OCT: Vielversprechende Methode bei MS

Fachartikel

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist vielen ein Begriff und mittlerweile zu einem wichtigen Instrument bei der Diagnose und Verlaufsbeobachtung bei Multiple Sklerose (MS) geworden. Ein neueres Verfahren ist die optische Kohärenztomographie (OCT). Die Anwendung hat in den letzten Jahren eine vielversprechende Entwicklung durchgemacht und es ist zu erwarten, dass mit dem OCT das MRT sinnvoll ergänzt wird.

Die Beeinträchtigung der Sehnerven gehört zu den am häufigsten vorkommenden Symptomen der Multiple Sklerose (MS). Infolge einer Sehnerventzündung (Optikusneuritis) kommt es am Sehnerv zu Verzögerungen bei der Weiterleitung des Gesehenen: Patienten sehen in der Folge verschwommen, weniger satte Farben oder es treten Schmerzen bei der Augenbewegung auf. Das Auge entwickelt sich als Teil des menschlichen Gehirns und die Netzhaut (Retina) besteht aus denselben Bausteinen, wie wir sie aus dem Gehirn kennen und wie sie bevorzugt von der MS angegriffen werden.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Nicht jeder neue Entzündungsherd äussert sich als klinischer MS-Schub. Die Magnetresonanztomographie (MRT) kann helfen, «stumme» Herde sichtbar zu machen. Inzwischen ist das MRT wichtiger Bestandteil der MS-Diagnose und aus der Verlaufsbeobachtung sowie der Beurteilung des Therapieerfolges nicht mehr wegzudenken. Gleiches gilt für das Sicherheitsmonitoring bzw. die Erkennung möglicher Risiken der Immuntherapien. Mithilfe des MRT kann zudem das Ausmass der strukturellen Schäden im Gehirn abgeschätzt werden.

Optische Kohärenztomgraphie (OCT)

Die optische Kohärenztomographie (OCT) ist ein optisches Verfahren, bei dem die Netzhaut der Patienten mit gebündeltem («kohärentem») Licht ausgeleuchtet wird. Innerhalb weniger Minuten wird ein zweidimensionales Abbild der Netzhaut erstellt. Das OCT erfasst Veränderungen im Bereich der Netzhaut quasi stellvertretend für Prozesse im gesamten Gehirn. Immerhin treten eine Entzündung des Sehnervs bei bis zu 50% der MS-Patienten als erstes Symptom und Sehstörungen bei bis zu 80% im Krankheitsverlauf der MS auf. OCT-Untersuchungen bei Patienten mit MS zeigen, dass die Nervenfaser-Schichtdicke ebenso wie die gesamte Netzhautdicke in der Folge einer Sehnerventzündung trotz vollständiger klinischer Erholung deutlich an Substanz abnehmen kann.

Studien bestätigen die Wirksamkeit

Bemerkenswerterweise fanden Studien auch bei MS-Patienten ohne Sehnerventzündung eine überdurchschnittliche Ausdünnung der Netzhaut vor, die je nach Stadium und Verlauf der MS unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Es hat sich gezeigt, dass die mittels OCT bestimmten Messwerte ähnlich ausfallen wie die Ergebnisse eines MRT. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2016 belegen, dass niedrigere Netzhaut-Dickenwerte im OCT mit einem rascheren Fortschreiten der Krankheit in Zusammenhang stehen können. Daten einer unlängst veröffentlichten Studie von der Technischen Universität München legen nahe, dass die Veränderung tiefer gelegener Netzhautschichten zudem mit dem Ansprechen auf eine Immuntherapie assoziiert sein kann.

Vielversprechender Marker

Die Anwendung der optischen Kohärenztomographie in der MS hat eine vielversprechende Entwicklung durchgemacht. Aber nicht allein in der Diagnostik und Routine, auch in klinischen Studien zur Behandlung der Sehnerventzündung mit regenerativen Medikamenten spielt das OCT inzwischen eine Schlüsselrolle. Künftig ist zu erwarten, dass das OCT das MRT in der MS sinnvoll ergänzen wird. Die oben geschilderten wissenschaftlichen Arbeiten belegen eindrucksvoll, dass das OCT nicht nur in der Quantifizierung degenerativer Veränderungen bei der MS sinnvoll eingesetzt, sondern auch als neuer, vielversprechender Marker in der Überprüfung des Therapieerfolges herangezogen werden kann.

Text: Prof. Dr. Sven Schippling, Oberarzt und Leiter der Neuroimmunologischen Sprechstunde, Universitätsspital Zürich