Gesichter der MS 2023: Daniela Rufener

Gesichter der MS

Ich bin Daniela Rufener. 35 Jahre alt. Ich wohne mit meinem Mann und unseren 3 Kindern (6, 5 und 2 Jahre) in Zweisimmen. Ich arbeite als Hausfrau, als Aushilfe in einem Alp Beizli, im Winter als Aushilfe im Café einer Skischule und im Sommer einmal die Woche an einem Früchte- und Gemüsestand auf dem Markt.

In welchem Alter bekamst du die Diagnose MS? Geschah das sensibel oder «optimierungsbedürftig»?
Die MS Diagnose bekam ich im Januar 2021. Für mich hat die Art und Weise sehr gut gepasst. Es wurde nicht gross um den heissen Brei herumgeredet und die definitive Diagnose bekam ich am Telefon (auf eigenen Wunsch). Ich wollte den schönen Winter-Samstag lieber mit der Familie im Schnee verbringen, als nach Thun zu fahren, um etwas bestätigen zu lassen, was eh schon fast sicher war.

Was war dein allererster Gedanke nach der Diagnose MS? Was hast du danach getan?
Den allerersten Gedanken weiss ich nicht mehr. Aber ich habe mir sehr bald überlegt, ob MS vererbbar ist? Da konnte mich mein Neurologe zum Glück beruhigen. Da die Jüngste zu diesem Zeitpunkt erst 6 ½ Monate alt war, waren wir noch viel am Stillen. Um wieder etwas zu Kräften zu kommen und die Kortisontherapie starten zu können, habe ich dann in sehr kurzer Zeit abgestillt.

Vom Zeitpunkt der Diagnose bis heute: Wie hat sich deine Einstellung zur MS verändert?
Nicht gross. Ich denke nach wie vor, dass MS, wie ich im Moment betroffen bin, nicht das Schlimmste ist, was es gibt.

Welche Symptome machen dir heute am meisten zu schaffen? Wie beeinflusst die MS deine Lebensqualität?
Meine kribbligen Hände und Füsse wie auch die schlechtere Rumpfstabilität sind immer wieder ein Grund, einen Gang runterzuschalten. Die Lebensqualität wird zum jetzigen Zeitpunkt nur in kleinen Bereichen beeinflusst. Zum Beispiel Skifahren lernen mit den Kindern habe ich mir immer anders vorgestellt, als ehemalige Skilehrerin. Jetzt ist es mir nicht möglich, ihnen dies selber beizubringen Jedoch versuche ich mein Leben so zu gestalten, dass es keine Qualitätseinbussen gibt.

Stichwort Therapien: Welche machst du, und wie kommst du damit zurecht?
Nebst der Basistherapie mit Tysabri alle 6 Wochen gehe ich alle 2 Wochen in die Hippotherapie. Seit ich Tysabri subkutan und nicht mehr als Infusion bekomme, habe ich praktisch keine Nebenwirkungen mehr. Ich denke auch, die Hippotherapie ist ein Puzzleteil, das es möglich gemacht hat, dass ich Anfang 2023 von einem 4-Wochen auf einen 6-Wochen-Rhythmus wechseln konnte.

Gab es Entscheidungen, die du dich vor der Diagnose nie getraut hättest?
So oft «Nein» zu sagen. Angebotene Hilfe dankend anzunehmen.

Gab es Menschen, die sich nach der Diagnose von dir abgewendet haben? Was würdest du ihnen heute gerne sagen?
Ich habe nicht das Gefühl, dass sich Leute wegen der Diagnose bewusst von mir abgewandt haben. Und wenn doch: «Sorry, ich hab’s nicht gemerkt.»

Gibt es Menschen, die dich besonders unterstützen? Von denen du das vielleicht gar nie erwartet hättest?
Es gibt nebst unseren Familien einige liebe Menschen, die uns immer wieder eine grosse Hilfe sind. Uns wird auch immer wieder Hilfe angeboten von den Eltern der Kindergarten- und Schulkameraden unserer Kinder.

Wenn du in den Spiegel schaust: Was siehst du?
Dann sehe ich eine zufriedene Frau, die motiviert ist, möglichst aktiv und fit zu bleiben, um noch möglichst lange mit den Kindern mithalten zu können.

Gab es schon Situationen, in denen du dich für deine Krankheit rechtfertigen musstest?
Ich kommuniziere die Krankheit sehr offen. Und rechtfertigen muss man sich meiner Ansicht nach nicht dafür.

