Epstein-Barr-Virus als Hauptursache für MS identifiziert

Fachartikel

Schon lange wurde vermutet, dass zwischen einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus und dem Auftreten einer Multiplen Sklerose ein Zusammenhang besteht. Am MS State of the Art Symposium 2023 berichtete Prof. Dr. Alberto Ascherio (Boston/USA) nun darüber, wie es ihm und seinem Team gelungen ist, das Virus als Hauptursache der MS zu identifizieren.

Prof. Dr. Alberto Ascherio (Harvard T.H. Chan School of Public Health, Boston, USA) ist ein international anerkannter Experte auf dem Gebiet der MS. Aktuell beschäftigt er sich insbesondere mit der Frage, welche Bedeutung dem Epstein-Barr-Virus (EBV) bei der Entstehung einer MS zukommt. Das EBV gehört zu den Herpesviren und ist weit verbreitet. Eine Ansteckung erfolgt in der Regel schon im Kindesalter und verläuft meist ohne Symptome. Bei Jugendlichen und Erwachsenen dagegen kann eine EBV-Infektion zum Pfeifferschen Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose) führen. Das Virus verbleibt nach einer Ansteckung ein Leben lang in bestimmten Zellen (B-Lymphozyten) des menschlichen Körpers.

Schon länger wird angenommen, dass das EBV bei MS eine Rolle spielt. Bereits 2001 durchgeführte Untersuchungen ergaben, dass Menschen, die in ihrer Jugend am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt waren, ein höheres Risiko aufwiesen, später an MS zu erkranken. «Bei anderen Infektionskrankheiten, etwa Masern, Mumps oder Röteln, zeigte sich kein solcher Zusammenhang», berichtet Prof. Ascherio.

Ausserdem kommt MS selten bei Personen vor, in deren Blut sich keine Antikörper gegen das EBV finden lassen. Dies führte zur Annahme, dass eine Ansteckung mit EBV während oder nach den Jugendjahren bei genetisch anfälligen Menschen eine MS verursachen könnte.

Analyse unzähliger Blutproben lieferte Beweis

Prof. Ascherio und seinem Team kam es nun zugute, dass von allen jungen Armeeangehörigen in den USA bei Diensteintritt und in regelmässigen Abständen während der Dienstzeit eine Blutprobe genommen und aufbewahrt wird. Sollte eine Soldatin oder ein Soldat an MS erkranken, wird dies in den Unterlagen der Armee vermerkt. Dadurch ist es möglich nachzuvollziehen, wie sich bei Armeeangehörigen, die an MS erkranken, Blutparameter, wie eben zum Beispiel Antikörper gegen EBV, über die Jahre verändern.

Prof. Ascherio untersuchte mit seiner Arbeitsgruppe über 62 Mio. Blutproben von über 10 Mio. Armeeangehörigen auf das Vorliegen von Antikörpern gegen das EBV: Als Beweis dafür, dass eine Ansteckung mit dem Virus stattgefunden hatte. Dabei stellte er fest, dass Personen ohne solche Antikörper nicht an MS erkrankten, es sei denn, sie steckten sich vorher noch mit dem Virus an. Ganz generell stieg das Risiko, eine MS zu entwickeln, nach einer Infektion mit dem EBV um das 32-fache an; gleichzeitig zeigten sich dann erhöhte Werte der leichten Kette der Neurofilamente (NfL) als Zeichen der Nervenschädigung.

Prof. Ascherio überprüfte zudem, ob sich bei einer Infektion mit einem anderen Virus, das ähnlich wie das EBV übertragen wird, ebenfalls solche Zusammenhänge finden lassen. Dies war jedoch nicht der Fall. «Damit stellt eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus eine Hauptursache für MS dar», sagte er. Er betonte aber auch, dass das Risiko für die Entwicklung einer MS durch weitere Faktoren erhöht wird, so z.B. Rauchen, Übergewicht während der Jugend, Vitamin-D-Mangel und genetische Faktoren.

Weitere Forschungsprojekte in Planung

Wie Prof. Ascherio abschliessend erklärte, besteht ein weiterführender Forschungsschwerpunkt nun darin, einen Impfstoff zu entwickeln, der zwar nicht die Ansteckung mit dem EBV verhindert, wohl aber das Entstehen eines Pfeifferschen Drüsenfiebers. Denn damit liesse sich womöglich das Risiko für eine MS reduzieren. Ebenfalls gelte es noch zu erforschen, über welche Mechanismen das EBV schliesslich zu einer MS führt.

«MS State of the Art Symposium»

Das «MS State of the Art Symposium» ist der bedeutendste Fachkongress zum Thema Multiple Sklerose in der Schweiz und wird von der Schweiz. MS-Gesellschaft und ihrem Medizinisch-wissenschaftlichen Beirat organisiert. Dieses Jahr fand das Symposium am 28. Januar 2023 im KKL Luzern statt.

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