Gesichter der MS 2023: Monika Meier

Gesichter der MS

Mein Name ist Monika Meier, ich bin 55 Jahre alt, verheiratet mit Werner, habe 2 erwachsene Töchter und 2 Enkelkinder, die ich als Tagesmutter 3 Tage in der Woche hüte - und nebenbei habe ich mir im neuen Zuhause eine kleine Werkstatt eingerichtet, wo ich Blechblasinstrumente instand stelle, die wir dann nach Afrika bringen.

In welchem Alter bekamst du die Diagnose MS? Geschah das sensibel oder «optimierungsbedürftig»?
Meine Diagnose bekam ich am 2. November 2009, also mit 42 Jahren. Der Diagnose voraus gingen viele Untersuche, eine Halswirbelsäulen-OP und Jahre des abgestempelt werdens als «Simulant», «psychisch instabil» und der Diagnose von allerhand Zweifelhaftem. Und nachdem man einfach nicht wusste, was mit mir los ist, bekam ich die Diagnose Fibromyalgie…. Aber als man dann die Ursache MS nach vielen Tests doch erkannte, wurde mir das sehr schonend, aber offen und mit viel Empathie eröffnet. Zugleich wurde ich auch sehr umfassend informiert, die Möglichkeiten wurden mir aufgezeigt und ich wurde mit Informationsmaterial ausgerüstet. Dafür möchte ich meinem Neurologen von der Schulthess Klinik ein grosses Kränzchen winden.

Was war dein allererster Gedanke nach der Diagnose MS? Was hast du danach getan?
Erst mal war da eine riesige Erleichterung, dass das jahrelange Chaos einen Namen hat und man das zwar nicht heilen, aber in Schranken halten kann. Dann habe ich mich mit der medikamentösen Behandlung auseinandergesetzt, mein Umfeld wo nötig informiert und mir Gedanken über mein weiteres Leben gemacht. Ich hatte auch ein Gespräch mit meinem Arbeitgeber, in welchem er mir jegliche Unterstützung zusicherte, solange ich diesen Job ausüben möchte/kann. Grundsätzlich brach für mich keine Welt zusammen, es eröffnete mir eher eine neue.

Vom Zeitpunkt der Diagnose bis heute: Wie hat sich deine Einstellung zur MS verändert? 
Für mich war von Anfang an klar, dass ich mich nicht davon bestimmen lassen will, die MS kann mit mir gehen, aber keinesfalls lasse ich sie den Lead übernehmen.

Welche Symptome machen dir heute am meisten zu schaffen? Wie beeinflusst die MS deine Lebensqualität?
Am ehesten ans Limit bringen mich die Fatigue und die neuropathischen Schmerzen. Gefühlsstörungen in Händen, Füssen, Beinen und Gesicht und die sehr eingeschränkte Funktion des Fokussierens der Augen sind lästig und einschränkend, rauben mir aber nicht den Schlaf.

Stichwort Therapien: Welche machst du, und wie kommst du damit zurecht?
Angefangen habe ich mit Avonex, welches ich 1 mal wöchentlich selber spritzen musste, nach 2 Jahren wechselte ich auf Tysabri, welches mir alle 4 Wochen in der Klinik intravenös verabreicht wird. Mit dieser Therapie habe ich keinerlei Probleme.

Gab es Entscheidungen, die du dich vor der Diagnose nie getraut hättest?
Ja! Ich habe durch die MS gelernt, mich selber ernst zu nehmen und heute zu handeln und nicht auf «irgendwann später» zu verschieben.

Gab es Menschen, die sich nach der Diagnose von dir abgewendet haben? Was würdest du ihnen heute gerne sagen?
Ich denke, Menschen haben sich nicht wegen der Diagnose abgewendet, eher, weil ich meinen Fokus verändert habe.

Gibt es Menschen, die dich besonders unterstützen? Von denen du das vielleicht gar nie erwartet hättest?
Meine Familie unterstützt mich stark und auch in meinem Umfeld habe ich Menschen, die sich kümmern. Wichtiger als Unterstützung ist mir jedoch Verständnis, Verständnis, wenn ich einfach Ruhe brauche, um Müdigkeit und Schmerzen in den Griff zu bekommen.

Wenn du in den Spiegel schaust: Was siehst du? 
Eine älter werdende Frau mit Lach- und Sorgenfalten. 

Gab es schon Situationen, in denen du dich für deine Krankheit rechtfertigen musstest?
Rechtfertigen vielleicht nicht, aber richtigstellen, MS kennen fast alle aber was sie wirklich ist oder eben nicht, das ist in der Gesellschaft noch nicht so angekommen.

