Gesichter der MS: Dominique Gasser

Gesichter der MS

Diese Serie ist anders. Nicht Dritte oder Unbeteiligte reden über MS und Menschen mit MS. Sondern MS-Betroffene selbst sprechen über ihr Leben mit einer unheilbaren Krankheit, ihre Hoffnungen, ihre Ängste. Wie die Krankheit sie fordert, aber auch, wie die MS sie vielleicht stärker gemacht hat. Wie eng gute und schlechte Erfahrungen beieinander liegen.

Wer bist du? Wie alt bist du? 
Ich bin Dominique, 29 Jahre alt, Berufsbildnerin im KV und ich lebe mit meinen drei Katzen in Basel.

Was bedeutet MS für dich?
Für mich bedeutet es, dass man flexibel sein muss und sich nicht zu stark auf etwas freuen sollte, weil es oft schlussendlich doch nicht stattfinden kann, weil die Krankheit dazwischenfunkt. Ob ich will oder nicht, es ist ein nicht unwesentlicher Teil von mir.

Wie lange bestanden bei dir schon die Symptome vor der Diagnose?
Etwa 7 bis 8 Monate vor meinem ersten Schub hatte ich bereits mit ziemlicher Müdigkeit zu kämpfen, schob das allerdings auf die Mehrfachbelastung der Lehre mit Arbeit, Schule, lernen, etc.

Wie und in welchem Alter wurde dir die Diagnose MS vermittelt?
Meinen ersten Schub hatte ich ein paar Monate vor meinem 21. Geburtstag – nach vielen Untersuchungen sagten mir die Ärzte, dass sie eine MS vermuten, dies aber erst bei einem allfälligen zweiten Schub bestätigt werden könne. Da ich bereits Medikamente nehmen musste, sah ich dies quasi als meine Diagnose an. Den zweiten Schub hatte ich ein paar Monate später, ging zuerst aber nur zu meinem Hausarzt, der nicht wirklich auf mich gehört hat und meinte, ich sei nur verspannt, was dann ausstrahlt (ich hatte ein Taubheitsgefühl auf der Kopfhaut, wie eine zu enge Badekappe).

Wieder zwei Monate später hatte ich eine Sehnerventzündung und ging direkt zum Neurologen. Da dies dann ja eigentlich der dritte Schub war, erhielt ich nie offiziell die Diagnose oder hatte ein Diagnosegespräch. Irgendwann hiess es einfach, dass ich ja MS habe – dies hatte ich mir auch selbst zusammengereimt…

Was war dein erster Gedanke nach der Diagnose MS?
Ich nehme hier nur den Zeitpunkt, als man mir im Februar 2012 gesagt hat, dass man MS verdächtigt. Im ersten Moment war ich hauptsächlich erleichtert, da sie vorher viele Erkrankungen genannt hatten, die sie durch die Tests ausgeschlossen haben (Tumor, HIV, Borreliose, etc.).

Welche Symptome machen dir am meisten zu schaffen? Wo behindern dich die Symptome im Alltag, wie beeinflusst die MS deine Lebensqualität?
Seit einem heftigen Schub mit halbseitiger Lähmung vor fünf Jahren habe ich Mühe mit gehen und mit meiner linken Hand. Zudem wechselt es sich bei mir ab mit schnell müde sein (aber nicht wirklich Fatigue) und Schlaflosigkeit.

Die meisten Probleme macht mir aber definitiv die Hitze – alles über 25°C ist eigentlich zu viel, bei längerer Zeit sind auch schon über 20°C anstrengend, sowie allgemein die direkte Sonne. Aufgrund der MS arbeite ich seit rund 4 Jahren ausserdem «nur» 80%, habe im Hinterkopf aber immer noch den Wunsch/Ansporn, wieder Vollzeit arbeiten zu können.

 

Wie geht dein privates Umfeld, also Familie, Freunde, Partner, mit deiner Krankheit um? Hast du Kinder? Wie gehen sie damit um? Wie bekommst du/mit deinem Partner Kinder und Beruf unter einen Hut? 
Meine Familie unterstützt mich sehr gut, wie auch meine Freunde. Kinder habe ich keine und plane ich auch nicht zu haben. Somit kann ich mich neben der MS voll auf meinen Job und meine drei Katzen konzentrieren.

Wie ist die Situation an deiner Arbeitsstelle?
Vom Betrieb werde ich unglaublich gut unterstützt. Bereits während meiner Lehre, welche ich auch in diesem Unternehmen gemacht habe, hatte ich einige Schübe und war deshalb auch oft abwesend. Dort wurde ich wunderbar unterstützt und gefördert. Nach meiner Lehre wurde ich direkt angestellt, verliess nach einem knappen Jahr die Firma jedoch, da mir die Arbeit zu viel wurde und ich mir eine interne Umplatzierung in eine andere Abteilung nicht vorstellen konnte.

