Parlament heisst Überwachung von IV-Beziehenden gut

Neues aus der Politik

Die «gesetzliche Grundlage zur Überwachung von Versicherten», die heute der Nationalrat beschlossen hat, stellt Versicherte unter Generalverdacht. Wenn der Ständerat nicht korrigiert, wird Behördenwillkür ermöglicht und die Privatsphäre der Versicherten wird in unzulässiger Weise verletzt. 

Personen, die Sozialversicherungsleistungen beziehen, haben häufig harte Schicksalsschläge zu verkraften – etwa MS-Betroffene, die sich mit einer chronischen, unvorhersehbaren Erkrankung konfrontiert sehen. Finanziell finden sie, und insbesondere IV-Bezügerinnen und -Bezüger, nur knapp ein Auskommen. Zusätzlich stehen sie unter dem Generalverdacht, die Leistungen unrechtmässig zu beziehen. Doch statt dem Generalverdacht entgegenzuwirken und seiner rechtsstaatlichen Verantwortung nachzukommen, will der Nationalrat Behördenwillkür erlauben und Missbrauch mit Missbrauch bekämpfen.

  • Eine Sachbearbeiterin oder ein Sachbearbeiter sollen Bild- und Tonüberwachungen anordnen dürfen, die unter Umständen rein wirtschaftliche Interessen der Versicherung verfolgen. Nur für den Einsatz von GPS-Trackern soll eine richterliche Genehmigung nötig sein.
  • Laut dem Gesetzesvorschlag soll es möglich sein, rechtschaffene Bürgerinnen und Bürger bis zu 1 Jahr lang zu überwachen und damit ihre Privatsphäre zu verletzen. Die von beiden Räten beschlossene lange Dauer von Observationen findet die MS-Gesellschaft unverhältnismässig.
  • Observationen werden von Privatdetektiven getätigt. Deren Methoden und Vorgehensweisen werden nicht beaufsichtigt.
  • Sowohl die Detektivin als auch die Versicherung verschreiben sich nicht einer vorurteilslosen und objektiven Überwachung, sondern verfolgen wirtschaftliche Interessen.

Observationen sollen möglich sein

Die MS-Gesellschaft befürwortet die Möglichkeit, mutmassliche Versicherungsbetrügerinnen und -betrüger zu überwachen. Dabei muss jedoch die Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden. Observationen müssen von einem Richter angeordnet werden, und auf den Einsatz von GPS-Trackern ist zu verzichten. Es darf nicht sein, dass nur Personen vor dem Gesetz gleich sind, die ihren Lebensunterhalt selber bestreiten können.

Die Vorlage ist nötig geworden, weil der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) die Schweiz tadelte: Sie verfügt über keine gesetzliche Grundlage, um Observationen durchzuführen. Wird nun der nationalrätliche Vorschlag angenommen, ist die Gefahr gross, dass er einer erneuten Prüfung durch den EGMR ebenfalls nicht standhalten wird.

>> Mehr News aus der Politik