7 Fragen an Caroline Régnard-Mayer

MS-Geschichten

Sie ist Mutter, Autorin, Bloggerin, Ehrenamtliche, Influencerin, stark auf social media aktiv: Wie bekommst sie das als MS-Betroffene in einen Tag gepackt, der ja für uns alle nur 24 Stunden hat?

Es ist eigentlich ganz einfach. Aber ich weiss, dass fragen sich viele meiner Leser und Follower. Meine Kinder sind erwachsen, studieren in einer anderen Stadt oder arbeiten bereits. Ich sehe sie leider nicht so oft, gerade meine Tochter nicht, da sie zusätzlich ihren Master im Ausland macht.

Auf meinem Blog frauenpowertrotzms.de schreibe ich max. einmal im Monat einen Artikel. Auf Instagram nur wenn ich etwas zu sagen habe, denn vom Vorplanen auf vier Wochen, wie viele Blogger es tun, halte ich nichts. Ich weiss ja nicht, was mich nächste Woche bewegt. Meine Bücher schrieb ich über einen Zeitraum von 17 Jahren. Da findet sich immer Zeit und ich konzentriere mich dann während des Schreibens nur auf das aktuelle Buchprojekt. Meine Selbsthilfegruppe, die ich leite, trifft sich einmal im Monat. Der Behindertenbeirat veranstaltet zwei Hauptsitzungen. Also machbar.

Ansonsten schwänze ich einfach. Ich lebe in meinem Rhythmus und meiner Erkrankung. Keiner bringt mich so schnell aus der Ruhe, denn nur das, was mir guttut, steht an erster Stelle.

Wir alle mögen Multitalente. Umso mehr, wenn sie trotzdem Schwächen haben. Welche sind deine?
Ich bin ungeduldig und möchte am liebsten alles sofort erledigen. Auch mag ich keine subtilen Angriffe, das lässt mich ganz schön straucheln und ich beginne physisch zu «fallen». Ich bin für jede konstruktive Kritik offen, aber dann von Angesicht zu Angesicht oder man sollte mir schreiben. Ich bin hier mal ganz offen, so schreibe ich auch – authentisch – greift man mich verbal an, nehme ich das gleich persönlich. Daran muss ich echt noch arbeiten. Es beeinflusst mein gesamtes Leben bis heute. Und noch ein Punkt, ich liebe Schokolade und Kuchen. Was meiner Figur nicht guttut, aber diese Schwäche trage ich schon immer mit mir herum.

Unter den fast endlos vielen Mantras, Leitsätzen, Lebensmottos, guten Ratschlägen für MS-Betroffene: Welcher ist der wertvollste für dich?
Bitte keine Mottos über Selbstliebe und das Leben kann so schön mit MS sein. Ich versuche nicht zurückzublicken, denn was vorbei ist und welche Entscheidung ich damals getroffen habe, kann ich nicht mehr ändern. Ich kann versuchen, es in Zukunft besser zu machen und den Blick nach vorne zu richten, ist für mich wichtig. Es gibt viele Wege mit der MS klar zu kommen und jeder ist der richtige für denjenigen, der ihn gewählt hat.

Humor ist dir sehr wichtig. Darf man über MS Witze machen? Davon losgelöst: Was ist dein Lieblingswitz?
Heute lache ich über den Satz: «Du siehst ja gar nicht krank aus!» Entweder ich antworte, «dir sieht man deine Dummheit auch nicht» an oder ich ignoriere solche dummen Kommentare. Ein Bekannter sagte mal: Manchmal ist es ein «nicht-verstehen-können», manchmal leider ein «nicht-verstehen-wollen». Seine Bitte an Aussenstehende und Betroffene war: «Zuzuhören und zu versuchen, Verständnis dafür zu entwickeln, dass es bei der Erkrankung mit den tausend Gesichtern auch ein paar traurige Gesichter gibt, die man, zumindest auf den ersten Blick, leider nicht sehen kann.» Hier stimme ich ihm zu 100 % zu.

