Gesichter der MS: Christian Winkel

Gesichter der MS

Diese Serie ist anders. Nicht Dritte oder Unbeteiligte reden über MS und Menschen mit MS. Sondern MS-Betroffene selbst sprechen über ihr Leben mit einer unheilbaren Krankheit, ihre Hoffnungen, ihre Ängste. Wie die Krankheit sie fordert, aber auch, wie die MS sie vielleicht stärker gemacht hat. Wie eng gute und schlechte Erfahrungen beieinander liegen.

Wer bist du? Wie alt bist du?
Mein Name ist Christian Winkel, ich bin 56 Jahre alt.

Wie lange bestanden bei dir schon die Symptome vor der Diagnose?
Die ersten Symptome (Lähmungserscheinungen) hatte ich wohl schon vor 30 Jahren, damals wusste ich vermutlich nicht einmal, dass es MS gibt und was es ist.

Wie und in welchem Alter wurde dir die Diagnose MS vermittelt?
Nach einer Augenmuskellähmung und einer entsprechenden Untersuchung vor 16 Jahren verkündete mir mein damaliger Neurologe, dass ich MS hätte und in zehn Jahren wohl im Rollstuhl sitzen werde. Für mich brach eine Welt zusammen. Meine damals hochschwangere Exfrau hat mir dringend geraten, eine Zweitmeinung einzuholen. Die Diagnose dieses Arztes war eine grosse Erleichterung, er sagte mir, dass in meinem Fall der Verlauf noch sehr ungewiss sei und damit hatte er Recht behalten. Dass die Beurteilung zweier Fachleute so unterschiedlich sein kann, hat mich erschüttert.

Welche Symptome machen dir am meisten zu schaffen? Wo behindern dich die Symptome im Alltag, wie beeinflusst die MS deine Lebensqualität?
Heute macht mir der Muskelschwund am linken Bein am meisten zu schaffen, in diesen Sportferien war es recht schmerzlich für mich, meinen Söhnen beim Snowboarden zuzuschauen und nicht mit ihnen den Berg runtersausen zu können. Ausgiebige Wanderungen sind nicht mehr möglich und ich kann auch nicht mehr dem Bus nachlaufen. Bei längeren «Gängen» oder Ausflügen habe ich meinen Gehstock dabei, in den Bergen sowieso.

Wie geht dein privates Umfeld, also Familie, Freunde, Partner, mit deiner Krankheit um?
Generell ist meine Erfahrung, dass die Menschen in meinem Umfeld sehr darauf reagieren, wie ich selbst mit der Krankheit umgehe: Bin ich entspannt, sind sie es auch. Grundsätzlich habe ich eine positive, zuzeiten leicht fatalistische Lebensstellung, die mich noch immer Dinge unternehmen lässt, welche in meinem körperlichen Zustand zuweilen ein Risiko darstellen. Die Krankheit ist wohl ein Teil meines Lebens, sie bestimmt es aber nicht. Eine neue Liebesbeziehung/Partnerschaft einzugehen, brauchte jedoch schon viel Mut und Vertrauen. Für meine Partnerin war und ist es schwierig einzuordnen, was die Krankheit bedeutet und wie sie mich verändert.

Hast du Kinder? Wie gehen sie damit um? Wie bekommst du/mit deinem Partner Kinder und Beruf unter einen Hut?
Meine 13- und 15-jährigen Söhne sind mit meiner Krankheit aufgewachsen, selbstverständlich nehmen sie mir gewisse Aufgaben/Arbeiten ab, wie zum Beispiel schwere Lasten tragen. Ich glaube, dass sie die Krankheit auch nicht als bedrohlich empfinden.

Wie ist die Situation an deiner Arbeitsstelle?
Bis vor drei Jahren habe ich als Grabungstechniker archäologische Ausgrabungen geleitet, war dann aber immer unstabiler unterwegs. Zufälligerweise brauchte es genau in dieser Zeit im Betrieb eine Person, welche sich um verschiedene administrative Aufgaben kümmert und die Liegenschaften (dazu gehören auch die Burgruinen) betreut. Ich bin sehr froh, dass ich weiterhin in meinem angestammten Berufsumfeld arbeiten kann.

Was macht dir in Bezug auf MS Angst?
Wie vermutlich die meisten Betroffenen habe ich manchmal Angst vor einer plötzlichen Verschlechterung. Ich muss aber auch sagen, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob sich die ersten Behinderungen mit 50 einstellen, oder ob jemandem schon mit 25 private und berufliche Wünsche verunmöglicht oder erschwert werden.

Was gibt dir in Bezug auf MS Hoffnung?
Da ja leider in Europa und weltweit sehr viele Menschen von MS betroffen sind, sind wir ein interessantes Kundensegment für die Pharma- Industrie. Es wird intensiv an neuen Medikamenten geforscht, von welchen ich selber wohl nicht mehr profitieren werde, aber ich hoffe sehr, dass den jüngeren Betroffenen damit geholfen werden kann. 

Wenn du 3 Wünsche frei hättest: Welche wären das?
Abgesehen davon, dass ich mir etwas mehr finanzielle Sicherheit wünschte, bin ich im Moment eigentlich wunschlos glücklich. Die Krankheit hat mich ein Stück weit gelehrt, bewusster zu leben, Dinge nicht mehr aufzuschieben.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft?
Selbstverständlich bin ich sehr froh um das Engagement der MS- Gesellschaft und nutze angelegentlich Informations- oder Weiterbildungsangebote.

 


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