Bestimmte Botenstoffe im Nervenwasser können die Krankheitsaktivität voraussagen

Fachartikel

Die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft unterstützt die Forschung im Bereich MS mit erheblichen Mitteln. Darunter ist auch ein Projekt, das die Krankheitsaktivität voraussagen möchte, indem bestimmte Biomarker im Nervenwasser untersucht werden.

Unser Projekt

IgM (Immunglobulin M) ist die Bezeichnung für eine Unterklasse von Antikörpern (Abwehrstoffen) des Immunsystems. Diese werden bei einem Teil der MS-Betroffenen im zentralen Nervensystem kontinuierlich gebildet und sind im Nervenwasser messbar, man spricht von einer IgM-Antikörpersynthese. Diese sagt eine höhere Krankheitsaktivität und Schwere bei der MS voraus. Die Botenstoffe CXCL-13, CXCL-9 und IL-12b sind in den Krankheitsmechanismus der MS eingebunden, vor allem durch Regulation und Aktivierung von Immunzellen wie B- und T-Lymphozyten.

Wir wollten jetzt untersuchen, ob die Höhe der Konzentrationen dieser Botenstoffe mit einer IgM-Antikörpersynthese im Nervenwasser zusammenhängen und ausserdem ebenso MS-Krankheitsaktivität vorhersagen können. Wir haben dazu die Konzentrationen im Nervenwasser von 249 MS-Betroffenen in verschiedenen Krankheitsstadien gemessen, deren Krankheitsverläufe in der Schweizerischen MS-Kohortenstudie verfolgt werden:

  • 121 Personen mit klinisch isoliertem Syndrom (CIS)
  • 92 Personen mit schubförmig-remittierender MS
  • 23 Personen mit sekundär-progredienter MS
  • 14 Personen mit primär-progredienter MS

Die CIS/MS-Betroffenen wurden entsprechend ihrer speziellen Antikörpersynthese im Nervenwasser nach dem Vorhandensein von sogenannten oligoklonalen IgG-Banden (OCGB), intrathekaler IgG- und IgM-Synthese klassifiziert.

Wir haben statistisch untersucht, ob die Konzentrationen der Botenstoffe CXCL-13, CXCL-9 und IL-12b mit einer IgG- und IgM–Synthese verknüpft sind. Darüber hinaus haben wir bei 92 CIS-Betroffenen untersucht, ob die Zeit vom ersten zum zweiten Schubereignis (als Mass für die MS-Krankheitsaktivität) von der Höhe der Botenstoffkonzentrationen im Nervenwasser abhängt.

Die Level des Botenstoffs CXCL-9 waren 2.5-fach erhöht bei Betroffenen mit einer neben oligoklonalen IgG-Banden zusätzlich quantifizierbaren IgG-Synthese und 4.4-fach bei Betroffenen mit zusätzlicher IgM-Synthese im Vergleich zu solchen ohne jegliche Antikörperproduktion.

Die Level des Botenstoffs CXCL-13 waren 3.4-fach bzw. 7.9-fach erhöht, und die Level des Botenstoffs IL-12b-Level waren 2.6-fach bzw. 4.4-fach erhöht.

Pro Verdopplung der Botenstoff-Konzentration steigt das Risiko, dass es bei Betroffenen nach einem ersten zu einem zweiten Schubereignis kommt um 20% für den Botenstoff CXCL-13, um 27% für CXCL-9 und 33% für IL-12b. Die Konzentrationen im Nervenwasser von CXCL-13, CXCL-9 und IL-12b sind erhöht bei Betroffenen mit IgG-Synthese und besonders bei solchen mit zusätzlicher IgM-Synthese. Höhere Botenstoff-Level sagen eine höhere Krankheitsaktivität voraus.

Unsere Ergebnisse unterstützen das Konzept, dass bei der Multiplen Sklerose IgM, CXCL-13, CXCL-9 und IL-12b miteinander verbundene Teile eines Krankheitsmechanismus sind, welche allesamt mit einer höheren Krankheitsaktivität einhergehen. Diese Botenstoffe könnten in Zukunft als zusätzliche Biomarker bei der MS interessant werden und wir lernen wichtige Zusammenhänge über den Krankheitsmechanismus bei der MS.

Unsere Motivation

Unsere Patienten möchten gerne schon bei der Diagnosestellung wissen, wie «ihre» MS verlaufen wird. Es ist wichtig, dass man genau erforscht, welche Biomarker Krankheitsaktivität und Krankheitsschwere bei MS vorhersagen und ob und wie diese miteinander im Zusammenhang stehen. Unser Ziel ist es, dass MS-Betroffene in Zukunft früher individueller und personalisierter behandelt werden können.

Studienteam

Dr. Johanna Oechtering, Prof. Jens Kuhle, Team der Schweizer MS-Kohorte

Universitätsspital Basel

Video: Bestimmte Botenstoffe im Nervenwasser können die Krankheitsaktivität voraussagen