MS-Geschichten: Praktikum mit Folgen
MS-GeschichtenIch kann gut mit dem Rollstuhl umgehen, kann Menschen überzeugen und sehen, was man in der Öffentlichkeit besser machen kann. Also habe ich mich zum Wohnberater ausbilden lassen (ich habe früher Badezimmer eingerichtet und gestaltet).
Vor zwölf Jahren kam dann ein Gymnasium in meiner Heimatregion auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, im Rahmen eines Sozialpraktikums, den Schülern den Umgang mit dem Rollstuhl und vor allem den Umgang mit Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung zu erklären. Hatte ich.
Und das mache ich seitdem also zweimal im Jahr. Es macht mir viel Freude und es ist vor allem eine sinnvolle Aufgabe.
Wie sinnvoll, habe ich dieses Jahr im Frühjahr erleben dürfen. Ich war mit der Bahn und im Rollstuhl unterwegs und wollte vom einen Bahnsteig zum nächsten, wozu man einen Aufzug benötigt.
Der Aufzug war kaputt und so sass ich in meinem Rollstuhl und habe die Treppen hoch geschaut.
Ein junger Mann hat mich beobachtet, ist zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich da hoch möchte? Ich erklärte ihm, dass genau das mein Plan war.
Daraufhin hat er seine Freunde zu sich gerufen und sagte zu mir, dass sie mich jetzt da hoch tragen. Ich sagte noch zu ihm, dass ich 70 Kilo wiege und dass das viele Stufen sind – aber das war ihm und den anderen jungen Leuten offensichtlich so was von egal.
Sie haben mich geschnappt und die Treppen hoch getragen.
Oh, ich war einigermassen perplex und so habe ich auch geschaut. Dann meinte der junge Mann, dass er mich aus dem Sozialpraktikum in der Schule kennt - und da hätte ich ihm sehr eindrucksvoll vermitteln können, dass man immer seine Hilfe anbieten soll.
Mein Hilfebedarf ist in letzter Zeit mehr geworden - und ich scheue mich nicht, Hilfe anzunehmen oder um Hilfe zu bitten. Und Achtung: Meine Krone hat noch alle Zacken.
In diesem Sinne, Euer Ralf
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