«Mein lieber Rolli!»

MS-Geschichten

Mein Name ist Ralf, Baujahr 1970, wohne in einer Seniorenanlage alleine in meiner eigenen Wohnung, zusammen mit 30 Frauen (alle 70 oder älter).

Verheiratet war ich nie und Kinder habe ich keine. MS habe ich seit 1995. Gearbeitet habe ich bis zu meinem 40. Lebensjahr, dann wurde ich verrentet. Während meines Arbeitslebens habe ich Badezimmer geplant und eingerichtet.

«Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt». Das ist einer meiner Leitsprüche. Was so verstanden werden will: «Wenn Du irgendwas besser machen kannst - dann mach es!». Mit 40 ist man «too young to die», also habe ich mir Gedanken gemacht was ich für die Gesellschaft machen kann. Ich wollte etwas machen, wovon ich völlig überzeugt bin, kein Geld verdiene, also ehrenamtlich tätig bin.

Ich leite seit 2010 eine Selbsthilfegruppe für MS-Betroffene bei AMSEL (Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg), wurde 2011 in den Vorstand der AMSEL gewählt, habe mich 2010 zum Wohnberater ausbilden lassen. Da ich seit 2009 den Rolli häufiger nutze, wollte ich auch hier mein Wissen vertiefen und liess mich zum Übungsleiter im Rollstuhlsport ausbilden.

Weil ich gut erklären und reden kann bin ich regelmässig an Schulen als Vortragender und an einer Schule für Pflegekräfte als «Experte in eigener Sache» tätig. Bei Arbeitskreisen bei der Stadt zum Thema Inklusion bin ich auch dabei, wenn mein Wissen gefragt wird. Da ich viel weiss, unter anderem beim Thema Pflegegrad, bin ich gerne als Beratender tätig.

Hobbys habe ich fast keine. Was ich aber mache - ich gehe sehr gerne und auch auf viel Konzerte. Es muss halt eine gute Band sein. Und es ist mir fast egal ob das Konzert in Köln oder München ist. 
Wenn es, vom körperlichen her, machbar ist, mache ich es. Über meine Konzerte und reisen mit der Bahn berichte ich auf meinem Instagram Kanal.

Mein Antrieb ist: Zu zeigen «was geht», auch mit Behinderung!

Immer dabei: Mein Rolli, dem ich folgende kleine Hommage gewidmet habe.  

Mein lieber Rolli!
Du begleitest mich seit 12 Jahren -  und ich möchte ein paar Worte der Wertschätzung an Dich richten. Damals, 2010, war meine Gehstrecke nicht mehr akzeptabel für mich. Heisst konkret, ich konnte die Königstrasse (ca. 1,2 Kilometer Länge) nicht mehr ohne Übernachtung hoch und runter laufen. Das war mir Einschränkung genug. Also beschloss ich in der Reha, mir einen Rolli rezeptieren zu lassen.

Seit 2010 bist Du mein ständiger und zuverlässiger Begleiter. Nur einmal hattest Du mich fast im Stich gelassen, ich meine, es war 2019 in Köln. Du hattest einen Platten. Zum Glück konnte ich den Schlauch innerhalb eines Tages wechseln lassen.

Wir haben richtig viel zusammen erlebt, viel gesehen und waren auf ganz vielen Konzerten. Ich denke es waren so um die 35. Wir haben viele Städte gesehen. Stuttgart, Berlin, Köln, Ulm, München, Bielefeld, Düsseldorf, Ahaus, Heilbronn, Mannheim, Kempten, Heidelberg, Bad Wildbad, Koblenz, Kleve, Konstanz. Zu jeder Stadt gäbe es eine Geschichte zu erzählen…..

 

Interessant ist, wenn ich überlege, bei welchen Konzerten wir waren - Rammstein, Jazz Open Stuttgart, Deichkind in Köln und Stuttgart, Depeche Mode in Köln, Jamiroquai in Stuttgart, AnnenMayKantereit und Iron Maiden in Stuttgart, Fury in the Slaughterhouse, Fettes Brot, Kraftwerk, Faithless, Jupiter Jones, Sigour Ros München, Kettcar, Machine Head, Volbeat, Placebo, Element of Crime, Billie Elish, Beasteaks, Maroon5 in Köln.

Du magst es mit der Bahn zu fahren oder mit dem Auto. Auch die Taxen hast Du zwischenzeitlich akzeptiert, nachdem Du festgestellt hast, dass es auch unkompliziert ist (man muss ja nur die beiden Räder abmachen).

Du bist unkompliziert, verlässlich, gut aussehend, mutig, abenteuerlistig, hast eine positive Einstellung (wir schaffen das) und so vieles mehr…

Ich freue mich auf unseren weiteren gemeinsamen Lebensweg.

Schön, dass Du in meinem Leben bist!

Dein Ralf