Gesichter der MS: Gina Purtschert

Gesichter der MS

Diese Serie ist anders. Nicht Dritte oder Unbeteiligte reden über MS und Menschen mit MS. Sondern MS-Betroffene selbst sprechen über ihr Leben mit einer unheilbaren Krankheit, ihre Hoffnungen, ihre Ängste. Wie die Krankheit sie fordert, aber auch, wie die MS sie vielleicht stärker gemacht hat. Wie eng gute und schlechte Erfahrungen beieinander liegen.

Wer bist du? Wie alt bist du?
Ich heisse Gina, bin 21 Jahre alt und wohne im Kanton Zürich. 

Was bedeutet MS für dich?
MS bedeutet für mich da zu kämpfen, wo andere schon längst aufgegeben hätten, ein Licht zu sehen, obwohl es eher dunkel ist.

 

Wie lange bestanden bei dir schon die Symptome vor der Diagnose?
Ich war bei der Diagnose sehr jung und kann daher relativ schlecht beurteilen, ob und wie mögliche Symptome mit der MS zusammenhingen. Aber es ist sehr gut möglich, dass einige «Beschwerden»,  die ich vor der Diagnose hatte, mit der MS zusammenhingen.

Wie und in welchem Alter wurde dir die Diagnose MS vermittelt? 
Im Sommer meines sechzehnten Lebensjahres bin ich eines Morgens aufgewacht und hab mein Kopfkissen doppelt gesehen, erst dachte ich mir nix dabei und schob es auf meine Müdigkeit. Als ich dann aber fast nicht gerade ins Badezimmer laufen konnte und mir dann auch extrem schlecht wurde, weil sich einfach alles drehte, wusste ich, etwas stimmt nicht. Meine Mutter wollte dann erst mal den Hausarzt anrufen. Wir konnten gleich vorbei gehen und er machte einige simple Tests. Schon beim ersten musste ich mich mehrmals übergeben, nach einigen weiteren Versuchen und jeweiligem Erbrechen meinerseits, schickte er uns direkt in den Notfall ins Kinderspital, da ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht 16 war. Also wieder ins Auto und direkt nach Zürich, wo man uns bereits erwartete.

Die Ärztin machte ebenfalls verschiedenste Tests, welche von mir wiederholt mit Erbrechen beantwortet wurden und da ich bis dahin den ganzen Tag über noch nix gegessen hatte, kam irgendwann nur noch Magensäure oder leeres Würgen von mir. Irgendwann wurde meine Mutter dann durch meinen Vater abgelöst, was ich aber nicht so richtig mitbekam.

Nach einem Tag voller Tests und Ungewissheiten auf dem Notfall konnte ich gegen drei Uhr in der Nacht endlich auf ein Zimmer und ein wenig schlafen. Mein Vater blieb die ganze Zeit an meiner Seite. Nach zwei Wochen im Spital, allen möglichen Tests und viel Cortison, kam dann die MS-Diagnose auf den Tisch, was aber sehr ungewöhnlich war, für mein damaliges Alter. Ein halbes Jahr später sah man dann allerding den Verlauf der Krankheit mittels MRI-Bildern und konnte die Diagnose dann bestätigen.


Was war dein erster Gedanke nach der Diagnose MS?
Erstmal verstand ich nicht wirklich, was das für mich bedeutet und wollte nur stark sein für meine Eltern. Für mich hiess es erst mal gut, du musst jetzt Medikamente nehmen und dann kommt das schon wieder. Erst in den letzten Jahren wird mir so richtig bewusst, was eine MS-Diagnose und ihre Begleiterscheinungen für mein Leben und das Leben meiner Mitmenschen potentiell bedeuten könnte, vor allem in Zukunft.

Welche Symptome machen dir am meisten zu schaffen? Wo behindern dich die Symptome im Alltag, wie beeinflusst die MS deine Lebensqualität?
Da ich schon sehr früh eine gute Medikamenteneinstellung erreichen konnte, habe ich im Alltag fast gar nicht mit Symptomen zu kämpfen. Das einzige, was manchmal nicht ganz funktioniert, ist mein Gleichgewicht. Auch habe ich manchmal mit Fatigue zu kämpfen, Vitamin D hilft da allerdings sehr.

