Hypnosetherapie bei MS

Fachartikel

Hypnose kann bei verschiedenen Beschwerden und Symptomen hilfreich sein. In manchen Fällen kommt Hypnose bei Multipler Sklerose zum Einsatz. In diesem Artikel gehen wir genauer darauf ein, was medizinische Hypnose ist, und erläutern den Nutzen dieser Methode bei MS.

Was ist Hypnose?

Die American Psychological Association definiert Hypnose wie folgt: «Hypnose ist ein Bewusstseinszustand, in dem die Person ihre Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Gedanken oder eine bestimmte Empfindung richtet, was die äussere Wahrnehmung reduziert und gleichzeitig die Offenheit für neue Ideen steigert.»

Hypnose ist demzufolge kein Schlafzustand, sondern ein Zustand der intensiven Konzentration. Während der Hypnose bleiben Menschen bei Bewusstsein und können ihre Handlungen jederzeit kontrollieren.

Die meisten Menschen haben schon einmal einen solchen Trancezustand erlebt. Dieser Zustand ist vollkommen natürlich und kann spontan eintreten, etwa beim Tagträumen oder bei einer angenehmen Tätigkeit wie Lesen, Angeln oder Tanzen. 

In der medizinischen Hypnose kann dieser Trancezustand genutzt werden, um Empfindungen und Erfahrungen positiv zu beeinflussen und eine Entspannungsreaktion hervorzurufen. Diese Reaktion, die für Menschen mit chronischem Stress möglicherweise schwer zu erreichen ist, kann wieder erlernt werden. 

Wie kann Hypnose für Menschen mit MS hilfreich sein?

Studien mit MS-Betroffenen zufolge kann Selbsthypnose zur Schmerzlinderung beitragen und kognitive Hypnose (eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und Hypnose, siehe unten) das psychische Wohlbefinden von Menschen mit MS verbessern.

Im Rahmen von Studien mit Menschen mit anderen Erkrankungen konnte gezeigt werden, dass Hypnose dabei helfen kann, chronische Schmerzen und Schlafstörungen zu lindern. Hypnose kann auch bei bestimmten medizinischen Eingriffen hilfreich sein, zum Beispiel bei kleineren Operationen.

Kognitive Hypnose kombiniert die kognitive Verhaltenstherapie – eine Form der Psychotherapie – mit Hypnose. Das Ziel besteht darin, den hypnotischen Zustand zu nutzen, um positive Veränderungen im Denken, im Verhalten oder im emotionalen Wohlbefinden zu bewirken. 

Was sagt die Forschung?

Bisher gibt es nur wenige Studien zur Hypnose bei der Behandlung von MS-Symptomen, und diese wurden mit einer relativ geringen Teilnehmerzahl durchgeführt. Die derzeit vorliegenden Studien wurden in drei Übersichtsarbeiten analysiert. Zwei dieser Arbeiten befassen sich mit der Schmerzbehandlung und die andere mit der Behandlung psychologischer Symptome. 

Studien zu MS-bedingten Schmerzen

Die aktuellere der beiden Übersichtsarbeiten zur Schmerztherapie wurde 2022 veröffentlich und umfasst drei randomisierte Studien. Sie zeigt, dass Hypnose effektiver ist als die Standardtherapie oder das Warten auf eine solche Behandlung. 

Die grösste dieser drei Studien befasste sich mit den Auswirkungen der Selbsthypnose bei 30 Frauen mit MS und Schmerzen. Die Teilnehmerinnen wurden nach dem Zufallsprinzip einer Kontrollgruppe ohne Hypnose oder einer Selbsthypnosegruppe zugeordnet, in der sechs 30-minütige Sitzungen im Abstand von einer Woche durchgeführt wurden. Laut den Ergebnissen wies die Selbsthypnosegruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Hypnose eine Schmerzlinderung auf. Die Studie zeigte zwar, dass die Selbsthypnose die Schmerzen unmittelbar zu reduzieren schien, diese Wirkung hielt jedoch nach dem Absetzen der Behandlung nicht langfristig an.

Studien zu psychischen Symptomen bei MS

Die Übersichtsarbeit über die Behandlung psychologischer Symptome bei Menschen mit MS durch Hypnose wurde 2023 veröffentlicht. Leider ist diese Arbeit von mangelhafter Qualität.

