Ein Lob auf faule Sprüche

Patricia Götti Zollinger ist Kolumnistin in unserem Magazin FORTE. Viermal jährlich schreibt die Bernerin mit viel Humor und ohne Tabus über Alltägliches und Aussergewöhnliches aus ihrem Leben mit MS.

«Siehst du, genau deswegen nehme ich lieber jeweils meinen Stuhl gleich selbst mit», sage ich zu meinem Bekannten, der mich ans Fussballturnier unserer Buben begleitet und überrascht ist, dass es nur ganz wenige Sitzgelegenheiten vor Ort hat. Klar, wir befinden uns ja auch in den Tiefen des Regionalfussballs im Bernbiet beim FC Sternenberg auf dem Schlatt in Gasel.

Der Bekannte jedenfalls, der schaut mich komplett verblüfft an. Dann wechselt sein Blick langsam zu zaghafter Erkenntnis darin, dass er lächeln darf. Aber man sieht es deutlich: Er fühlt sich nicht ganz wohl dabei. Ja, geradezu entgeistert ist er darob, dass seine Begleiterin einen Witz macht. Die ist nämlich an den Rollstuhl gefesselt. Und müsste doch ihrem Schicksal in die Augen sehen. Und sich ihrem Zustand angemessen verhalten. Irgendwie traurig und ernsthaft. Würdig eben. Und sicher nicht faule Sprüche klopfen.

Wie so vielen gesunden Menschen ist auch ihm eines nicht bewusst: Sprüche zu klopfen ist eine Überlebensstrategie. Nichts Geringeres. Für mich jedenfalls. Lachen ist ungemein befreiend und konstruktiv. Es führt zu nichts, das Leben im Rollstuhl als Trauerkloss zu fristen und sich den Gedanken an alle die schönen Dinge hinzugeben, die man nicht tun kann. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Und übrigens ist es genauso wenig zielführend, unentwegt auf ein Exploit in der Forschung zu hoffen und dabei zu vergessen, dass soeben, im Hier und Jetzt, ein wichtiger Ball im Tor versenkt worden ist.