Betreffend Lebensqualität verschlechterte MS mein Leben bisher nicht, sondern hat mir eher gezeigt was wichtig ist, auch gibt sie mir einen gewissen Fokus, den ich ohne sie wahrscheinlich nicht in diesem Ausmass und schon relativ früh erreichen konnte. 

Wie geht dein privates Umfeld, also Familie, Freunde, Partner, mit deiner Krankheit um? 
Ich probiere immer sehr offen mit der Krankheit umzugehen und erzähle auch vielen davon, nicht um Mitleid zu bekommen, sondern um zu informieren. Meine Familie unterstützt mich sehr und ist oft mehr betroffen als ich. Wahrscheinlich weil sie es nicht so richtig fassen können und nicht am eigenen Leib erfahren müssen....

Wie ist die Situation an deiner Arbeitsstelle?
Ich arbeite zurzeit im Gastgewerbe und mein Team weiss, dass ich MS habe. Allerdings weiss ich nicht genau, wie sehr sie diese Krankheit auch verstehen, aber ich erkläre es natürlich denen, die sich dafür interessieren und auf mich zukommen.

Wie entspannst du dich? Welchen Rat hast du für andere MS-Betroffene?
Ich mache viel Yoga und höre Entspannungsmusik. Atemübungen und den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen, hilft mir extrem, das Vertrauen in meinen eigenen Körper (wieder) zu erlangen.

Was macht dir in Bezug auf MS Angst? 
Wirkliche Angst habe ich nicht so sehr. Was mir aber grosse Sorge macht, ist die Ungewissheit, mit der die MS kommt. Theoretisch könnte ich jeden Morgen beim Aufwachen einen neuen Schub bekommen.

Was gibt dir in Bezug auf MS Hoffnung?
Einerseits die vielen Forschungsarbeiten welche zurzeit laufen, andererseits auch mein im Moment sehr stabiler Krankheitsverlauf und natürlich die grosse Unterstützung, die ich aus meinem Umfeld erhalte.

Wenn du 3 Wünsche frei hättest: Welche wären das?
Garantierte Gesundheit für meine Familie und Freunde. Mehr Aufgeschlossenheit und echtes Interesse von Mitmenschen an der MS. Weniger Mitleid.

Hattest du im Zusammenhang mit MS lustige und/oder traurige Erlebnisse?
Einmal wurde mir mal gesagt: «Ach MS, das ist doch gar nicht so schlimm, du musst nur ganz viel Wasser mit den richtigen Schwingungen trinken, dann wirst du wieder gesund. Die Welt und wir Menschen sind aus Schwingungen - und deine sind einfach aus dem Gleichgewicht.» Das war ein Fanatiker, aber dennoch nervt es.

Welchen Satz über MS kannst du nicht mehr hören?
«Was du musst jedes halbe Jahr für sechs Stunden ins Unispital für eine 6-stündige Infusion!?! Gibts da nix Besseres?» «Du hast MS?!? Das sieht man dir gar nicht an.... Normalerweise sind Menschen mit MS doch im Rollstuhl.»

Wenn deine MS ein Tier wäre, welches und warum?
Ich glaube sie wäre ein schwarzer Panther. Denn einerseits ist sie gefährlich, unberechenbar und versteckt sich im Schatten. Aber auf der anderen Seite ist sie irgendwie auch schön, denn sie macht mich stark und selbstsicherer.

An was hängt dein Herz?
An meiner Familie und Freunden, aber auch an der Natur und am Reisen. Ich möchte am liebsten alles sehen und erleben (solange ich noch kann...).

Ein Satz für deine Liebsten?
Danke! Auch wenn ich oft für euch stark sein musste, habt ihr mich dennoch immer blind unterstützt,  mir geholfen und meine Entscheidungen respektiert.

Ein Satz für deine «Feinde»?
Ich glaube nicht an das Konzept des Feindes, sondern eher an Gegner. Einer davon ist meine Müdigkeit und Faulheit. Aber da muss man sich manchmal einfach in den Po kneifen und sich überwinden.

Dein Lebens-Motto?
Geniesse jeden noch so kleinen Moment, du weisst nie wie es morgen aussieht.

Dein Lieblingsbuch? Lieblingsfilm? Lieblingsessen? Gegen den MS-Blues?
Ich schaue oft Serien, da kann man so richtig abtauchen. Essen ist egal was, am besten mit der Familie und/oder Freunden, da kann man alles bereden und wird akzeptiert, genauso wie man ist.

 


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