Stammzelltherapie: MS-Experten zu Gast bei «Puls»

Am Montag, 20. Februar 2017 steht im «Puls» die autologe Stammzelltherapie bei MS im Mittelpunkt. Dr. Christoph Lotter ist im Studio zu Gast und Prof. Dr. Roland Martin, Prof. Dr. Andrew Chan und Prof. Dr. Sven Schippling beantworten im Expertenchat Fragen zur Anwendung bei Multipler Sklerose. Während der Sendung nimmt die MS-Gesellschaft Fragen per MS-Infoline entgegen.

Die SRF-Sendung «Puls» widmet ihre Sendung vom 20 Februar 2017 um 21.05 Uhr der autologen Stammzelltherapie als Behandlungsmöglichkeit bei Multipler Sklerose. In der Sendung ist unter anderem Dr. Christoph Lotter zu Gast, Vizedirektor der MS-Gesellschaft.  Als MS-Fachpersonen werden zudem im Expertenchat drei Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der MS-Gesellschaft von 20.30 bis 23.00 Uhr Red und Antwort stehen:

Das Beratungsteam der MS-Gesellschaft steht anlässlich der Sendung am Montagabend von 21.00 bis 23.00 Uhr für Fragen zur Verfügung. In den Tagen nach der Sendung wird die MS-Infoline durch erfahrene Neurologen verstärkt:

MS-Infoline

0844 674 636

Montag, 20. Februar 2017 | 21.00 Uhr - 23.00 Uhr
Montag bis Freitag | 9.00 - 13.00 Uhr



>> Mehr zur Sendung «Puls» vom Montag, 20. Februar 2017


Fachartikel zur autologen Stammzelltherapie:

Autologe Blutstammzell-Transplantation bei Multipler Sklerose

Text: Prof. Dr. Roland Martin, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats und des Vorstands der Schweiz. MS-Gesellschaft / Leitender Arzt an der Klinik für Neurologie des UniversitätsSpitals Zürich

Die aHSCT als Behandlung bei MS wird seit über 20 Jahren erforscht. Bei anderen Erkrankungen, z.B. Leukämien, ist sie seit langem Standardbehandlung, die zehntausende Male pro Jahr durchgeführt wird. Mehr als 2‘000 MS-Betroffene erhielten eine aHSCT, und eine Reihe von Studien belegen ihre hohe Wirksamkeit. Zwischen 70 und 90 Prozent der behandelten Patienten sind langanhaltend komplett krankheitsfrei.

Wie wirkt die aHSCT?

MS ist eine sogenannte Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem Zellen und Myelin, die Isolationsschicht um Nervenfasern, in Gehirn und Rückenmark zerstört. Die aHSCT beseitigt diese fehlgeleitete Immunreaktion, indem alle Immunzellen eliminiert werden. Im Anschluss erhalten Patienten die eigenen, zuvor entnommenen Blutstammzellen zurück. Aus diesen entsteht ein neues Immunsystem, dass keine Autoimmunreaktion mehr aufweist. Dass dies tatsächlich erreicht werden kann, konnte bereits vor 10 Jahren gezeigt werden. Gegenüber den zugelassenen Therapien, die dauerhaft verabreicht werden und meist unspezifisch auf das Immunsystem wirken, ist die aHSCT eine einmalige Behandlung. Wichtigster Unterschied ist aber der völlig andere Wirkmechanismus der aHSCT, nämlich die komplette Erneuerung des Immunsystems.

Wie läuft die aHSCT Behandlung ab?
Die aHSCT ist ein mehrschrittiges Behandlungsverfahren, das ca. 4 Wochen dauert. Nach Feststellung der Eignung des Patienten werden von Spezialisten der Hämatologie durch Gabe von zwei Substanzen eigene Blutstammzellen aus dem Knochenmark freigesetzt und dann eingefroren. Danach werden fünf Medikamente verabreicht, die die Immunzellen absterben lassen (sogenannte Konditionierung durch das BEAM-ATG Verfahren). Dann werden die eigenen Blutstammzellen als Kurzinfusion zurückgegeben. In den folgenden Wochen entsteht aus diesen erst ein blutbildendes System (rote Blutkörperchen, Plättchen) und dann auch alle Immunzellen. In der Phase direkt nach der Konditionierung ist der Schutz gegenüber Infektionen stark eingeschränkt, deshalb müssen häufig für einige Wochen Antibiotika gegen Bakterien, Viren und Pilze verabreicht werden.
   
Wer kommt für die aHSCT in Frage?
Die aHSCT bleibt aufgrund der Risiken direkt nach der aHSCT Menschen mit schwer verlaufender MS vorbehalten.
Folgende Kriterien sind ausschlaggebend:

  • MS-Betroffene sollten in der schubförmigen Phase der Erkrankung sein (bei einem primär/sekundär chronisch progredienten Verlauf sollten noch Entzündungsläsionen im ZNS vorhanden sein).
  • Mehrere Kriterien müssen auf eine aktive/aggressive Verlaufsform hindeuten.
  • Die Betroffenen sollten möglichst nicht über 45 Jahre alt sein und
  • nur mässige Behinderung aufweisen, das heisst einen EDSS-Grad unter 4 bis maximal 5 (in einzelnen Fällen kann von diesen Kriterien begründet abgewichen werden)

Da für Betroffene mit den beschriebenen Kriterien eine Reihe teils sehr wirksamer Therapien zur Verfügung stehen, erfordert die Indikationsstellung eine sorgfältige Abklärung, umfangreiche Aufklärung über Nutzen und Risiken sowie enge Zusammenarbeit zwischen Transplantations-Spezialisten der Hämatologie, MS-Spezialisten und speziell ausgebildeten Pflegefachpersonen.

Risiken und Nebenwirkungen der aHSCT

Wichtigstes Risiko stellen Infektionen dar, die direkt nach einer aHSCT auftreten können. Diese sind für die heute angenommene Transplantations-assoziierte Mortalität von knapp 1% verantwortlich. Bei den in Europa seit 2011 registrierten 230 MS-Betroffenen, die eine aHSCT erhielten, trat kein Transplantations-assoziierter Todesfall mehr auf. Es kann deshalb aktuell von einer Transplantations-assoziierten Mortalität in hierfür spezialisierten Zentren von deutlich unter 1% ausgegangen werden. Bei einer aHSCT mit BEAM-ATG kommt es zu vorübergehendem Ausfall der Haare, Übelkeit, Schädigung von Schleimhäuten und anderen Nebenwirkungen. Diese sind allesamt reversibel. Als Langzeitnebenwirkungen kann es zum Auftreten von Krebs (unter 2%) sowie zu anderen Autoimmunerkrankungen (weniger als 5%; insbesondere der Schilddrüse mit anschliessender Unterfunktion) kommen. Darüber hinaus kann die Behandlung bei Frauen, sehr selten auch bei Männern, zu einer Unfruchtbarkeit führen.

Steht die aHSCT in der Schweiz zur Verfügung?
Die Behandlung wird gegenwärtig nicht von den Krankenversicherern vergütet. Damit die Kosten übernommen werden, muss die aHSCT im Rahmen von Studien erfolgen. Eine Beobachtungsstudie am UniversitätsSpital Zürich in Kooperation mit anderen Schweizer Zentren ist in Planung.