Nach zwei virtuellen Durchführungen konnte die 25. Ausgabe des MS State of the Art Symposiums wieder wie gewohnt im Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) stattfinden. Zahlreiche Fachleute und Interessierte nutzten die willkommene Gelegenheit zur Weiterbildung und zum persönlichen Austausch, so dass Dr. Christoph Lotter, Co-Direktor der Schweiz. MS-Gesellschaft, die Veranstaltung vor einem gut gefüllten Auditorium eröffnen konnte. Prof. Dr. Peter Sandor, Präsident der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft, wies in seinem Grusswort darauf hin, wie sehr sich die Auswirkungen einer MS auf das Leben der betroffenen Personen in den letzten 25 Jahren verändert haben. Im Gegensatz zu früher bedeute eine MS heute nicht mehr, dass alle Lebensträume aufgegeben werden müssen, sagte er.
Epstein-Barr-Virus als Hauptursache für MS
Das wissenschaftliche Programm startete mit dem Vortrag von Prof. Dr. Alberto Ascherio (Harvard T.H. Chan School of Public Health, Boston, USA), einem international anerkannten Experten auf dem Gebiet der MS. Aktuell hat er in einer Langzeitstudie anhand von über 62 Mio. Blutproben von über 10 Mio. Angehörigen der amerikanischen Armee die Rolle des Epstein-Barr-Virus (EBV) bei der Entstehung der MS untersucht. Eine Ansteckung mit EBV erfolgt in der Regel schon im Kindesalter und verläuft meist ohne Symptome. Bei Jugendlichen und Erwachsenen dagegen kann eine Ansteckung zum Pfeifferschen Drüsenfieber führen. Prof. Ascherio konnte zeigen, dass eine EBV-Infektion eine Hauptursache für MS darstellt, stieg doch das MS-Risiko nach einer Infektion mit EBV um das 32-fache an, nicht aber nach einer Infektion mit anderen Viren.
Langzeitdaten zur Verbesserung der Behandlung
Prof. Dr. Cristina Granziera und Prof. Dr. Jens Kuhle (beide Universitätsspital Basel) stellten die 2012 gegründete Schweizer MS Kohorte (SMSC) vor, an der acht Schweizer MS-Zentren beteiligt sind. In die SMSC wurden bisher die halbjährlich oder jährlich erhobenen Daten von 1'578 MS-Betroffenen aufgenommen. Damit stellt sie eine der grössten klinischen MS-Forschungsdatenbanken ihrer Art in Europa und Nordamerika dar. Wie die beiden Vortragenden aufzeigten, können sie nun klinische Parameter, Befunde bildgebender Verfahren und Resultate von Blutproben-Analysen dazu einsetzen, den Verlauf der Erkrankung langfristig zu dokumentieren und auszuwerten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, diagnostische und therapeutische Verfahren für eine verbesserte medizinische Behandlung der MS-Betroffenen im klinischen Alltag zu entwickeln. Das Projekt der SMSC wird seit Beginn von der Schweiz. MS-Gesellschaft finanziell gefördert.
Enorme Fortschritte in Diagnose und Behandlung erzielt
Prof. Dr. Andrew Chan (Inselspital Bern) zeigte in seinem Referat auf, welche enormen Fortschritte in Bezug auf Diagnostik und Therapie in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiet der MS erzielt wurden. Während es Anfang der 1990er-Jahre nur wenige Medikamente gab, die allesamt gespritzt werden mussten, ist die Zahl der zugelassenen Therapien mittlerweile deutlich angestiegen. Die Behandlung ist zugleich aber auch deutlich komplexer geworden, können doch die neueren Therapien auch mit zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen einhergehen, mit denen die Neurologinnen und Neurologen bisher kaum konfrontiert waren. Prof. Chan wies zudem darauf hin, dass weiterhin offene Fragen bestehen, an deren Beantwortung Betroffene, Patientenorganisationen, Forschende, medizinische Fachpersonen und die Industrie weiterhin gemeinsam arbeiten müssen.