schädigt. Auch bei den NMOSD kommt es zu Schüben, die individuell stark ausgeprägt und in unterschiedlichen zeitlichen Abständen auftreten können. Wie PD Dr. Salmen berichtete, ist heute bekannt, dass bei Auftreten eines Schubs der Therapieerfolg besser ist, wenn die akute Behandlung möglichst rasch eingeleitet und engmaschig überwacht wird, um auch eskalierende Schubtherapien umgehend erfolgreich einsetzen zu können.

Neben der Behandlung der akuten Schübe sollten Betroffene auch eine Langzeittherapie erhalten. Dafür standen jedoch während vieler Jahre keine zugelassenen Therapeutika zur Verfügung. Dies hat sich nun geändert. Wie PD Dr. Salmen berichtete, sind in der Schweiz mit Soliris® (Wirkstoff Eculizumab) und Enspryng® (Wirkstoff Satralizumab) seit kurzem zwei neue Behandlungsoptionen für Menschen mit NMOSD verfügbar. Damit diese Medikamente allerdings eingesetzt werden können, müssen die Betroffenen im Blut ein bestimmtes Erkrankungskriterium – sogenannte Aquaporin-4-Antikörper – aufweisen. Denn in den wissenschaftlichen Untersuchungen konnte bei Betroffenen ohne diese Antikörper keine ausreichende Wirkung der Medikamente nachgewiesen werden.

Hinweis: Das Krankheitsbild der Neuromyelitis-Optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) wird, nebst der Multiplen Sklerose, ebenfalls von der MS-Gesellschaft abgedeckt.

Fachreferat von PD Dr. Anke Salmen (auf Englisch)

«MS State of the Art Symposium»

Das «MS State of the Art Symposium» ist der bedeutendste Fachkongress zu Multipler Sklerose in der Schweiz und wird von der Schweiz. MS-Gesellschaft und ihrem Wissenschaftlichen Beirat organisiert. Dieses Jahr fand das Symposium aufgrund der Pandemiesituation am 23. Januar 2021 in virtueller Form statt.

Informationen zu den erwähnten Medikamenten finden Sie in unseren MS-Infoblättern.


Wir danken den folgenden Sponsoren für ihre Unterstützung des «MS State of the Art Symposiums»

Gold Sponsor
Hollister (Schweiz) / Liberty Medical Switzerland AG

Silver Sponsors
Rehaklinik Zihlschlacht AG | AsFam GmbH

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Berner Klinik Montana | heimelig betten AG | Publicare AG