Menschen mit MS brauchen spezialisierte Physiotherapie

Fachartikel

Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Betreuung von Menschen mit MS. In einem Workshop am MS State of the Art-Symposium zeigten Mitglieder der Fachgruppe «Physiotherapie bei Multipler Sklerose (FPMS)» auf, was es bei der physiotherapeutischen Betreuung von Menschen mit MS zu beachten gilt und wie moderne Technologien die Therapie sinnvoll ergänzen können.

Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil des Managements einer MS. Die Physiotherapeutin Regula Steinlin Egli, Basel, die schon seit vielen Jahren Menschen mit MS betreut, erklärte zu Beginn des Workshops, dass es in der Schweiz seit 2002 die Fachgruppe «Physiotherapie bei Multipler Sklerose (FPMS)» gibt. Die Gruppe hat mittlerweile 130 Mitglieder. Ihr Ziel ist es, die Qualität der physiotherapeutischen Betreuung von MS-Betroffenen zu verbessern, indem sie unter anderem spezifische Weiterbildungen anbietet.

Unter FPMS kann eine Liste der Physiotherapeutinnen und -therapeuten aufgerufen werden, die sich auf die Behandlung von Menschen mit MS spezialisiert haben.

MS-Betroffene brauchen spezialisierte Physiotherapie

Die Referentin betonte, wie wichtig es sei, dass Menschen mit MS von einer entsprechend spezialisierten Therapeutin betreut werden. «MS ist eine sehr komplexe Erkrankung. Die Betreuung von Menschen mit MS braucht daher spezifisches Wissen», sagte sie.

Am Beispiel der Erfassung der Muskelfunktion mithilfe des manuellen Muskeltests (MMT) verdeutlichte sie, dass der Test bei Menschen mit MS nicht wie üblich durchgeführt werden kann. «Eine MS-bedingte Spastizität kann das Resultat des Tests verfälschen. Das muss berücksichtigt werden» sagte Regula Steinlin Egli. Daher hat sie in Zusammenarbeit mit der FPMS einen speziellen Muskeltest, den mMMT, entwickelt, der bei Menschen mit MS verwendet werden sollte. Sie betonte, dass die Zuverlässigkeit des modifizierten Tests wissenschaftlich überprüft wurde. (R. Steinlin Egli: Modifizierte Muskelfunktionsprüfung bei Multipler Sklerose, Springer 2024)

Virtuelle Realität in der MS-Therapie

Neben klassischen physiotherapeutischen Ansätzen rücken auch digitale Technologien zunehmend in den Fokus der MS-Therapie. Marion Huser, Physiotherapeutin in Zürich, berichtete beim Workshop darüber, wie sie im Rahmen ihrer Masterarbeit den Einsatz von virtueller Realität (VR) im Tele-Rehabilitationstraining der oberen Gliedmassen bei einer MS Betroffenen untersucht hat.

Das von Marion Huser und Kollegen verwendete System bestand aus einer VR-Brille und einer entsprechenden Software. Im Rahmen von ambulanten Therapien machte sie eine 60-jährige Frau mit sekundär progredienter MS mit dem System vertraut. Das System bietet sieben verschiedene Spiele an, unter denen die Studienteilnehmerin wählen konnte. «Eines dieser Spiele besteht beispielsweise darin, alle auf einer virtuellen Einkaufsliste aufgeführten Waren aus einem Regal zu nehmen und in einen Einkaufswagen zu legen», erläuterte Marion Huser. Zuhause sollte das virtuelle Training – nach einer Eingewöhnungsphase von einer Woche – während vier Wochen regelmässig durchgeführt werden (bestenfalls mindestens zwei Mal pro Woche für je 20 bis 60 Minuten).

«Die Analyse bestätigte die hohe Motivation der Probandin – sie nutzte das System an 28 von 30 Tagen je ca. 40 Minuten», so die Referentin. Das Training bewirkte dabei eine Verbesserung der grobmotorischen Fähigkeiten der Hände. Die Griffstärke und die feinmotorische Kontrolle veränderten sich dagegen nicht.

«Während die motorische Fatigue unverändert geblieben ist, mussten wir feststellen, dass die kognitive Fatigue während der Trainingsphase zugenommen hat», sagte Marion Huser und meinte: «VR-Telereha ist eine vielversprechende und sichere Ergänzung zur MS-Therapie. Das Training muss individuell angepasst und sorgfältig überwacht werden, um einer allfälligen Überlastung entgegenzuwirken.»

App unterstützt tägliches Training

Nanco van der Maas (MS-Therapeut) stellte im letzten Teil des Workshops die «MS Active App» vor. Diese wurde von der FPMS speziell für MS-Betroffene entwickelt und soll ihnen dabei helfen, regelmässig körperlich aktiv zu sein.

Die App bietet verschiedene vorgefertigte Übungsprogramme sowie drei Videos mit Entspannungsübungen. Daneben können Therapeutinnen und Therapeuten eigene, auf die individuelle Situation des App-Anwenders zugeschnittene Übungsvideos in der App erstellen und in das tägliche Übungsprogramm oder in das Trainingsprogramm für Kraft und Ausdauer integrieren.

Die MS Active App bietet weiter eine Tagebuch-Funktion, um Symptome wie Ermüdung, Spastizität oder Schmerzen chronologisch zu dokumentieren. Alle Daten werden nur lokal auf dem Gerät der App-Nutzerin oder des App-Nutzers gespeichert, um einen hohen Persönlichkeitsschutz zu gewährleisten.

Laut Nanco van der Maas wurde die kostenlose App bereits über 5‘500 Mal heruntergeladen. Sie wird vor allem in der Schweiz, aber auch in Deutschland, Italien, Österreich und Frankreich genutzt.

«MS State of the Art Symposium»

Das «MS State of the Art Symposium» ist der bedeutendste Fachkongress zum Thema Multiple Sklerose in der Schweiz und wird von der Schweiz. MS-Gesellschaft und ihrem Medizinisch-wissenschaftlichen Beirat organisiert. 2025 fand das Symposium am 25. Januar im KKL Luzern statt.

MS State of the Art Symposium 2025