Gesichter der MS: Eveline Stutz

Gesichter der MS

Diese Serie ist anders. Nicht Dritte oder Unbeteiligte reden über MS und Menschen mit MS. Sondern MS-Betroffene selbst sprechen über ihr Leben mit einer unheilbaren Krankheit, ihre Hoffnungen, ihre Ängste. Wie die Krankheit sie fordert, aber auch, wie die MS sie vielleicht stärker gemacht hat. Wie eng gute und schlechte Erfahrungen beieinander liegen.

Wer bist du? Wie alt bist du?
Mein Name ist Eveline, und ich bin 51 Jahre alt.

Wie lange bestanden bei dir schon die Symptome vor der Diagnose?
Die Symptome bestanden bereits ein Jahr vor der Diagnose. Bei Wanderferien hatte ich enorm Mühe mit Müdigkeit und Kraftlosigkeit in den Beinen. Die Symptome verschwanden wieder. Bei einem Aufenthalt in Afrika hatte ich dann schwere Symptome mit komplettem Gefühlsverlust in den Händen.

Wie und in welchem Alter wurde dir die Diagnose MS vermittelt?
Ich war ungefähr 20 Jahre alt, als die Diagnose gestellt wurde. Aufgrund der Symptome vermutete man zuerst einen Tumor im Hirnstamm. Nach langem Warten wurde dann die Diagnose nach einer MRI-Untersuchung gestellt. Die damaligen Radiologen sprachen von: Es ist nichts Schlimmes, es kommt und geht, und ihr Hausarzt wird ihnen dann mehr darüber berichten. Durch meinen medizinischen Beruf kannte ich die Symptome der MS. Also ich hatte den Verdacht schon, bevor die Ärzte mir dies bestätigten. Als ich dann beim Hausarzt den Besprechungstermin hatte, sass dieser wie ein Häufchen Elend vor mir. Er wollte nicht mit der Diagnose rausrücken, die Tränen rannen über sein Gesicht. Also ergriff ich die Initiative und sagte zu ihm: «Es handelt sich um MS nicht wahr? Und ich verspreche Ihnen, zu kämpfen.»

Was war dein erster Gedanke nach der Diagnose MS?
Mein erster Gedanke war: Ich schaffe das.

Welche Symptome machen dir am meisten zu schaffen? Wo behindern dich die Symptome im Alltag, wie beeinflusst die MS deine Lebensqualität?
Zu Beginn hatte ich Parästhesien in den Händen und Beinen. Heute machen mir die Fatigué sowie die Schwäche in den Beinen, sowie die zeitweiligen Gleichgewichtsstörungen sehr zu schaffen. Überhaupt einen Tagesablauf zu planen, ist heute ein Ding der Unmöglichkeit. Dies macht einsam, denn mit diesen Symptomen ist man für das Umfeld eher eine Belastung. Ich nehme jeden Tag von neuem und versuche, mein Leben um die Symptome herum zu organisieren.

Wie geht dein privates Umfeld, also Familie, Freunde, Partner, mit deiner Krankheit um?
Hast du Kinder? Wie gehen sie damit um? Wie bekommst du/mit deinem Partner Kinder und Beruf unter einen Hut?
Ich spüre, dass sich Menschen zurück ziehen. Sobald Du nicht mehr gesellschaftsfähig funktionierst, bist du in unserer heutigen, schnelllebigen Zeit nur noch ein Hindernis. Heute wird dir vorsuggeriert: Sei gefälligst gesund, leistungs- und anpassungsfähig, dann bist du dabei. Ansonsten bist du im wahrsten Sinne des Wortes ein Handicap. Mein Freundeskreis ist geschrumpft, jene, die blieben, kann ich an einer Hand abzählen. Das ist mir lieber, als viele Mitläufer, welche dann beim ersten Problem das Weite suchen. Meine Familie weiss, dass ich an MS erkrankt bin, aber unterstützt werde ich nicht. Unterstützung erfahre ich lediglich von den engsten Freunden und meinem Partner sowie meinen Kindern. Die Kinder teilen mir mit, dass ich trotz Fatigué und anderer Symptome ihre Mutter bleibe und bin. Die MS gehört einfach dazu.

Wie ist die Situation an deiner Arbeitsstelle?
Die war nicht lustig… als ich früher als Arztsekretärin tätig war und einen Schub hatte, welcher das Tastaturschreiben komplett verunmöglichte, meinte mein damaliger Vorgesetzter, ich könne ja mit den Füssen versuchen zu schreiben. Wenn ich jetzt noch sage, dass dies ein Arzt war, welcher meine Krankheit kannte, kann das kaum jemand verstehen.

Wie entspannst du dich? Welchen Rat hast du für andere MS-Betroffene?
Entspannen tue ich mich und meine spastischen Beine in der Massage oder der Physio. Zu Hause höre ich oft entspannende Musik oder versuche ein paar Yogaübungen im Liegen. Dazu gehören auch Atemübungen.

Was macht dir in Bezug auf MS Angst?
Die ständig zunehmende Müdigkeit und die Angst, die Autonomie zu verlieren.

Was gibt dir in Bezug auf MS Hoffnung?
Hm... ich hoffe, dass sich der Zustand nicht noch rasanter verschlechtert.

Wenn du 3 Wünsche frei hättest: Welche wären das?
Die MS aus meinem Rucksack packen.., und dann all das noch tun, was ich damals vor der Diagnose geplant hatte: Lernen zu fliegen… und dann die Ursache für die MS entdecken, damit sie endlich heilbar wird.

Hattest du im Zusammenhang mit MS lustige und/oder traurige Erlebnisse?
Traurige Erlebnisse sind die, wenn man merkt, wie oft MS noch mit Muskelschwund verwechselt wird. Traurig sind auch die Seitenblicke, wenn das Gleichgewicht strauchelt und Passanten denken, man sei alkoholisiert. Auch die zunehmend fehlende Konzentration, um Gesprächen mit mehreren Menschen zu folgen, ist unschön… lustige Erlebnisse kenne ich bis jetzt keine.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft?
Ohne die MS-Gesellschaft wäre ich wohl im Seil hängend. Die MS-Gesellschaft ist ein enormer Felsen im Meer der stürmischen Symptome und Fragen. Ich finde jederzeit Hilfe und Unterstützung, egal mit welchem Anliegen. Auch das MS-Register ist eine grossartige Idee. Danke dafür!


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