Witze über eine Krankheit zu machen, kann akzeptiert werden, wenn sie niemanden angreifen und wirklich nicht verletzen. Es ist eine Gratwanderung und ich bin in diesem Punkt eher verhalten.

Du hast unter dem Pseudonym Rachel Parker (Liebes-)Romane veröffentlicht. Wieso nicht als Caroline Régnard-Mayer? Braucht es eine Abgrenzung zu «MS Caro»?
Für mich war eine deutliche Abgrenzung sehr wichtig. Als MS-Betroffene und Autorin, die rund um das Thema Multiple Sklerose schreibt, dann plötzlich mit einem Liebesroman aufzuwarten, hat sich für mich nicht stimmig angefühlt. Wobei meine Protagonistin im ersten Roman auch MS hat. Da fällt mir gerade ein, ich muss den zweiten Teil noch fertig schreiben.

Nach Romanen, Ernährungsberatern, Rezeptsammlungen, MS-Erfahrungsberichten hast du zuletzt ein Kinderbuch geschrieben: «Mama ist anders gesund». Der knuffige Drache Fridolin und sein Freund Florian erklären die MS. Wie kam es dazu?
Da meine Kinder bei meiner Diagnose sehr klein waren, habe ich mir immer ein Kinderbuch gewünscht, das kindgerecht und behutsam über meine Erkrankung Multiple Sklerose aufklärt. Aber es gab keins. Deswegen schrieb ich für Eltern, Kindern und Bezugspersonen dieses Buch. Ein Herzensprojekt, das mir schon Jahre auf der Seele brannte.

Wobei ich nun auch für Papas und männliche Betroffene ein Kinderbuch geschrieben habe. Wir wollen ja nicht die Gleichberechtigung unter MS-Betroffenen in Frage stellen.

Herbst 2022. Klimakrise, Energiekrise, Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie, Rezessionsängste und reale Inflation: Was gibt dir Hoffnung und sollte uns Hoffnung geben, das alles gut wird?
Eine schwierige Frage. Ich versuche bei all den Problemen und Krisen Ruhe zu bewahren. Erst wenn ein Fall, eine Situation eintrifft, entscheide ich, was zu tun ist. So mache ich das seit sehr vielen Jahren. Ich finde es sehr beängstigend, welche Zukunft auf unsere Kinder zukommt.

Welche Fehler in der Vergangenheit von der (deutschen; die Redaktion) Regierung gemacht wurden und wir jetzt die Quittung dafür bekommen. Bedingt versuche ich im Alltag auf Umweltdefizite einzuwirken und hinterfrage mein Handeln. Ich sammelte auch Geld für den Krieg in der Ukraine und kaufte Artikel für Kinder und Babys. Ein kleiner Tropen Hoffnung. Fünf Konvois starteten in Landau vom Behindertenbeirat. Auf Plastik zu verzichten, Second-Hand-Kleidung zu kaufen oder zu verkaufen, im Haushalt diverse Dinge umgestellt oder Energie, Wasser zu sparen. Wer braucht bei einem Sommer wie vor Wochen einen eigenen Pool oder muss seinen Rasen jeden Tag bewässern? Damit mache ich mir keine Freunde, aber es gibt sehr vieles, was man tun kann und ein Umdenken in allen Bereichen, auch in grossen Firmen MUSS jetzt endlich stattfinden. Wir haben nämlich 5 nach 12 auf der Lebensuhr und nicht 5 vor 12!

Würde das jeder von uns machen, dann wäre es ein grosser Schritt in eine gute Richtung und Zukunft. Und natürlich sollten unsere Politiker endlich handeln, schneller Gesetze umsetzen oder auch die Möglichkeit einer Volksabstimmung. Bürger müssen mehr Rechte bekommen mit zu reden; die Möglichkeit sich engagieren zu können. Zum Glück kann ich im Behindertenbeirat mitreden und vieles, was wir erarbeitet haben, wurde realisiert.

Aber trotz all den Problemen bin ich frustriert und sehe unsere gemeinsame Zukunft auf unserem Planeten nicht positiv. Trotzdem sollten wir die Hoffnung nicht aufgeben.