Was ist dein grösster Verlust durch die MS?
All die sportlichen Aktivitäten, die ich immer betrieben habe wie Bergsteigen, Klettern, Skitouren, Skifahren, Snowboarden, Telemark usw. Ich taste mich jedoch langsam wieder ran.

Hat dir die MS im Gegenzug etwas gegeben, was du vorher nicht hattest oder kanntest?
Die Stärke, mich auf das zu konzentrieren, was mir wichtig ist. Auch mal «Nein» zu sagen. Und wenn mir Hilfe angeboten wird, diese auch dankend annehmen oder ablehnen, ohne mich erklären zu wollen.

Gibt es eine Erwartungshaltung an MS-Betroffene, immer positiv und optimistisch zu sein? Wie gehst du damit um? 
Ich denke diese Erwartungshaltung gibt es nicht. Ich selber bin bei mir überzeugt, dass eine positive / optimistische Haltung mich weiterbringt und auch einen Teil zur momentanen guten Situation beiträgt.

Hat die MS Konsequenzen für deine Partnerschaft/Beziehungen, emotional und körperlich?
Ich finde, dass ich emotionaler geworden bin. Mein Mann ist für mich extrem wichtig. Er trägt diese Krankheit mit und ist für mich emotional eine sehr grosse Stütze. Körperlich hat es bis jetzt in der Partnerschaft keinen Einfluss.

Die MS und deine Arbeit: Geht das gut? Oder gibt es Probleme?
Gibt es Hausfrauen die nie Probleme haben? Zu Hause wird das gemacht, was heute gut geht. Da es vielleicht morgen nicht so gut gehen würde. Aber das muss ja nicht ausschliesslich an der MS liegen. Da reicht es auch, wenn mal ein Kind krank ist. Bei der Arbeit habe ich von Anfang an gesagt was geht und was nicht. Da jedoch seit der Diagnose alles besser geworden ist, ist auch da wieder mehr möglich.

Gibt es so etwas wie eine goldene Regel fürs «MS-Outing»? Wie gehst du damit um?
Nein. Das muss jeder Betroffene so machen wie es für ihn/sie stimmt. Ich habe von Anfang an mit allen offen darüber gesprochen. Da mein Gangbild sehr schlecht war zu diesem Zeitpunkt, wurde ich auch viel angesprochen.

Spielen Ernährung und komplementäre Verfahren eine Rolle in deinem Leben mit MS?
Ich habe mich auch vorher ausgewogen ernährt. Potential mit der Ernährung etwas zu optimieren, gibt es ja eigentlich immer. Da ich jedoch auch gerne mein Leben geniessen will, schränke ich mich da nicht wirklich ein, solange es mir gut geht. Bei körperlichen Beschwerden gehe ich zur Osteopathin.

Was ist für dich tabu bei deiner MS? Gibt es Dinge, über die du nicht einmal mit deinen engsten Vertrauten sprechen möchtest?
Für mich gibt es keine Tabus bei der MS. Ich bin auch sonst ein ziemlich offenes Buch.

Welches sind die «Top 3» der Sätze, die du über MS nicht mehr hören kannst?
«Oh je, das ist ja schlimm.» «Ich kenne …xy… welcher auch MS hat.» «Man sieht dir ja gar nichts an.»

In der direkten Konfrontation mit Vorurteilen oder Irrtümern, wie reagierst du?
Wenn ich Lust habe und denke es bringt etwas, versuche ich aufzuklären. Und sonst: leben und leben lassen.

Hattest du im Zusammenhang mit MS lustige oder traurige Erlebnisse?
Als ich noch alle 4 Wochen im Ambulatorium in Thun zur Infusion war, gab es immer wieder lustige und schöne Begegnungen mit anderen Patienten. Das Abstillen war für mich das traurigste Erlebnis. Weil es für die Kleine sehr schwer war, in so kurzer Zeit diesen Schritt zu machen. Sie so zu sehen und als Mutter nicht helfen zu können, war auch für mich sehr emotional.

Wie entspannst du dich? Welchen Rat hast du für andere MS-Betroffene?
Bei einem guten Buch. In der Natur. Bewusst Sachen machen, die mir guttun.

Hast du ein Hobby? Etwas, was dich total begeistert?
Ich habe viele Hobbys… Schlitteln, Lesen, Samariterverein, Backen/Kochen. Mit den richtigen Argumenten bin ich schnell für etwas zu begeistern. 

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft?
Bis jetzt noch keine, ausser das ich in den Sozialen Medien folge und dem Aufruf «Gesichter der MS» gefolgt bin.


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