Forschungsarbeiten untersuchen grundlegende Krankheitsmechanismen

Fachartikel

Die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft unterstützt Forschungsprojekte auf dem Gebiet der MS mit erheblichen Mitteln. So auch eine Arbeit, in der es um das Zusammenspiel zwischen Darmflora und Immunsystem geht. Nicht in allen unterstützten Projekten geht es aber ausschliesslich um MS. Einige Forschende untersuchen auch Erkrankungen, die gewisse Gemeinsamkeiten mit einer MS haben.

Im Zentrum der Untersuchungen von Prof. Caroline Pot und Dr. Solenne Vigne vom Universitätsspital Lausanne steht die Darmflora. Man weiss heute, dass die Zusammensetzung der Darmflora bei verschiedenen Erkrankungen, so auch der Multiplen Sklerose, eine Rolle spielt. In der Darmwand findet sich zudem eine erhebliche Anzahl bestimmter Immunzellen (Th17-Lymphozyten). Sie spielen eine Schlüsselrolle bei der MS, da sie ins zentrale Nervensystem (ZNS) wandern und dort zu Schäden an der Myelin-Schutzschicht der Nervenzellen führen können.

Anhand der experimentellen Autoimmunenzephalitis (EAE), dem Tiermodell der MS, konnten die beiden Forscherinnen nun zeigen, dass in einem sehr frühen Stadium der EAE, in dem noch keine Symptome erkennbar sind, Th17-Lymphozyten die Darmwand durchqueren und zu einer Veränderung der Darmflora führen. Wird die Zusammensetzung der Darmflora durch ein Antibiotikum beeinflusst, verändert sich auch die EAE. Ihr Schweregrad nimmt dadurch ab. Die Darmflora scheint damit einen direkten Einfluss darauf zu haben, wie stark die Th17-Zellen das ZNS angreifen. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, in Zukunft neue therapeutische Ansätze zu entwickeln.

Neben der MS gehören auch die Neuromyelitis-Optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) und die MOG-Antikörper assoziierte Erkrankung (MOGAD, engl. für MOG-antibody associated disorder) zu den entzündlichen Erkrankungen des ZNS, bei denen es durch eine Fehlsteuerung des Immunsystems zu einer Zerstörung des Myelins, der Isolationsschicht der Nervenzellen, kommt. Bei allen drei Erkrankungen stellen Sehstörungen ein häufiges und oft auch das erste Symptom dar. Bisher haben sich kaum Forschungsarbeiten mit den grundlegenden Mechanismen dieser Erkrankungen, ihren Gemeinsamkeiten oder auch Unterschieden befasst.

Mithilfe von Modellsystemen untersuchen PD Dr. Anke Salmen und Jana Remlinger vom Inselspital Bern nun die Veränderungen an Sehnerv und Rückenmark, zu denen es im Laufe der drei Erkrankungen kommt. Während sich die entzündlichen Veränderungen in den frühen Stadien der Erkrankungen noch unterschieden, war dies in den späten Stadien nicht mehr der Fall. Die Forschenden stellten zudem fest, dass jede der drei Erkrankungen bestimmte, aber unterschiedliche Bereiche der untersuchten Strukturen bevorzugt befiel.

Die Gruppe konnte in ihren Untersuchungen auch ein Nachlassen des Sehvermögens beobachten. Veränderungen am Sehnerv, welche diese Beobachtung erklären könnten, wurden bisher jedoch nicht entdeckt. Es werden nun noch weitere, spezifische Untersuchungen durchgeführt, um hier weitere Zusammenhänge und Unterschiede aufzuklären.

Video «Untersuchung von Autoimmunerkrankungen des Zentralen Nervensystems mit dem Fokus auf die Beteiligung des visuellen Systems.»