Hinzu kommt, dass Mieterinnen und Mieter im Rollstuhl zusätzlich bis zu 500 Franken pro Monat angeben können (bislang max. 300 Franken). Diese Erhöhung ist wichtig, da rollstuhlgängige Wohnungen meist nur in teuren Neubauten zu finden sind. Die Neuerungen bei den Mietausgaben haben zwar Mehrausgaben bei den EL zur Folge. Dennoch sollen durch die Reform Bund und Kantone jährlich rund 400 Mio. Franken sparen. Dies ist in erster Linie möglich, indem das Vermögen der Rentnerinnen und Rentner stärker berücksichtigt wird; Vermögende werden beispielsweise neu kein Anrecht mehr auf EL haben (Alleinstehende ab 100’000, Ehepaare ab 200’000 Franken). Inclusion Handicap und die MS-Gesellschaft haben sich gegen weitere Sparmassnahmen erfolgreich gewehrt. Die Krankenkassenprämien werden weiterhin höchstens bis zum kantonalen Durchschnitt als Ausgabe anerkannt. Das Parlament wollte den Beitrag ursprünglich senken. Ein weiteres Beispiel betraf den unhaltbaren Vorschlag des Nationalrates, dass die EL prinzipiell um 10% gekürzt werden, wenn Rentnerinnen oder Rentner Pensionskassenguthaben bezogen haben – unabhängig davon, wie sparsam die Betroffenen gelebt haben. Ein schmerzhafter Einschnitt jedoch bleibt: Die Beiträge für den allgemeinen Lebensbedarf für Kinder unter 11 Jahren werden gekürzt, für das erste Kind um 250 und für das zweite um 350 Franken pro Monat. Immerhin wehrte sich Inclusion Handicap erfolgreich gegen eine Kürzung des Beitrags für Kinder über 11 Jahren. Somit können Inclusion Handicap und die MS-Gesellschaft die EL-Reform in der Gesamtbilanz als Erfolg werten. Das revidierte Gesetz soll ab 2021 in Kraft treten.
Erste Weichen für IV-Weiterentwicklung gestellt
Noch zu früh ist es für ein Fazit bei der IV-Weiterentwicklung. Wie bei der EL-Reform spielen die Finanzen eine wichtige Rolle. Die IV weist noch rund 10 Mrd. Franken Schulden auf. Doch die Sanierung wurde längst eingeleitet und ist auf Kurs: Seit 2010 konnten die Schulden um ein Drittel reduziert werden, bis 2031 sollen sie gesamthaft abgebaut sein. Deswegen sind Sparmassnahmen bei der laufenden Reform für Inclusion Handicap tabu. Zudem ist der bisherige Schuldenabbau insbesondere auf die strengere Praxis der IV zurückzuführen. Für Menschen mit Behinderungen ist der Zugang zu Leistungen stark erschwert worden, wovon auch die deutliche Abnahme der (Neu-)Renten zeugt. Dies spüren häufig auch MS-Betroffene, deren Arbeitsfähigkeit oft höher eingeschätzt wird, als sie in Tat und Wahrheit ist. Ein weiterer Grund für die abnehmende Zahl der IV-Beziehenden liegt in der Neuausrichtung der IV, die sich in den letzten 12 Jahren von einer Renten- zu einer Eingliederungsversicherung gewandelt hat. Dadurch wurde die (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt forciert.
Auch die aktuelle IV-Weiterentwicklung setzt auf die Eingliederung. Die beruflichen Massnahmen sollen ausgebaut werden, mit Fokus auf Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen. Inclusion Handicap unterstützt diese Stossrichtung, denn Menschen mit Behinderungen wollen und können arbeiten. Finden mehr IV-Beziehende eine Stelle, wird die IV auch nachhaltig und auf weitsichtige Weise saniert. Weitere Revisionsvorschläge, die auch Menschen mit MS betreffen können, sind etwa:
- Stufenloses Rentensystem: Die IV-Rente soll identisch mit dem IV-Grad sein, womit die 1/4-, 1/2- und 3/4-Renten wegfallen würden. Inclusion Handicap lehnt das vorgeschlagene System ab: Erstens, weil Personen mit IV-Grad zwischen 60 und 69% heute eine 3/4-Rente, künftig aber nur noch eine 60- bis 69-prozentige Rente erhalten würden. Zweitens, weil die Stufe von 40% bestehen bleibt. Mit einem niedrigeren IV-Grad erhält man also weiterhin keine Rente.
- Bei den medizinischen Gutachten soll es Verbesserungen geben, was aus Sicht von Inclusion Handicap und der MS-Gesellschaft dringend angezeigt ist.
Kürzung der Kinderrenten: Nicht vom Bundesrat vorgeschlagen, aber vom Nationalrat beschlossen, wurde eine Kürzung um 25%. Gegen diesen unverantwortlichen Beschluss setzt sich Inclusion Handicap vehement zur Wehr.
Die MS-Gesellschaft und Inclusion Handicap arbeiten nun gemeinsam darauf hin, dass der Ständerat namentlich die Kürzung der Kinderrenten und das vorgeschlagene stufenlose Rentensystem korrigiert. So oder so wird weiterhin ein erheblicher Effort notwendig sein, um bei der IV-Weiterentwicklung ein ähnlich positives Resultat zu erzielen wie bei der EL-Reform. Inclusion Handicap und die MS-Gesellschaft werden sich unermüdlich für faire Sozialversicherungsleistungen und für die Interessen von Menschen mit Behinderungen sowie MS-Betroffenen einsetzen.