Erfolgreiches MS-Symposium mit neusten Erkenntnissen

State of the Art

Am 27. Januar 2024 fand in Luzern das 26. MS State of the Art Symposium der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft statt. Neben Vorträgen zu Themen wie Schwangerschaft bei MS wurde an der Veranstaltung auch die neuste Hochrechnung zur Häufigkeit der Erkrankung in der Schweiz präsentiert. 


Zahlreiche Fachpersonen nutzten auch in diesem Jahr die Gelegenheit, sich im Rahmen des 26. MS State of the Art Symposiums über aktuelle Erkenntnisse auf dem Gebiet der MS zu informieren. Wie der Präsident der Schweiz. MS Gesellschaft, Prof. Dr. med. Jürg H. Beer, bei der Eröffnung der Veranstaltung erklärte, ging es in diesem Jahr unter anderem um das Thema der Therapie-Deeskalation, also darum, die medikamentöse Therapie längerfristig zu reduzieren, gleichzeitig aber die Erkrankung weiterhin gut zu kontrollieren.

Noch vor wenigen Jahren hätte niemand gewagt, ein solches Vorgehen überhaupt in Betracht zu ziehen, sagte er in diesem Zusammenhang. Zudem wies er auf die neusten Zahlen zur Häufigkeit der MS in der Schweiz hin, die mithilfe der Daten des Schweizer MS Registers errechnet worden sind. Während 2016 noch von rund 15‘000 Menschen mit MS ausgegangen wurde, kommt die aktuelle Auswertung auf eine Zahl von 18‘000 Betroffenen. Dr. Christoph Lotter, Co-Direktor der Schweiz. MS-Gesellschaft, berichtete dann auch über einen zunehmenden Bedarf an Beratung durch die MS-Gesellschaft.

Praktische Erfahrungen mit verlängertem Therapie-Intervall

Das wissenschaftliche Programm startete mit dem Vortrag von Prof. Dr. med. Fredrik Piehl (Karolinska Universitätsspital, Stockholm/Schweden). Er berichtete über die Vor- und Nachteile der in Schweden eingesetzten Strategien der Behandlung einer MS. Insbesondere die Therapie mit Antikörpern, die gegen bestimmte Immunzellen gerichtet sind, wird in seiner Heimat häufig und mit Erfolg eingesetzt. Diese Medikamente erhöhen aber auch die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten, was zu einer Verschlechterung der MS beitragen kann. Prof. Piehl zeigte anschliessend auf, welche Erfahrungen bisher in Schweden durch eine Deeskalation der Therapie mit diesen Medikamenten in Bezug auf Krankheitskontrolle und Infektionsrisiko gesammelt werden konnten.

Prof. Dr. med. Christine Lebrun-Frenay (Côte d’Azur Universitätsspital, Nizza/Frankreich) erläuterte in ihrem Vortrag, dass immer wieder auch MS-typische Veränderungen im Gehirn von Personen entdeckt werden, die unter keinen MS-Symptomen leiden und bei denen aus ganz anderen Gründen eine bildgebende Untersuchung durchgeführt wurde. Dieser Befund wird als radiologisch isoliertes Syndrom (RIS) bezeichnet. Man weiss heute, dass ein Grossteil der Personen mit einem RIS im Laufe der Jahre tatsächlich an einer MS erkranken werden. Prof. Lebrun-Frenay nannte verschiedene Faktoren, die das Risiko für die Entwicklung einer definitiven MS beeinflussen und sprach auch darüber, welche Auswirkungen der frühzeitige Beginn einer Behandlung auf den Verlauf der Erkrankung haben kann.

Update zur MS Therapie

Zu den traditionellen Programmpunkten des MS State of the Art Symposiums gehört ein Update zu den therapeutischen Optionen. Prof. Dr. med. Andrew Chan (Inselspital Bern) zeigte auf, welche neuen Wirkstoffe sich aktuell in der Erforschung befinden. Dazu gehören unter anderem verschiedene Vertreter der Medikamentenklasse der sogenannten Brutontyrosinkinase-Hemmer. Diese Substanzen weisen verschiedene Eigenschaften auf, die für die MS-Therapie von Vorteil sein könnten. So ist es ihnen zum Beispiel möglich, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und so im zentralen Nervensystem ihre Wirkung zu entfalten. Auch auf dem Gebiet der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) wusste Prof. Chan über Neuerungen zu berichten. So wurde 2023 mit Ravulixumab eine neue Substanz zur Behandlung dieser Erkrankung zugelassen. 

