Gesichter der MS 2022: Jasmin Margreth

Gesichter der MS

Mein Name ist Jasmin Margreth, ich lebe mit meinem Mann Diego und unseren französischen Bulldoggen Napoleon und Sunny im wunderschönen Bündnerland. In Chur, der Bündner Hauptstadt, machen wir die Gegend zu viert unsicher.

Mit meinen 36 Jahren habe ich schon so einige Schicksalsschläge hinnehmen müssen.  Nierenversagen, Depressionen, die Erkrankung lieber Menschen an Schizophrenie. Ich dachte, dies wäre jetzt genug, das Leben wäre doch ein ziemliches A......, wenn es mir noch mehr Ballast auferlegen würde und dann Zack-Boom-Bäng, hier die Krankheit MS für dich.

Die Diagnose MS hat mein Leben komplett geändert. Beziehung ging in die Brüche, sogenannte «Freunde» haben sich von mir abgewendet, alles in meinem Leben war nicht mehr so, wie es einst war. Daran hatte ich ziemlich zu knabbern und hinzu kam noch, dass ich mich jetzt mit der Thematik MS anfreunden musste. Beruflich hats mir die MS auch nicht leicht gemacht, als gelernte, passionierte und leidenschaftliche Köchin und Diätköchin, muss ich mir doch manchmal eingestehen, dass dieser Stress mir nicht immer guttut. Ich liebe meinen Beruf und hoffe, ich werde ihn noch lange ausüben können. Momentan bin ich in einem 80 Prozent-Pensum angestellt im Kantonsspital in Chur. 

Seit mittlerweile 5 Jahren lebe ich mit meiner MS, wir haben gute Tage und natürlich gibt es auch die schlechten. Symptome wie Schwindel, Taubheitsgefühle, Depressionen und Fatigue begleiten mich an den schlechten Tagen. Ich denke, es wird einen Grund geben, wieso gerade ich diese Erkrankung bekommen habe, durch die MS sehe ich viele Dinge ganz anders, Kleinigkeiten sind auf einmal etwas ganz Grosses, man ist dankbar auch für die kleinen Dinge im Leben,  schöne Stunden geniessen mit meiner Familie und meinen «richtigen» Freunden, Oberflächlichkeiten sind mir mittlerweile ein Graus und das Wort «Nein» beherrsche ich jetzt auch sehr gut.

Die MS hat mich noch stärker gemacht und mir für die wirklich wichtigen Dinge die Augen geöffnet.  Im Grossen und Ganzen kann ich ein normales Leben führen, trotz der MS - und dafür bin ich unendlich dankbar. 

Wie würde dich deine beste Freundin/dein bester Freund in ein, zwei Sätzen beschreiben?
Jasmin ist eine sehr starke und lustige Frau, sie hat ein grosses Herz und immer ein offenes Ohr. Sie ist liebenswürdig verrückt, sie ist einzigartig.

Welche 3 Dinge kannst du richtig gut?
Boah, ich kann richtig gut tollpatschig sein, ich nenne es liebevoll den «Goofy-Effekt». Ich bin eine sehr gute Sängerin (unter der Dusche). Und ich bin eine richtig gute Zuhörerin und Problemlöserin.

Für welche 3 Dinge hast du null Talent?
Ich bin total unfähig, Verpackungen jeglicher Art zu öffnen. Zwiebeln und Knoblauch schälen, Tränenalarm. Und auf Schokolade zu verzichten, ich bin ein totaler «Schokoholic».

Du darfst für 24 Stunden in die Haut eines anderen Menschen schlüpfen. Wer wolltest du sein? Und warum?
Hmm, grundsätzlich möchte ich «ich» bleiben, aber wenn ich die Chance hätte, wäre ich gerne für 24 Stunden ein Mann, ich denke das wäre eine lustige Erfahrung.

Umgekehrt: Wer sollte mal einen Tag lang dein Leben mit MS führen? Warum?
Alle, die bei dieser Frage fürchten, sie könnten Teil der Antwort sein.

Wie und in welchem Alter wurde dir die Diagnose MS vermittelt?
Mit 30 Jahren bekam ich nach diversen Untersuchungen die Diagnose MS. Mitgeteilt durch einen Neurologen, der das Einfühlungsvermögen eines Elefanten hatte.

Wie hast du dich bei der Neudiagnose über MS informiert?
Ehrlich gesagt, wollte ich es am Anfang gar nicht wahrhaben und habe mich auch gar nicht mit dem Thema MS beschäftigt, ich habe es total verdrängt. Bis ich vor 3 Jahren schlimme Depressionen und Panikattacken bekommen habe, da wurde mir klar, ich muss mich mit meiner MS auseinandersetzen.

Nach einer erfolgreichen Therapie und Anti-Depressiva habe ich den Schritt gewagt mich bei der MS Regionalgruppe zu melden, genauer gesagt bei Martina Tomaschett (Präsidentin der Bündner MS-Regionalgruppe), sie war mir zu dieser Zeit eine grosse Stütze und hat mich dazu ermuntert, mich bei der Schweizerischen MS-Gesellschaft anzumelden. Im Internet habe ich eure Seite aufgestartet und mir wurde klar, ich bin nicht allein.

