Challenge «Bishorn Besteigung»: Mission erfüllt

Danke

Unter dem Motto «Aufgeben ist keine Option» hatte sich Sonia Vitulano schon in der Vergangenheit mit Spendenaktionen für unheilbar an MS Erkrankte engagiert. Am 4./5. September 2021 stellte sie sich der nächsten, gewaltigen persönlichen Herausforderung: Der Besteigung des 4'153 Meter hohen Bishorn in den Walliser Alpen.

Und Sonia hat es geschafft. Dass das aber alles andere als ein Selbstläufer war und jede Sekunde an mentaler und physischer Vorbereitung eine sehr gute Investition, dass beweist uns ihr folgender, eindrücklicher Erlebnisbericht von der Besteigung. Nochmals mega Glückwunsch, grosse Kämpferin! 

Das Leben hat viele Schlagzeilen

Die Schlagzeilen des Bishorns könnten sein: «Gipfel erreicht!» «Frauen ganz oben! » «Vorbereitung ist alles!» «Geglückte Spendenaktion!» Es passen aber auch diese: «Kurze Nacht!» «Kalte Füsse!» «Dünne Luft!» «Umkehr und Abstieg!» Doch fangen wir vorne an…

Den Sternen so nah

Die Nervosität im Massenlager auf der Cabane Tracuit auf 3256 Meter ist förmlich zu hören – so wie wenn man ein synthetisches T-Shirt im Dunkeln auszieht. Elektrisch, aufgeladen,  aber doch nicht richtig Strom. Funken, aber doch nicht richtig Flammen. Es ist still, aber bei jedem Atemzug, den ich nehme, denke ich zu hören, wie die anderen 20 Teilnehmerinnen der Bishorn Gruppe vor sich hinatmen: «Genug-schlafen, genug-schlafen, jetzt-einfach-genug-schlafen…». Die Nacht wird kurz – die Wecker sind für 4 Uhr morgens gestellt.

Der Aufstieg in die Cabane Tracuit war lange und der Schlussaufstieg, begleitet von Schneeregen, eine anspruchsvolle, rutschige Kraxelei. Ich bin froh, den Alpinwanderkurs beim SAC Schweiz vor zwei Wochen gemacht zu haben. Diese Erfahrung zahlt sich jetzt aus.

Es «bizzli Nationalrats-Feeling»

Getroffen haben wir unsere buntgemischte Frauentruppe in Zinal - 22 Bergsteigerinnen und 4 Bergführerinnen, die im Rahmen der Peak Challenge das Bishorn erreichen wollen. Wir wissen, dass die Bedingungen und das Wetter perfekt sein werden! Französisch, Schwiizerdüütsch und Englisch reden wir einfach frech durcheinander – «bizzli» so, wie im Nationalrat: «Ich rede meine Sprache, du deine». Es klappt hervorragend, auch wenn nicht immer alles verständlich ist. Klar ist einfach eines: Das Bishorn ist Programm -und Aufgeben ist keine Option. Wir wollen auf den Gipfel! Alle!

So liegen wir nun hier, Seite an Seite in der kühlen Hütte und versuchen, die kurze Nacht zu nutzen. Ich weiss, in einer SAC Hütte wird nicht geschlafen, sondern übernachtet, doch ich probiere mein Bestes.

4 Uhr morgens

Vier Uhr in der Früh kommt gefühlt nach 10 Minuten Schlaf. Kurzes Frühstück, Material-Check und Besammlung in überraschend warmer Luft vor der Hütte – Spannung erzeugt wohl Wärme. Während wir uns zu fünft in einer Seilschaft einbinden und die Steigeisen einklippen, geht der Mond auf – eine perfekte Sichel, die sich zu den abertausenden Sternen am Himmel gesellt. Auch wir sind strahlende Sterne – unsere Stirnlampen erhellen unsere letzten Vorbereitungen und leuchten in die Stille hinaus – es geht los.

Es
ist
einsam
monoton
klirrend kalt
steil und rutschig
und auf 4000 Meter, 153 Meter vor dem Ziel, wird Aufgeben plötzlich eine Option.

Stärkere Mächte

Im Schatten des Bishorns bleiben wir alle stehen und müssen zusehen, wie eine unserer Seilschafts-Freundinnen aufgibt. Übelkeit und Durchfall sind stärker als ihr Wille und sie muss, zusammen mit einer Bergführerin, zurück in die Hütte. Wir organisieren die Seilschaften neu, um die fehlende Bergführerin zu ersetzen. Das Warten und erneute Anseilen dauert, braucht Nerven und unterkühlt uns. Das Verabschieden unserer Kollegin ist traurig und kommt von Herzen.

Am Ziel: Der Gipfel ist da

Um 9 Uhr 50 erreichen wir das Ziel. Ein letzter, steiler Schneehang und wir haben das kleine Plateau erreicht. Nach Stunden der Stille und Einsamkeit innerhalb unserer Gruppen empfinde ich Stolz und Glück. Meine Lunge, die mit der dünnen Luft gekämpft hat und die manch ungewöhnliches Geräusch von sich gab, ist frei.

Mein Herz ist voll – ich habe euch alle mit auf das Bishorn genommen. All eure guten Wünsche, eure Spenden und eure positiven Gedanken haben mich umgeben und mich begleitet. Auch ich wollte aufgeben, aber das Wissen um eure Unterstützung hat mich stark gemacht und mir die Schritte ans Ziel erleichtert.  

Zusammen sind wir stark

Aufgeben ist manchmal die einzig richtige Entscheidung. Auf sich selbst zu hören und zu spüren, wo die persönlichen mentalen oder körperlichen Grenzen sind, ist wichtig und braucht Mut. Die Umkehr unserer Seilschafts-Freundin war schwierig auszuhalten und das Verdrängen des Gefühls, selbst aufgeben zu wollen, sehr energieraubend. Ich habe unsere Seilschafts-Freundin mit mir auf den Gipfel getragen. Mit ihr den Erfolg geteilt, weil ich verstehe, dass es manchmal einfach nicht sein soll und nicht sein kann. Weil ich weiss, dass wir zusammen stark sein können.

Das Leben hat viele Schlagzeilen - wir schreiben sie selbst.

Auch bei dieser Aktion war es Sonias Ziel,  Spenden für die Schweiz. MS-Gesellschaft und damit andere MS-Betroffene zu sammeln. Das Ziel Bishorn ist erreicht – und das Spendenkonto noch geöffnet. Auch jetzt noch freuen sich Sonia und die MS-Betroffenen über jeden Franken.