«Renato Kaiser war ein armer Cheib»
Jules, «Tabu»: Eine gute Idee von SRF?
Ja, finde ich sehr gut. Wichtig für die Öffentlichkeit, wichtig für die Würde der Betroffenen, wichtig fürs Verständnis der Probleme. Die Auseinandersetzung hilft vielleicht bei der Frage, wie man mit Personen mit Behinderungen umgeht. Helfen, oder nicht helfen? Den Betroffenen über ungewollte Hilfe die Möglichkeit nehmen, etwas trotz grosser Schwierigkeiten selbst hinzu bekommen - und darauf stolz wie ein Silberrücken zu sein! Wir wollen weder bemuttert, bevormundet oder gar bemitleidet werden!
Was darfst du über die Dreharbeiten und «deine» Episode erzählen?
Gibt es eine Art Schweigepflicht?
Eine gewisse Schweigepflicht. Kann und will aber auch nicht zu viel verraten. Sonst behalten sie vielleicht meine Gage ein. (lacht lange und herzlich).
Gab es denn so was wie eine Gage?
Ja, sechsstellige Summen (lacht lange und herzlich).
Ist Renato Kaiser auch neben der Kamera lustig?
Ja, er ist gut. Er war aber auch ein «armer Cheib». ER war der Aussenseiter unter uns drei chronisch Kranken, der ganz schön viel einstecken musste (lacht).
Wie war die Atmosphäre am Set?
Es ist viel Witziges passiert, vor allem auch, wenn die Kamera aus war. Es gab total viele Frotzeleien, auch mit dem Produktionsteam. Aus der Natur der Sache heraus wer der Kameramann etwas «pingelig». Es brauchte manchmal 3 oder 4 Takes, um ihn und seine Detail-Wünsche zufrieden zu stellen. Das war dann für uns als Laiendarsteller teilweise schwer, 3 oder 4 mal das selbe Gesicht zu machen und in etwa das selbe zu sagen und es trotzdem irgendwie spontan aussehen zu lassen. Aber insgesamt war die Stimmung sehr locker. Als es nach 2-3 Tagen vereinzelt anstrengend zu werden drohte, wurde das Tempo individuell und kräfteschonend angepasst. Es wurde viel Rücksicht genommen.
Wie kamst du mit deinen Leidensgenossinnen aus?
Lerna und Kathrin, das sind beides ganz gute Frauen. Manchmal machten ihnen die Symptome und Müdigkeit zu schaffen. Trotzdem sind sie voller Lebensfreude. Schicksale, die schwer zu tragen sind. Umso bewundernswerter, sind beide so «zwäge» Frauen…
Behinderte, unheilbar Kranke, Arme … scheinbar ist alles in «Tabu» verarbeitet. Gab es während der Drehtage noch echte» Tabus?
Ja, die gab es. Es kam zwar viel zur Sprache. Vor der Kamera, und auch, wenn die Kamera aus war. Aber es gab auch Dinge, die blieben unausgesprochen.
Würdest du rückblickend nochmal mitmachen?
Ohne Wenn und Aber. Ich habe wie jeder Mensch Vorurteile, mit denen ich in die Aufnahmen und in die Produktion gegangen bin. Es gab viele gute Gespräche. Im Theater waren wir als Publikum alle versammelt. Es gibt auch nach dem Dreh noch Kontakt mit Renato und anderen Betroffen aus den vier anderen Episoden, die wir kennengelernt haben. Alles in allem war das für mich eine grosse Horizonterweiterung.
Du hast die Sendung noch nicht gesehen. Bis du gespannt?
Aber hallo. Gespannt wie Nachbars Lumpi. Keine Ahnung, was die Macher aus 4,5 Tagen im Endeffekt tatsächlich in die 45 Minuten Sendung gepackt haben. Ich werde am TV dann selbst in der Rolle des Zuschauers sein. Das wird eine einzige grosse Überraschung (lacht).