Eine randomisierte Studie, die in diese Übersichtsarbeit aufgenommen wurde, untersuchte die Wirksamkeit der kognitiven Selbsthypnose auf das psychische Wohlbefinden von MS-Betroffenen. Die 45 MS-Teilnehmenden wurden zufällig einer kognitiven Selbsthypnose (einmal pro Woche über einen Zeitraum von 8 Wochen) oder einer Kontrollgruppe ohne Hypnose zugeteilt. In der Gruppe mit kognitiver Selbsthypnose verbesserte sich das psychische Wohlbefinden im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Studien zu Symptomen ausserhalb der MS

Es gibt weitaus mehr Studien zur Hypnose, die Patientinnen und Patienten ohne MS einschliessen. Eine kürzlich durchgeführte systematische Übersichtsarbeit, die 49 Metaanalysen und 261 verschiedene Primärstudien zusammenfasst, zeigt das «Potenzial der Hypnose, verschiedene psychologische und somatische Behandlungsergebnisse positiv zu beeinflussen, wobei die grössten Effekte bei Schmerzpatientinnen und -patienten sowie bei Personen, die sich medizinischen Verfahren unterziehen, beobachtet wurden». 

Zwei weitere systematische Literaturübersichten fassen verschiedene Nachweise für den Nutzen von Hypnose bei Schlafstörungen zusammen und deuten auf gewisse Vorteile hin. 

Wie findet man eine kompetente Hypnosetherapeutin bzw. einen kompetenten Hypnosetherapeuten?

Die Person, die Sie während der Hypnose begleitet, ist der wichtigste Sicherheitsfaktor bei der therapeutischen Hypnose. In der Schweiz ist die Bezeichnung Hypnosetherapeutin bzw. Hypnosetherapeut nicht geschützt. Viele Ausbildungsstätten stehen auch Nicht-Gesundheitsfachkräften offen. 

  • Wenn das Ziel darin besteht, MS-Symptome zu behandeln, sollte die Hypnosetherapeutin bzw. der Hypnosetherapeut über eine medizinische Ausbildung oder eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf sowie Kenntnisse über MS oder die spezifischen behandelten Symptome verfügen.
  • Wenn Sie eine psychische oder psychiatrische Erkrankung haben, die nicht mit Ihrer MS zusammenhängt (z. B. Schizophrenie), muss dieser besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hypnose sollte in solchen Situationen nur von einer in psychischer Gesundheit geschulten Fachperson durchgeführt werden.
  • Psychotherapie und Traumatherapie sollten ausschliesslich von in diesem Bereich ausgebildeten Personen durchgeführt werden, d. h. Psychologinnen, Psychotherapeuten und Psychiaterinnen.

    Hypnosetherapeutinnen und -therapeuten, die diese Kriterien erfüllen (gut ausgebildetes Gesundheitspersonal), sind in folgenden Verzeichnissen aufgeführt:

    Hypnose.ch – Gesellschaft für klinische Hypnose und Hypnotherapie Schweiz 
    IRHYS.ch – Institut Romand d’Hypnose Suisse

Hypnose erfordert eine sichere und vertrauensvolle Beziehung zu einer Therapeutin oder einem Therapeuten, die/der die eigenen Kompetenzen und Grenzen kennt und berücksichtigt. Achtung: Wenn Sie sich nicht sicher oder unwohl fühlen, ist diese Person wahrscheinlich nicht die richtige, um Sie zu begleiten oder Ihnen diese Technik beizubringen. 

Ist Selbsthypnose möglich?

Unter Anleitung einer qualifizierten Fachperson können Patientinnen und Patienten Hypnose erlernen und Techniken entwickeln, die ihren Bedürfnissen und Zielen entsprechen. Auf die mit der Therapeutin bzw. dem Therapeuten entwickelten Skripte / Audiodateien können sie anschliessend bei Bedarf bei sich zu Hause zurückgreifen. Diese Anwendung zu Hause wird als Selbsthypnose bezeichnet. Sie eignet sich besonders zur Behandlung von Schmerzen oder Symptomen wie Schlafstörungen oder Angstzuständen. 

Manche Menschen können Selbsthypnose ohne vorheriges Erlernen praktizieren, d.h. spontan oder mithilfe von Videos / Audiodateien. Dies ist jedoch nicht für alle möglich. Es ist auch zu beachten, dass laut einer von einer Expertengruppe durchgeführten Studie die verfügbaren Audioanwendungen qualitativ unterschiedlich sind und für die meisten keine wissenschaftlichen Beweise für ihre Wirksamkeit vorliegen. Wenn Sie sich unwohl fühlen, unter Angstzuständen leiden oder sich schlechter fühlen als vor der Anwendung eines Hilfsmittels zur Selbsthypnose, empfehlen wir Ihnen, diese Form der Selbstbehandlung zu unterbrechen. Die Beratung durch eine gut ausgebildete Therapeutin bzw. einen gut ausgebildeten Therapeuten kann dabei helfen, einige dieser Schwierigkeiten zu überwinden.

Autorinnen:
Prof. Dr. med. Chantal Berna Renella, Universitätsspital Lausanne
Prof. Dr. med. Claudia Witt, Universitätsspital Zürich
für den Medizinisch-wissenschaftlichen Beirat der Schweiz. MS-Gesellschaft