Gesichter der MS: Ivy Spring

Gesichter der MS

Diese Serie ist anders. Nicht Dritte oder Unbeteiligte reden über MS und Menschen mit MS. Sondern MS-Betroffene selbst sprechen über ihr Leben mit einer unheilbaren Krankheit, ihre Hoffnungen, ihre Ängste. Wie die Krankheit sie fordert, aber auch, wie die MS sie vielleicht stärker gemacht hat. Wie eng gute und schlechte Erfahrungen beieinander liegen.

Wer bist du? Wie alt bist du?
Mein Name ist Ivy Spring und ich werde bald 37.

Wie lange bestanden bei dir schon die Symptome vor der Diagnose?
Nach meiner Borreliose 2009 fingen die Symptome an: Sehnerv-Entzündung, Gefühlsstörungen an den Händen.

Wie und in welchem Alter wurde dir die Diagnose MS vermittelt?
Mir wurde die Diagnose sachlich vom Arzt mitgeteilt, ich war damals 30. Ich finde es wichtig, eine Person, die einem nahe steht, dabei zu haben.

Was war dein erster Gedanke nach der Diagnose MS?
Leere und Überforderung, ich hätte mir mehr Infos und Erklärungen gewünscht. Ich wusste lange nicht, dass meine Symptome einen Namen haben. Nämlich FATIGUE. Zu Beginn habe ich diese Krankheit nicht verstanden.

Welche Symptome machen dir am meisten zu schaffen? Wo behindern Dich die Symptome im Alltag, wie beeinflusst die MS Deine Lebensqualität?
Fatigue; Schmerzen, Gleichgewichtsstörungen, Kraftlosigkeit. Alle Symptome, die durch die Fatigue bedingt sind. Ich leide oft unter einer Erschöpfung/Müdigkeit, die mit gutem Willen nicht zu überwinden ist. Ich gehe abends ins Bett und erwache morgens genau so müde. Konzentrationsstörungen und manchmal auch Koordinationsstörungen, wobei das Gleichgewicht fast nicht mehr vorhanden ist, je erschöpfter ich werde. Spaziergänge kann ich nicht geniessen, wenn ich mich nicht alle 300 Meter auf eine Bank setzen kann. Deshalb bin ich bei gutem Wetter oft mit meinem Rollator unterwegs.

Hast Du Kinder? Wie gehen sie damit um?
Wie bekommst Du mit Deinem Partner Kinder und Beruf unter einen Hut?

Keine Kinder. Kein Partner. Keine Arbeit.

Wie geht dein privates Umfeld, also Familie, Freunde, Partner, mit deiner Krankheit um?
Familie und Freunde gehen sehr gut damit um, so scheint es mir zumindest bis jetzt. Meinem Umfeld bin ich sehr dankbar für seine Hilfe: Einkaufen, Fahren, Kochen, Putzen, usw.  Ich bin eher spontan, was Familie und Freunde betrifft. Das Planen und sich Organisieren gehört auch dazu und ist sehr wichtig für das eigene Energiemanagement.

Wie ist die Situation an deiner Arbeitsstelle?
Leider hatte ich keine Chance bei meinem letzten Arbeitgeber. Er hat mir gekündigt. Das war 2014 nach einem heftigen Schub. Es bestand auch zu keiner Zeit ein Verständnis. Obwohl die IV insistiert hat, einen Arbeitsversuch dort zu machen. Am Ende war ich froh, diesen an einem weniger stressigen Ort gemacht zu haben. Ohne Vorurteile meiner Person gegenüber.

Wie entspannst du dich? Welchen Rat hast du für andere MS-Betroffene?
Ich entspanne mich zum Beispiel mit: PS4, Netflix, Lesen, Basteln, Yoga, Schlafen, Musik hören. Es ist sehr wichtig, uns bewusst zu machen, dass wir nichts müssen. Auch wenn man uns die MS nicht ansieht, sind wir unheilbar krank. Wir sollten uns von der stressigen, leistungsorientierten (Arbeits-)Gesellschaft abnabeln. Es ist gut, im Arbeitsprozess zu bleiben, solange der soziale Kontakt, der Haushalt und unsere Gesundheit nicht darunter leiden müssen. Es sollte auch genug Energie für Sport und (Physio-)Therapien vorhanden sein.

Was macht dir in Bezug auf MS Angst?
Die Ungewissheit. Es kann von jetzt auf gleich alles anders sein. Das kann uns allen passieren, wenn man aber bereits vorbelastet ist mit einer Krankheit, denkt man eher darüber nach. Die finanziellen Sorgen sind auch nicht zu unterschätzen.

Was gibt dir in Bezug auf MS Hoffnung?
Die unabhängige Forschung. Also jene, die nicht von der Pharma-Industrie beeinflusst oder abhängig ist.

Wenn du 3 Wünsche frei hättest: Welche wären das?
Keinen Krieg/Religionen, keine Krankheiten für die Menschheit und eine gesunde Umwelt.

Hattest du im Zusammenhang mit MS lustige oder traurige Erlebnisse?
Es ist immer wieder interessant zu sehen, dass es Menschen mit und ohne Empathie gibt. Das wahre Gesicht einer Person zeigt sich schneller, wenn man krank ist. Ich mag Menschen, welche ohne Wenn und Aber gerne helfen und sich selbst nicht als unsere «Diener» betiteln. Für uns ist es auch schwierig, diesen Schritt zu machen, sich selbst einzugestehen, dass wir nicht alles allein meistern können. Vor allem alltägliche Dinge, wie zum Bespiel den Haushalt, Einkaufen, Kochen, Haare waschen und so weiter.

Traurige Erlebnisse hatte ich eher keine oder ich kann mich jetzt nicht daran erinnern. Ich war eher erstaunt, als mich ein Security-Mitarbeiter im Ausgang mal ernsthaft auf meinen Rollator angesprochen hat. «Wenn du diesen nicht wirklich brauchst, wären wir dir dankbar, wenn du ihn draussen lässt.» Ich dachte, der macht Witze. Aber es war sein Ernst. Ich musste ihn aufklären, dass ich MS habe. Dann wiederholte er seinen Satz. Und ich wiederholte meinen, erst dann hat er es begriffen und sich entschuldigt. Natürlich ist es sehr energiefressend, sich gegenüber Unwissenden immer wieder rechtfertigen zu müssen. Es gibt Tage, da kann ich besser, und an anderen weniger gut damit umgehen.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft?
In den Jahren nach der Diagnose habe ich viel von Ratschlägen der Sozialberatung profitiert. Das hat mich motiviert, mich ehrenamtlich in der Regionalgruppe dreaMS zu engagieren.


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