Erfolgreiche, emotionale Premiere

Am Abend des Welt MS Tages wurde die allererste Folge des neuen Veranstaltungs-Zyklus «Multiple Sklerose für Anfänger» durchgeführt und neu diagnostizierten MS-Betroffenen ein geschützter Raum zum Austausch geboten. Ein Erfahrungsbericht.

Du bist nicht allein

Bekommt eine Person die Diagnose MS gestellt, wird das Selbstverständnis erschüttert, das bisherige Leben auf den Kopf gestellt. Das Bedürfnis zu verstehen was da passiert, wie man wieder Ruhe und Sicherheit findet, ist riesig und die Zukunft macht erst mal nur Angst. Hier hilft es sich Wissen und Erfahrung anzueignen und das geht auch gut im Austausch mit Gleichgesinnten. Zwölf Personen haben sich am 30. Mai ihre persönliche Situation erzählt, haben gespannt zugehört und sind im Gespräch miteinander Fragen nachgegangen: «Wie ist es möglich, dass alles irgendwie auszuhalten?». «Wem soll ich mich anvertrauen - oder soll ich besser nichts sagen?».

Prozesse und Einsichten

Von Kribbeln, Taubheitsgefühl, Fatigue kognitiv und körperlich, Sehstörungen oder Schmerzen berichten die Teilnehmenden an dieser ersten virtuellen Veranstaltung. Manche Symptome sind wieder weg, manche störend geblieben, sind alltagsbeeinflussend und unterschiedlich intensiv. Ebenso unterschiedlich waren Timing und Reaktion der Einzelnen auf die Diagnosestellung: Für die einen war sie ganz frisch, andere hatten schon etwas mehr Zeit, sich mit der neuen Situation auseinander zu setzen. Allen gemeinsam aber war die Erkenntnis, dass das Leben nicht mehr so ist wie vor der Diagnose, ein Stück Vertrauen und Selbstverständnis ist verloren gegangen .  

Eine Teilnehmerin sagt dazu: «Angst hatte ich vor einem Hirntumor, die MS-Diagnose war erst eine Erleichterung, aber jetzt langsam sickert es rein, fordert mich, wie kann ich mit sowas umgehen?!» Viel nicken, ernste Gesichter und ein tiefes Verständnis der Mitbetroffenen ist spürbar. Dieses gemeinsame Erleben und die Sicherheit, dass vertraulich mit dem Gehörten umgegangen wird, schafft Raum für einen intensiven Austausch, für Fragen und fürs persönliche Lernen. Für sich selber kann man erkennen, dass nicht alles Gehörte auch auf einen selbst zutrifft und kann dann dort auch Abstand nehmen. Und: Temporäres Hadern und Angst vor der Zukunft gehören zum Krankheitsbewältigungsprozess dazu.  Soll aber nie ein Dauerzustand werden.

Wer und was helfen kann

Die Teilnehmenden berichteten von guten Erfahrungen mit psychologischer Begleitung, andere erfahren Motivation in der Partnerschaft. Für Singles sind es stattdessen Freunde oder enge Verwandte. Zur emotionalen Unterstützung wird auch die Wichtigkeit von gutem Wissen als Stütze genannt. Fehlt dieses, fällt die Orientierung schwer. «Meine Frau hat mich sehr gestützt, wir haben viel gelesen und dann bewusst entschieden, ich will kämpfen. Mit Routine, viel Schlaf und Bewegung habe ich mir Rahmenbedingungen geschaffen, die mir gut tun». Erfahrungen werden zur MS-Diagnose und dem möglichen «Outing» am Arbeitsplatz geteilt. Wer wurde informiert und was geschah dann? Bei manchen schafft das Klarheit und Verständnis, andere vermeiden es, aus Sorge, dass sie angreifbar werden, oder weil ihnen das Vertrauen fehlt.

Ein Anker im geschützten Raum

Die Protagonisten sind die MS-Betroffenen und sie nehmen Ihre Rollen und Aufgaben wahr. Im Hintergrund ordnet Walther Fahrni, Pflegeberater der MS-Gesellschaft und Moderator der Veranstaltung, Dinge ein, gibt praktische Hinweise und Tipps, zum Beispiel auf individuelle Beratung, Veranstaltungen oder die Community als Ergänzung zum Gesagten.

Gemeinsame Stärke und Empathie 

Diejenigen mit etwas grösserer MS-Erfahrung erzählen von ihrem Erleben und dass es jetzt, einige Monate später schon etwas leichter geht, mit der MS klar zu kommen. Eine Teilnehmerin räumt ein:  «MS hat mich verändert, ich bin weicher geworden und nicht immer die Kämpferin. Ihr berührt mich, ich lasse mich berühren, dafür bin ich dankbar.»

Das und Ähnliches zu hören, das grosse Verständnis zu spüren und der gelebte Respekt sich selber und den anderen gegenüber, macht den Austausch zu etwas Wertvollem für alle Teilnehmenden - und kann ein weiteres Puzzleteil werden, mit der Krankheit MS einen individuellen Umgang zu finden.

Positives Fazit zum Auftakt

Ausgabe eins macht jedenfalls viel Hoffnung, dass auch neu Diagnostizierte der kommenden Treffen diese 90 intensiven Minuten des ehrlichen Austauschs mit guten Erfahrungen und Gefühlen verlassen.

Die Schweiz. MS-Gesellschaft bietet diese Veranstaltung immer am letzten Montag eines  Monats, von 17:30 Uhr bis 19 Uhr, an.  Ab Juli 2022 sind noch Plätze frei:

Info & Anmeldung