MS Behandlung und Schwangerschaft

Im letzten Teil des Vormittagsprogramms ging es um das Thema der Schwangerschaft bei Frauen mit MS. In der Vergangenheit wurde diesen Frauen davon abgeraten, schwanger zu werden. Einerseits befürchtete man, die Medikamente könnten das ungeborene Kind schädigen, andererseits wollte man die Therapie nicht unterbrechen, damit sich die MS nicht verschlechterte. Wie Prof. Dr. med. Caroline Pot (Universitätsspital Lausanne) jedoch in ihrem Vortrag aufzeigen konnte, weiss man heute sehr viel mehr über den Einfluss der Schwangerschaft auf den Verlauf einer MS und auch über die Risiken, die mit dem Einsatz der verschiedenen Medikamente einhergehen. Daher hat auch eine Gruppe von Schweizer Experten verschiedener Fachrichtungen aktuell ein Dokument erarbeitet, das Empfehlungen zum Einsatz der krankheitsmodifizierenden Therapien bei Frauen mit MS enthält. 


In einer anschliessenden Podiumsdiskussion – an der neben Prof. Pot auch die Neurologen Prof. Chan und Dr. Michael Graber (Inselspital Bern), die Pharmakologin Prof. Dr. Alice Panchaud (Universitätsspital Lausanne und Universität Bern) und der Gynäkologe Prof. Dr. Daniel Surbeck (Inselspital Bern) teilnahmen – wurde unter anderem betont, dass bereits bei der Wahl der ersten Therapie einer an MS erkrankten Frau daran gedacht werden sollte, dass diese (auch ungeplant) schwanger werden könnte. Es wurde aber auch angemerkt, dass weiterhin intensiv Daten zum Einfluss der verschiedenen krankheitsmodifizierenden Therapien auf den Verlauf einer Schwangerschaft gesammelt werden müssen. Von besonderem Interesse ist zudem, zu erfassen, welche Einflüsse die verschiedenen MSTherapien auf die langfristige geistige und körperliche Entwicklung der Kinder von MS-betroffenen Müttern haben.

Vier Themenworkshops 

Am Nachmittag standen vier Themenworkshops auf dem Programm. Prof. Dr. Renaud Du Pasquier (Universitätsspital Lausanne) und PD Dr. Ilijas Jelcic (Neurozentrum Basel und Klinik Hirslanden, Zürich) befassten sich in ihrem Workshop mit dem Thema Impfungen bei MS-Betroffenen und formulierten, basierend auf den neusten Resultaten wissenschaftlicher Studien, die wichtigsten Empfehlungen für die Praxis. 


Dr. Lara Diem (Kantonsspital Luzern) und Dr. Jean-Michel Pignat (Universitätsspital Lausanne) sprachen über die Fatigue, die MS-typische belastende Müdigkeit. Sie präsentierten aktuelle Erkenntnisse zu den Ursachen, der Diagnose und der Behandlung der Fatigue. 

Der dritte Workshop stand unter der Leitung von PD Dr. Lars Hemkens und Prof. Dr. Özgür Yaldizli (beide vom Forschungszentrum für klinische Neuroimmunologie und Neurowissenschaften [RC2NB], Basel). Sie diskutierten mit den Teilnehmenden darüber, wie sich in Spitälern und Praxen unter alltäglichen Bedingungen gesammelte Daten dazu verwenden lassen, die Betreuung von Menschen mit MS kontinuierlich anzupassen und so zu verbessern. 

In Workshop Nummer 4 schliesslich sprachen Prof. Dr. Iris-Katharina Penner (Inselspital Bern) und Prof. Dr. Arseny Sokolov (Universitätsspital Lausanne) über die Einschränkungen in der geistigen Leistungsfähigkeit, zu denen eine MS führen kann. Sie demonstrierten den Teilnehmenden, wie sich solche Einschränkungen im Alltag am besten erkennen und beurteilen lassen. 

Die Schweiz. MS-Gesellschaft dankt den Sponsoren Reha Rheinfelden, Rehaklinik Zihlschlacht, dem Medienpartner brainMag (medEdition) und dem Kooperationspartner Schweizerische Neurologische Gesellschaft für die Unterstützung des MS State of the Art Symposiums 2024.

 

In Kürze werden auf dieser Website laienverständliche Zusammenfassungen der Vorträge und Workshops publiziert.

Das nächste «MS State of the Art Symposium» findet am Samstag, 25. Januar 2025 im KKL Luzern statt.