Gesichter der MS: Tanja Krieg

Gesichter der MS

Diese Serie ist anders. Nicht Dritte oder Unbeteiligte reden über MS und Menschen mit MS. Sondern MS-Betroffene selbst sprechen über ihr Leben mit einer unheilbaren Krankheit, ihre Hoffnungen, ihre Ängste. Wie die Krankheit sie fordert, aber auch, wie die MS sie vielleicht stärker gemacht hat. Wie eng gute und schlechte Erfahrungen beieinander liegen.

Wer bist du? Wie alt bist du?
Ich heisse Tanja und bin 36 Jahre alt.

Wie lange bestanden bei dir schon die Symptome vor der Diagnose?
2 Wochen vor der Diagnose ging ich damals, ohne etwas zu spüren, ins Bett. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war mir klar, dass sich auf einen Schlag alles verändert hatte. Meine rechte Gesichtshälfte und die Zunge waren taub, ich hatte Doppelbilder und mein Gleichgewicht war weg. Ich rief sofort meinen Hausarzt an und der meinte, er hätte eine Vermutung, sagte mir jedoch nicht was für eine. Es folgten die üblichen Untersuchungen. Das waren meine längsten 2 Wochen.

Wie und in welchem Alter wurde dir die Diagnose MS vermittelt?
Mit 28, für mich zu wenig verständlich und einfühlsam. Ich erhielt einige Broschüren.

Was war Dein erster Gedanke nach der Diagnose MS?
Im allerersten Moment war ich einfach nur erleichtert, dass es nicht ein Hirntumor war. Im zweiten Moment ist dann meine Welt zusammengebrochen. So hatte ich damals noch keine Ahnung was MS ist, aber eine unheilbare Krankheit zu haben, hat mich erschaudern lassen.

Welche Symptome machen Dir am meisten zu schaffen?
Dass ich in meinem rechten Bein sehr schnell kraftlos bin und nicht mehr richtig gehen kann. Somit fällt sehr viel an Aktivität weg, die ich eigentlich liebe. Sehr oft schleicht sich der Gedanke ein, dass man mit mir nie mehr etwas Abenteuerliches unternehmen kann - und ich entwerte mich deshalb selber.

Wie geht dein privates Umfeld mit deiner Krankheit um?
Ich bin alleinerziehendes Mami, habe jedoch einen neuen Partner. Er merkt immer sehr schnell, wenn es mir nicht gut geht. Er hat schon oft meine Tränen getrocknet und mich schon so manches Mal getragen, wenn ich nicht mehr richtig gehen konnte. Er ist mir eine grossartige Stütze und versteht mich ohne Worte.

Ich rede nicht viel über die Krankheit und deshalb ist das auch in meiner Familie oder bei Freunden nicht immer Gesprächsstoff. Ich weiss jedoch, dass sie immer für mich da sind und mir Mut machen. Wir haben immer etwas zu lachen, das lässt so manches vergessen.

Hast Du Kinder? Wie gehen sie damit um? Wie bekommst Du/mit Deinem Partner Kinder und Beruf unter einen Hut?
Ich habe einen 9-jährigen Sohn. Als ich ihm erklärte, dass ich zwei Krankheiten (auch eine leichte Form der Epilepsie) habe, war für ihn wichtig, dass ich daran nicht sterben kann. Alles andere nimmt er mit einer kindlichen und warmherzigen Gelassenheit. Ich spiele nebst der Arbeit und Familie auch noch aktiv Theater. Es ist irgendwie alles machbar für mich, da ich der Typ dazu bin. Ich gönne mir jedoch viel zu wenig Pausen, das büsse ich manchmal.

Wie ist die Situation an Deiner Arbeitsstelle?
Sehr gut, ich arbeite 60% (da ich Mami bin) in einem Chefarztsekretariat. Ich spiele immer mit offenen Karten und bin zum Glück, was die Arbeit anbelangt nicht eingeschränkt und auch in einem tollen Team.

Wie entspannst du dich? Welchen Rat hast du für andere MS-Betroffene?
Entspannen kann ich in der Natur, am allerbesten bei starkem Wind, der mich leerfegt und beim Blick in den fernen endlosen Himmel. Die MS hat ja auch ihre positiven Seiten (auch wenn ich das eigentlich gar nicht gerne sage). Ich zumindest fange mich mit ihr immer mehr an zu lieben. Ich suche bei all den schlechten Dingen immer auch die guten, die ja auch da sind und merke, dass ich manchmal richtig gut bin und eigentlich schon unglaublich viel geschafft habe.

Also - mach weiter, sei stolz auf dich und vergesse nie zu lächeln, das ist nämlich das Schönste was du tragen kannst.

Was macht Dir in Bezug auf MS Angst?
Dass ich meine Kraft in den Beinen komplett verlieren könnte. Für mich unvorstellbar, die Krankheit würde mir meine geliebte Freiheit nehmen.

Was gibt Dir in Bezug auf MS Hoffnung?
Meine Neurologin, immer und immer wieder. Und mein Sohn, der meine Hand hält, wenn ich nicht mehr gehen kann, das gibt mir Hoffnung, dass alles gar nicht so schlimm sein kann.

Wenn du 3 Wünsche frei hättest: Welche wären das?
Einfach nur gesund sein! Dass es meinem Sohn nie an Glück und Zufriedenheit mangelt. Dass die Welt eine bessere wird in vielerlei Hinsicht.

Hattest Du im Zusammenhang mit MS lustige und/oder traurige Erlebnisse?
Die traurigen teile ich mit meinem Kopfkissen und die lustigen lassen mich mit meinen Freunden lachen. Da wären noch die schönen, die erlebe ich jeden Tag.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft?
Ich habe keine direkte Beziehung, ausser dass ich die Gesellschaft auf Facebook verfolge und ich die Öffentlichkeitsarbeit hervorragend finde. Es ist schön zu wissen, dass da ein Joker ist, den ich bei Bedarf auch einsetzen könnte.


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