In der nächsten Firma wurde mir während der Probezeit gekündigt, als ich den heftigen Schub hatte. Doch als ich in der Reha wieder gehen und mich richtig bewegen konnte, bat ich in meiner Lehrfirma darum, die Wiedereingliederung durch die IV dort machen zu dürfen. Dies wurde mir umgehend bestätigt und seither wurde ich weiterhin bestens gefördert, während gleichzeitig auch wohl besser auf mich geschaut wird, als ich dies selbst tue. Mit meinem Job und Arbeitgeber habe ich definitiv den Jackpot gewonnen! ????

 

Wie entspannst du dich? Welchen Rat hast du für andere MS-Betroffene?
Ich lese sehr viel und kuschle mit meinen Katzen. Ausserdem schaue ich gerne Serien und male oder mache Sudokus. Wenn es mir mental nicht gut geht, schreibe ich auch gerne, sowohl Tagebuch als auch Kurzgeschichten.

Mein Rat für andere Betroffene ist, sich immer bewusst zu machen, wofür man dankbar ist und nicht nur das Negative zu sehen und sich selbst zu bemitleiden.

Was macht dir in Bezug auf MS Angst?
Am meisten Angst machen mir alle kognitiven Ausfälle, die vorkommen können, sowie auch epileptische Anfälle, da ich nicht auf die Mithilfe von allfällig anwesenden Fremden vertraue.

Was gibt dir in Bezug auf MS Hoffnung?
Die starke Forschung, aber auch die Akzeptanz, die ich fühle, wenn ich jemandem von meiner MS erzähle (ich gehe allgemein sehr offen damit um).

Wenn du 3 Wünsche frei hättest: Welche wären das?
Dass MS geheilt werden kann, ist wohl der logischste Wunsch. Ansonsten wünsche ich mir, meine Reisepläne umsetzen zu können, um noch mehr schöne Orte zu sehen und vor allem, dass meine Familie und Freunde gesund bleiben! 

 Hattest du im Zusammenhang mit MS lustige und/oder traurige Erlebnisse?
Da mein engstes Umfeld einen sehr dunklen Humor hat oder sich zumindest an meinen gewöhnt hat, ergeben sich immer wieder lustige Erlebnisse im Zusammenhang mit der MS.

Auf traurige Erlebnisse fokussiere ich nicht gerne, aber ich denke, am traurigsten machte mich, als ich während der Tysabri-Infusion plötzlich auch Jugendliche im Sekundarschulalter neben mir hatte, welche selbst auch Tysabri erhalten haben.

Welchen Satz über MS kannst du nicht mehr hören?
«Ich kenne auch jemanden mit MS, der/dem geht es aber sehr gut, also tu nicht so.»

«Meine Bekannte hatte auch einmal MS, wurde aber geheilt.» - (Nein, einfach nur nein, das ist noch nicht möglich!)

Wenn deine MS ein Tier wäre, welches und warum?
Selbst ist die MS wohl eine Katze – launisch, zickt manchmal, ist anhänglich, wenn ich gerade keine Zeit habe und braucht viel Aufmerksamkeit.

Negativer eher ein Insekt, das einfach nur lästig ist und mich stört/nervt.

Sie verwandelt mich aber eher in ein Faultier, das nicht viel Energie aufwenden möchte…

An was hängt dein Herz?
An meinen drei Katzen Ruby, Lia und Dobby.

Ein Satz für deine Liebsten?
Danke für eure Unterstützung!

 

Ein Satz für deine «Feinde»?
Lasst mich in Ruhe.

Dein Lebens-Motto?
Sei dankbar für was du hast. Pay it forward. Be kind!

 

Dein Lieblingsbuch? Lieblingsfilm? Lieblingsessen? Gegen den MS-Blues?
Ich mag sehr viele Bücher. Immer aktuell für mich ist Harry Potter (Bücher und Filme).

Inspiriert haben mich aber zum Beispiel auch «Born A Crime» von Trevor Noah oder «Hope in a Ballet Shoe» von Michaela DePrince sowie «The Tattoist of Auschwitz» und «Cilka’s Journey» von Heather Morris. Solche Bücher zeigen mir, dass ich auch mit MS ein sehr gutes Leben habe und es anderen Menschen wesentlich schlechter geht als mir an meinen schlechtesten Tagen.

Mein Lieblingsessen ist Pizza oder Lasagne.

Gegen den Blues (aus welchem Grund auch immer der kommt) knuddle ich meine Katzen oder höre Musik oder Podcasts (zum Beispiel «Herrengedeck» oder «Simplypodlogical»).

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft?
Ich habe bereits einige Veranstaltungen besucht (zum Beispiel U30, Schreibseminar mit Milena Moser) und nutze die Webseite und den Facebook-Auftritt für Informationen, vor allem jetzt mit COVID-19.


Immer gesucht: Neue Gesichter der MS

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Liebe Grüsse, deine Redaktion

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