Forschende suchen nach Möglichkeiten, Therapie noch besser zu individualisieren

Fachartikel

Die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft unterstützt verschiedene Forschungsprojekte auf dem Gebiet der MS mit erheblichen Mitteln. Im Rahmen solcher Projekte wird nach Möglichkeiten gesucht, eine Therapie noch besser an die individuellen Krankheits-
charakteristiken anzupassen. Zudem werden auch immer wieder neue Strukturen entdeckt, die sich womöglich als Ansatzpunkt für neue Therapien eignen.

Neben der schubförmig verlaufenden Phase einer MS ist diese Erkrankung auch durch eine Phase charakterisiert, in der es zu einem stetigen Voranschreiten der Schäden an den Nervenzellen kommt. Die bisher verfügbaren Medikamente sind in diesem Stadium meist nur von sehr begrenztem Nutzen. Daher konzentrieren sich viele Forschende vermehrt darauf, hier neue Lösungen zu finden.

Zu ihnen gehört auch der Wissenschaftler Prof. Dr. Thorsten Buch der Universität Zürich. Frühere Untersuchungen hatten ergeben, dass das Signalübertragungsmolekül CARD-9 bei der Entstehung von Nervenzellschäden im Gehirn von Mäusen mit einer experimentell ausgelösten MS-ähnlichen Erkrankung, der experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE), eine Rolle zu spielen scheint. Sein Ziel ist es nun, noch genauer zu erforschen, über welche Mechanismen CARD-9 die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer EAE steuert. Je nach Resultat könnte sich CARD-9 womöglich als Ansatzpunkt für neue Therapien eignen. Zudem arbeitet Prof. Buch mit seinem Team daran zu bestätigen, dass sich die Erkenntnisse aus den Untersuchungen mit den an EAE erkrankten Mäusen auch auf Menschen mit MS übertragen lassen.

Video «Manipulation der CARD9-vermittelten Signalübertragung zur Behandlung von MS»

Dr. med. Johanna Oechtering vom Universitätsspital Basel sucht gemeinsam mit ihrer Forschungsgruppe nach sogenannten «Biomarkern», die auf einen schwereren MS-Krankheitsverlauf hinweisen. So könnte zum Beispiel eine Therapie frühzeitig entsprechend angepasst werden. Bisher konnte die Forschungsgruppe feststellen, dass es bei MS-Betroffenen mit Produktion einer bestimmten Antikörperklasse im Nervenwasser (Immunglobulin M, kurz IgM, bei ca. 25% der Betroffenen vorliegend) zu einer aktiveren Erkrankung und einem schwereren Verlauf kommt.

Es wird vermutet, dass IgM im Speziellen für die Aktivierung des Komplement-systems, einem Teil des angeborenen Immunsystems, verantwortlich sein könnte und dass über diesen Mechanismus eine vermehrte Zerstörung der Myelinschicht und der Nervenfasern bei MS vermittelt werden könnte. Somit könnte es bei MS-Betroffenen mit IgM im Nervenwasser über eine stärkere Aktivierung dieses Systems auch zu einer stärkeren Demyelinisierung und vermehrtem axonalem Schaden kommen.

Die Gruppe möchte nun untersuchen, welche Zusammenhänge zwischen IgM im Nervenwasser, der Aktivität des Komplementsystems und dem Vorkommen anderer Substanzen im Nervenwasser und im Blut (die durch Schäden am Nervenzellgerüst freigesetzt werden) bestehen. Mit ihrer Arbeit möchten die Forschenden dazu beitragen, dass MS-Betroffene in Zukunft noch individueller behandelt werden können. Sie hoffen zudem, auch Ansatzpunkte für die Entwicklung noch gezielterer neuer Therapien liefern zu können.

Video «Eine IgM-Antikörper-Produktion im Nervenwasser ist assoziiert mit einer Rückenmarks-Manifestation und neuroaxonalem Schaden bei früher MS»

Dr. Amandine Mathias, Universitätsspital Lausanne, beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit dem Wirkmechanismus von Ocrelizumab (Ocrevus®), einer in der Therapie der MS bereits eingesetzten Substanz. Dieses Medikament bindet an bestimmte Zellen des Immunsystems (B-Zellen) und bewirkt, dass diese aus dem Körper entfernt werden. Dadurch werden die Entzündungsprozesse und Angriffe auf die Myelinschicht verringert und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt.

Mithilfe der Untersuchung von Blutproben MS-Betroffener konnte Dr. Mathias nun zeigen, dass eine Behandlung mit Ocrelizumab nicht nur auf die B-Zellen wirkt, sondern dass es auch zu einer Reduktion bestimmter weiterer Zellen kommt, die bei MS vermutlich eine schädliche Wirkung aufweisen.