Schlucken, Sprechen und Sprache bei MS – Herausforderungen und Lösungen
Fachartikel
In diesem Workshop des MS State of the Art Symposium standen Schwierigkeiten beim Schlucken, Sprechen und der Sprache im Mittelpunkt, die bei Menschen mit MS auftreten können. Die Logopädin Bettina Arca-Tschudi zeigte auf, wie diese Probleme entstehen und welche Therapiemöglichkeiten es gibt.
Bettina Arca-Tschudi (Rehaklinik Zihlschlacht und Private Universität Liechtenstein, Triesen) verdeutlichte einleitend den Unterschied zwischen Sprache und Sprechen. «Sprache umfasst Wörter, Grammatik und ihre Bedeutung. Sie dient der Kommunikation – sei es mündlich, schriftlich oder in Form von Gebärdensprache.» Sprechen dagegen beschreibt den physischen Akt des Erzeugens von Wörtern und einzelnen Lauten. Dazu braucht es die Bewegung von Zunge, Lippen und Stimmbändern. «Vereinfacht können wir sagen, dass Sprache im Gehirn produziert wird und Sprechen durch Muskeln», meinte sie.
Einfluss von MS auf die Sprache
Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Beeinträchtigungen der Sprache bei Menschen mit MS zwar möglich sind, aber nicht sehr häufig vorkommen. Sollten Sprachschwierigkeiten bestehen, werden oft gleichzeitig Probleme mit der geistigen Leistungsfähigkeit, zum Beispiel mit gewissen Gedächtnisfunktionen, beobachtet. Dadurch können Menschen mit MS Schwierigkeiten haben, Sätze zu verstehen oder sich etwas zu merken, sobald die Sätze komplexer werden.
Ein erster Schritt in der Therapie ist die Festlegung eines individuellen Ziels. Neben gezieltem Training, etwa zur Verbesserung der Wortflüssigkeit oder der geistigen Leistungsfähigkeit, helfen auch praktische Strategien: Zum Beispiel können Gespräche in kürzeren Sätzen oder eine ruhigere Umgebung die Verständigung erleichtern.
Probleme mit dem Sprechen
Schäden an Nerven, die die für das Sprechen notwendigen Muskeln steuern, können zu Sprechstörungen (Dysarthrie) führen. «Eine Dysarthrie ist bei MS ein ziemlich häufiges Problem», sagt die Logopädin. Die Stimme kann schwächer, zittriger oder monotoner werden. Auch die Atmung und Artikulation (das deutliche Aussprechen von Wörtern) sowie die Sprachmelodie können betroffen sein.
In der Behandlung von Sprechstörungen kommen Atem- und Stimmübungen zum Einsatz, um die Stimme kräftiger zu machen. Auch wird ein langsameres und bewusstes Sprechen geübt. Gruppentherapien können hier besonders hilfreich sein, da sie dabei helfen, wieder mehr Selbstvertrauen beim Sprechen zu gewinnen.
Schluckstörungen: oft unbemerkt
Mehr als 40 % der Menschen mit MS haben irgendwann Probleme beim Schlucken. Oft passiert das schleichend, sodass es lange nicht auffällt. «Studien aus Deutschland zeigen denn auch, dass nur rund 30% der Betroffenen tatsächlich eine Therapie erhalten», berichtete Bettina Arca-Tschudi.
Anzeichen von Schluckstörungen sind Probleme beim Kauen und Schlucken gewisser Nahrungsmittel, häufiges Verschlucken oder Husten beim Essen und Trinken, eine veränderte Stimme, sehr lange Essenszeiten oder unerklärlicher Gewichtsverlust und schliesslich auch wiederkehrende Lungenentzündungen, weil Nahrung in die Atemwege gelangt. «Diese Symptome können dazu führen, dass Betroffene gemeinsame Mahlzeiten meiden und sich zunehmend zurückziehen», ergänzte sie.
Zur Diagnose von Schluckstörungen können spezielle Fragebögen sowie eine endoskopische Untersuchung eingesetzt werden. Die Referentin wies aber darauf hin, dass Betroffene oft nicht gerne zugeben, an Schluckstörungen zu leiden. «Sie haben Angst, dann zu püriertem Essen «verurteilt» zu werden. Dabei gibt es zwischen normaler und pürierter Kost sehr viele Zwischenstufen, die die Lebensqualität nicht einschränken, sondern sogar erhöhen können», betonte sie.
Neben einer Anpassung der Nahrung existieren weitere Optionen, mit denen Schluckstörungen behandelt werden können. Dazu gehört ein gezieltes Schlucktraining, um die am Schlucken beteiligten Muskeln zu stärken. Kommt es häufig zum Verschlucken und ist die Hustenreizschwelle erhöht, kann der Husten gezielt stimuliert werden. Dafür wird Capsaicin, ein Inhaltsstoff der Chilischoten, eingesetzt.
Abschliessend meinte Bettina Arca-Tschudi: «Sprach-, Sprech- oder Schluckstörungen bei Menschen mit MS werden oft erst spät erkannt. Eine gezielte Diagnostik, gefolgt von einer entsprechenden Therapie, kann aber dabei helfen, besser damit umzugehen und das Leben etwas leichter zu machen.»
«MS State of the Art Symposium»
Das «MS State of the Art Symposium» ist der bedeutendste Fachkongress zum Thema Multiple Sklerose in der Schweiz und wird von der Schweiz. MS-Gesellschaft und ihrem Medizinisch-wissenschaftlichen Beirat organisiert. 2025 fand das Symposium am 25. Januar im KKL Luzern statt.