Rendez-vous mit Lara Stoll
Frau Stoll, in Ihrem neuen Buch «Hallo» erzählen Sie von Ihrer Welt. Wie ist sie, «Lara Stolls Welt»?
Sie ist extrem in alle Richtungen. Ruhig und laut, extrovertiert und ganz zurückgezogen, von schwarz bis bunt und manchmal einfach nur vernebelt. Diese Ausgangslage erlaubt es mir, mich immer wieder in die abstrusesten Situationen zu manövrieren. Für eine Autorin, die viel Kreativität aus dem Leben zieht, also das ideale Fahrwasser.
Sie sind als 35-Jährige ein sogenannter Millennial und nehmen das in Ihrem neuen Buch auch zum Thema. Was macht Ihre eigene Generation aus?
Es gibt unzählige Klischees, die man in diesem Zusammenhang gerne auflistet. Von «nichts Richtiges auf die Reihe kriegen» trotz «hoher Ambitionen » und «geringer Belastbarkeit» zu «unpolitisch » und «egoistisch». Ich erkenne mich und meine Generation schon auch darin, vor allem wenn ich auf die Älteren und Jüngeren hoch- und runtersehe. Aber dass wir so unversehrt aufwachsen durften, gibt uns auch grosse Stärken. Wir sind sehr flexibel und können gut improvisieren. Wir sind sehr tolerant und streben nach sinnstiftender Arbeit. Wir sind momentan der Puffer zwischen den divergierenden Generationen.
In Ihrem Beruf geht es fast immer um Humor. Wie humorvoll ist die Schweiz?
Humor ist etwas wahnsinnig Individuelles. Man kann da schwer über eine ganze Nation etwas Generalisierendes sagen. Ich habe aber das Gefühl, dass den Schweizerinnen und Schweizern im Alltag schon öfters mal ein bisschen Humor fehlt. Man ist sich nicht gewohnt, länger als 10 Minuten auf den Zug zu warten, Schlange zu stehen, Fehler zu machen, das Essen anbrennen zu lassen. Man ist sehr genau und eher gefrustet als dass man sich sagt: «Ach, macht doch nichts, ist doch irgendwie lustig».
Sie kamen über den Poetry Slam schon als 18-Jährige zur Kleinkunst. Wie kam es dazu?
Ich habe als Teenager bei Laien-Theaterproduktionen mitgespielt. Dabei habe ich auch Gabriel Vetter kennengelernt. Als ich dann gehört habe, dass er einen Poetry Slam moderiert – damals kannte man dieses Format noch nicht so gut – wollte ich mir natürlich ansehen, was er da so trieb. Ich war total begeistert. Wie schlicht diese Slams funktionierten: Zehn Leute, die glauben, sie hätten etwas Unterhaltsames geschrieben, wagen sich auf die Bühne und haben je sechs Minuten Zeit, ihren ernsten oder lustigen Text zu performen. Das Publikum feiert mit und benotet das Ganze, der Sieger oder die Siegerin erhält eine Flasche Whiskey – grossartig. Ich war angefixt und habe mich für den nächsten Slam angemeldet. Danach war’s um mich geschehen, aus dem Hobby wurde Jahre später mein Beruf.
Was war Ihr schönster Bühnenmoment? Und Ihr schlimmster?
Ich kann mich nicht an einen bestimmten «schönsten» Bühnenmoment erinnern. Es gibt sehr viele davon. Es ist das wunderbarste, wenn man einfach merkt, dass die Leute einem folgen und voll dabei sind. Wenn ich ihnen durch meine Texte das Kopfkino vors geistige Auge projizieren kann und sie Spass haben. Wenn ich sie überraschen kann. Der schlimmste Auftritt war, glaube ich, ein Auftritt in einem Kühlhaus eines Gemüselieferanten, ein Geschenk des Chefs für seine Angestellten – die kein Deutsch sprachen. Die Leute haben kein Wort verstanden und mich auch beschimpft. Das war ziemlich mies.
Welchen beruflichen Traum wollen Sie sich noch erfüllen?
Ich habe noch einiges vor. Ich würde zum Beispiel sehr gerne eine TV-Serie schreiben, aber das hat auch noch Zeit. Ich möchte mich ungern stressen lassen. Wenn etwas zu verkopft «hingewürgt» wird, dann ist es im Resultat oft spürbar. Vielleicht irgendwann ein neues Buch-Projekt oder ein Stipendium im Ausland zum Malen. Bestimmt sind auch weitere Theaterprojekte realistisch. Im Herbst werde ich Alt-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Zürcher Theater Neumarkt spielen und im Sommer 2023 ein neues Soloprogramm schreiben. Bis dahin toure ich noch mit «Gipfel der Freude» durch die Schweiz.
Nun haben wir viel über Ihre Talente gesprochen. Was können Sie so gar nicht?
Geschenke einpacken. Weihnachten ist für mich immer eine grosse Herausforderung. Egal wie sehr ich mich anstrenge, meine Geschenke sehen immer aus wie direkt aus dem vierten Magen eines Wiederkäuers.
Wenn Sie nicht witzig sind, dann zumindest ironisch. Wann werden Sie ernst?
Wenn die Pizza, die ich bestellt habe, nicht ankommt.