Was ist dein grösster Verlust durch die MS?
Meinen geliebten Job als Blasinstrumenten-Reparateurin! Mit den fortschreitenden Gefühlsstörungen in den Händen konnte ich nicht mehr mit gutem Gewissen reparieren, zu gross war die Angst, ein Kundeninstrument zu beschädigen.

Hat dir die MS im Gegenzug etwas gegeben, was du vorher nicht hattest oder kanntest?
Auf jeden Fall! Mein Glaube an Gott wurde stärker, ich sehe es als Geschenk Gottes, dass es mir trotz allem eigentlich gut geht und möchte meinen Dank weitergeben in meinem Hobby.

Gibt es eine Erwartungshaltung an MS-Betroffene, immer positiv und optimistisch zu sein? Wie gehst du damit um? 
Klar hört man den Spruch «es geht immer irgendwie vorwärts», aber oft ist das auf eine gewisse Unbeholfenheit zurückzuführen, man weiss nicht so genau, wie man jemandem mit so einer Diagnose begegnen soll, Humor und Lockerheit helfen, solche Situationen zu meistern.

Hat die MS Konsequenzen für deine Partnerschaft/Beziehungen, emotional und körperlich?
Emotional nicht, sie hat uns eher zusammengeschweisst, körperlich ja. 

Die MS und deine Arbeit: Geht das gut? Oder gibt es Probleme? 
Als Tagesmutter zweier Kinder (3,5 und 4,5 Jahre) ist es manchmal schwierig, mit der Fatigue umzugehen, da muss man öfters in die Trickkiste greifen…

Gibt es so etwas wie eine goldene Regel fürs «MS-Outing»? Wie gehst du damit um?
Man sollte sich überlegen, wem man davon erzählt, sich aber das Leben selber nicht schwer machen mit Geheimniskrämerei. Wenn man seine 2 Buchstaben akzeptiert hat, fällt einem das sicher leichter.

Spielen Ernährung und komplementäre Verfahren eine Rolle in deinem Leben mit MS?
Ich achte schon darauf, dass ich mich ausgewogen ernähre und nicht unbedingt in die Chemie-Kiste greife - aber ich bin sicher kein Gesundheits-Guru.

Welches sind die «Top 3» der Sätze, die du über MS nicht mehr hören kannst?
«Ich hatte eine Tante, die daran gestorben ist». «Das ist die mit dem Muskelschwund oder?» «Schön, dass Du trotz Deiner Krankheit so aktiv bist».

In der direkten Konfrontation mit Vorurteilen oder Irrtümern, wie reagierst du?
Das kommt auf das Gegenüber an, manchmal lohnt es sich nicht sich darüber Gedanken zu machen,  ansonsten kläre ich auch mal gewisse Punkte.

Hattest du im Zusammenhang mit MS lustige oder traurige Erlebnisse?
Traurig oder demotivierend ist sicher, dass man als nicht vollwertiges Glied in der Arbeitswelt gilt, mit Teil-IV (die bei weitem nicht zum Leben reicht!) ist es ziemlich aussichtslos, einen guten Job im ersten Arbeitsmarkt zu erhalten. 

Wie entspannst du dich? Welchen Rat hast du für andere MS-Betroffene?
Ich entspanne mich bei meinen Hobbies und auf Reisen. Mein Rat an andere MS-ler: Lasst Euch nicht von den 2 Buchstaben bestimmen, freut Euch an dem, was geht und verbittert nicht an dem, was nicht mehr geht! Mit Wille ist vieles erreichbar.

Hast du ein Hobby? Etwas, was dich total begeistert?
Ich bin begeisterte Musikantin, bin in mehreren Vereinen/Bands verantwortlich für die tiefen Töne (Tuba, Bassposaune….), leite eine Bläserklasse für Erwachsene und seit ein paar Jahren reise ich jährlich ins südliche Afrika um Instrumente zu reparieren, Musiklager mit zu organisieren und andere Projekte unseres Hilfswerks «SwiZimAid» zu besuchen und unterstützen. Ich kann so etwas zurück geben von dem, was Gott mir täglich schenkt. 

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft?
Ich lese Fachartikel und die Portraits im Forte, schätze die Hilfe, die ich bei der Diagnose bekam. Die Selbsthilfegruppen und Anlässe schrecken mich aber eher ab, da konkurriert man sich gegenseitig mit den Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten etc., das liegt mir nicht.


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Liebe Grüsse, deine Redaktion

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