Was waren deine ersten MS-Symptome? Welche bestimmen deinen Alltag heute?
Taubheitsgefühl rechte Seite und Schwindel waren meine ersten MS-Symptome. Im Alltag kämpfe ich mit Fatigue und Schwindel. Ab und an kommen auch Taubheitsgefühle hinzu. Bei Stress werden diese verstärkt.

Wie stark hat die Diagnose MS deine Lebenspläne und -ziele verändert?
Sie hat einfach alles auf den Kopf gestellt. Dennoch verfolge ich weiterhin meine Lebenspläne so wie ich es will, solange es meine MS auch zulässt.

Was ist dein grösstes Learning vom Leben mit MS?
Das zu tun im Leben, was man wirklich will und seinem Körper Sorge zu tragen.

Wenn du gegenüber einer Person sitzen würdest, die gerade kürzlich die Diagnose MS erhalten hat: Was würdest du ihr sagen?
Eine schwierige Frage. Nun, ich würde ihr sagen: «Es ist egal, was ich dir jetzt sage, kein Wort kann beschreiben, wie du dich im Moment fühlst. Es wird nicht wieder gut, aber es wird leichter und du wirst lernen mit dieser Erkrankung umzugehen.»

Hast du Angst vor Benachteiligung ¬ im Beruf, in Beziehungen, in Freizeitvereinen – wenn du mit deiner Diagnose offen umgehst? Oder hast du sogar schon Benachteiligung erlebt?
Ja, da habe ich schon meine Ängste und in bestimmten Situationen fühle ich mich auch benachteiligt. Ich gehe mit dem Thema MS sehr offen um und habe damit bis jetzt nur gute Erfahrungen gemacht. Nach meiner Diagnose habe ich sofort meinen Arbeitgeber informiert. Familie und Freunde wissen natürlich auch Bescheid. 

An nicht so guten Tagen:  wer oder was gibt dir Mut und Hoffnung?
Mein Mann Diego und meine französische Bulldogge Napoleon. Sie lieben mich genauso wie ich bin. Diese beiden Chaoten machen mein Leben perfekt. Nicht zu vergessen meine Crazy-Family, die mich immer wieder aufbaut und mich zum Lachen bringt, auch wenn es mal nicht zum Lachen ist.

Nimmt unsere Gesellschaft deiner Erfahrung nach genügend Rücksicht auf Personen mit MS? Falls nein: Was würdest du dir von nicht Betroffenen wünschen?
Nein. Ich kann jetzt nur für mich und meine Situation sprechen, ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine «unsichtbare» Krankheit von gesunden Menschen einfach nicht akzeptiert wird. Ich würde mir von Nichtbetroffenen wünschen, dass sie ihre «gut gemeinten» Ratschläge für sich behalten sollen. Mitgefühl, Verständnis und Respekt, das wünsche ich mir als MS-Kranke.

Welche 3 deiner Eigenschaften sind für das Leben mit MS hilfreich?
Sarkasmus, Humor und meine grosse Klappe.

Welche 3 deiner Charakterzüge machen es eher schwierig?
Sturheit, Sturheit und Sturheit. ;)

Hast du manchmal schlaflose Nächte? Was raubt dir den Schlaf? 
Nein, ich schlafe wie ein Stein.

Gibt es Momente, in denen du die MS vergessen kannst?
Klar, mit meinen Liebsten, bei einem leckeren Essen und einem guten Tröpfchen Wein.

Beim Flirten oder beim Date: Ist man als MS-Betroffene/r zurückhaltender? Gibt es einen «guten» Moment, die MS-Erkrankung zu outen?
Den richtigen Moment gibt es nicht, um solch eine Bombe platzen zu lassen. Als mein Mann und ich uns kennenlernten, habe ich von Anfang an mit offenen Karten gespielt.

Was wolltest du schon immer mal machen? Was hat dich davon abgehalten?
Ich wollte schon immer mal ein Buch schreiben, aber mir fehlt eindeutig die Zeit, um dies zu verwirklichen.

Du darfst als Gastgeber/in eines Galadinners 3 beliebige Menschen einladen. Wer wäre das und warum? John Lennon, Johnny Cash und Marilyn Monroe. Diese 3 Menschen sind für mich, jeder auf seine Art, total faszinierende Persönlichkeiten. 

Du kannst mit einer Zeitmaschine an einen beliebigen Punkt in der Zukunft reisen: Welcher wäre das und warum?
Das wäre ganz klar an den Tag, an dem es ein «Heilmittel» für MS gibt. 

Und jetzt das Ganze anders herum: du kannst in die Vergangenheit reisen. Welches Ereignis/Jahr/Tag würdest du wählen? Und warum?
Ich würde mich gerne in die 70er Jahre beamen und mit meinen Hippie-Eltern am Woodstock Festival einen drauf machen. Ich liebe den Stil der 60er und 70er Jahre.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft? Gibt es Wünsche, die du an die Schweiz. MS-Gesellschaft hast?
Noch habe ich keine grossen Erfahrungen mit der Schweiz. MS-Gesellschaft gemacht. Doch es ist gut zu wissen, dass es sie gibt.


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