Christa de Carouge: «Mein Stil ist Kunst am Körper»

Die Schweizer Modedesignerin Christa de Carouge ist gestorben. Sie war bekannt für ihre schwarzen, voluminösen Kreationen. Mit 81 Jahren war sie noch immer in der Modewelt aktiv. Im Interview mit der MS-Gesellschaft teilte sie erst kürzlich ihre Gedanken zu Mode, Ästhetik und Zukunftsplänen.

Ihr bürgerlicher Name lautet Christa Furrer, wieso haben Sie Ihren Nachnamen geändert?
Mein Nachname wurde im Französischen «Führer» ausgesprochen, dieses Wort hatte natürlich einen schlechten Ruf. Als ich 1978 in Carouge bei Genf mein Label gegründet und meinen ersten Laden eröffnet habe, suchte ich einen Künstlernamen und fand de Carouge schön und sinnvoll. Und als ich den Bürgermeister gefragt habe, hat er lachend zugestimmt.

Sie werden «La Dame en noir» genannt, welchen Übernamen würden Sie sich selber geben?
Genau den gleichen. Ich sehe mich selbst in keiner anderen Farbe, denn erstens ist Schwarz meine Lieblingsfarbe und zweitens hat sie etwas Schützendes. Ich gehe morgens aus dem Haus und komme nachts zurück und trage immer dasselbe. Ich habe zum Beispiel auch keine Sonntags- oder Bergsteigkleider.

Was ist für Sie das Faszinierende an der Farbe Schwarz?
Ich mag Schatten sehr gerne. Lieber bin ich an dunklen Orten, als an hellen. Dunkelheit wirkt auf mich beruhigend und schützend. Ich liebe dichte Wälder oder Höhlen – ich wäre ein guter Höhlenbewohner gewesen. Nun bewohne ich aber meine Kleider, sie sind mein Haus. Daher kommt wohl auch mein architektonischer Stil.

Wie würden Sie diesen Stil beschreiben?
Mein Stil ist Kunst am Körper. Kleidung ist für mich eine Behausung, ich brauche Raum darin und muss mich bewegen können. Ich habe enge Kleidung nie gemocht  und auch nie Sommerkleider getragen – lieber habe ich geschwitzt. Meine Kleider sollen lange Zeit tragbar sein: Je länger man sie hat, desto lieber bekommt man sie.

Was würden Sie jungen Modeschöpferinnen und -schöpfern raten, die erfolgreich sein möchten?
Am besten ist es, wenn man viel arbeitet  und immer dran bleibt. Man muss an sich glauben und das ausschöpfen, was man hat. Ausserdem ist es wichtig, dass man selbständig denkt, damit man einen eigenen Stil findet. Mir fehlt zum Teil auch das Experimentelle, auch an den Kunstschulen. Man sollte experimentieren, egal womit man arbeiten möchte.

Legen Sie auch privat viel Wert auf Ästhetik?
Selbstverständlich. Ich war auf der Kunstgewerbeschule, deshalb bin ich quasi so erzogen. Ästhetik scheint mir etwas Wichtiges. Doch was ist schön? Ich finde, jeder Mensch und jedes Ding ist schön, auf seine Art. Zuhause finde ich meine Räume schön, mir gefällt ihre Schlichtheit, ihre Fabrikartigkeit. Im Herbst mache ich eine Ausstellung und dafür nutze ich im Moment meine Räume. Ich muss mit der Installation zusammenleben, bis sie mir gefällt.

Welche Zeit in Ihrem Leben würden Sie als Ihre beste beschreiben?
Immer die, in der ich gerade bin. jede Zeit war schön und wird auch in Zukunft schön sein.

Was möchten Sie noch erleben?
Eine friedliche Zeit möchte ich erleben – in jeder Beziehung. Mit 81 bin ich nicht mehr die Schnellste, aber werde sehr überlegt und ich gebe gerne meine Erfahrung weiter. Meine Arbeit geht jetzt auch mehr in Richtung Kunst. Das ist etwas, das man bis zum Lebensende machen kann.

Sind unter Ihren Kundinnen MS-Betroffene oder Menschen mit Behinderungen?
Ich hatte damals in Carouge eine Kundin, die war gesund. Eines Tages kam sie in den Laden und erzählte mir, sie habe MS. Nach fünf Jahren sass sie bereits im Rollstuhl und musste ins Heim. Das war erschreckend. Eine andere Frau war jahrelang meine Kundin, sie kam immer zu mir, um sich Oberteile machen zu lassen. Obwohl sie ohne Arme und Beine geboren wurde, war sie eine sehr aufgestellte Frau.