Gesichter der MS 2025: Marina Bearth

Gesichter der MS

Mein Name ist Marina Bearth, ich bin 29 Jahre alt und mein Leben besteht aus viel Musik und Lebensfreude. Ich habe einen Freund und wohne mit ihm zusammen. Kinder habe ich noch keine, dafür bin ich stolze Patentante von 3 tollen Mädels. Musik ist etwas, was mich bereits seit klein auf begleitet hat und aus dem ich viel Energie tanke.

Powernaps gehören für mich wie das Zähneputzen zum Alltag dazu. Ich bin 6 Jahre Primarlehrperson gewesen und befinde mich jetzt im Masterstudium zur angehenden schulischen Heilpädagogin. In meiner Freizeit geniesse ich Zeit mit meinen Liebsten, ich lese gerne, mache Musik und verbringe im Sommer die Zeit gerne in den Bergen.

In welchem Alter hast du die Diagnose MS erhalten? War die Diagnose eindeutig oder gab es vorher andere Vermutungen?
Ich war gerade 24 Jahre alt geworden, als ich meinen ersten Schub hatte. Die endgültige Diagnose war dann aber noch ein langer Weg, mit einigen Stopps im MRI und bei Neurotests. Vorher war ich einfach viel müde und hatte des Öfteren eine Blasenentzündung.

Was waren deine ersten Gedanken direkt nach der Diagnose?
Es hat eine Weile gebraucht, bis ich es realisieren konnte. Anfangs habe ich, darauf angesprochen, auch immer sehr emotional reagiert. Aber nach einigen Wochen wusste ich, dass ich auch bei meinem Neurologen gut aufgehoben bin, und habe mich mit der Diagnose auseinandergesetzt.

Was waren deine ersten MS-Symptome? Welche bestimmen deinen Alltag heute? Hast du unsichtbare Symptome, die schwer zu erklären sind?
Ich habe über Nacht mein Gefühl im rechten Arm verloren, es war eine Art Taubheit, wie man sie hat, wenn man unbequem einschläft und der Arm prickelt. Einige Tage später fühlte sich ein Regentag an, als würde man mir ein Messer in den Arm rammen. Die Taubheit ging langsam zurück, geblieben ist ein leichtes Taubheitsgefühl an Daumen und Zeigefinger, mit dem ich mich aber abgefunden habe. Oftmals bin ich müde und muss mir meine Kraft gut einteilen. Schlafen gehört immer noch zu einer meiner Lieblingstätigkeiten.

Welche Behandlungen kommen bei dir «zum Einsatz»?
Zurzeit nehme ich täglich meine Medikamente, sie scheinen bis heute gut zu funktionieren – Nebenwirkungen spüre ich zum Glück keine. Ansonsten achte ich auf eine vitaminreiche Ernährung und nehme mir immer wieder vor, mich zu bewegen oder in Bewegung zu bleiben.

War für dich von Anfang an klar, dass du offen mit deiner Diagnose umgehen möchtest? Welche Bedenken hattest du vielleicht, privat oder im beruflichen Bereich?
Anfangs war ich vor allem im beruflichen Umfeld unsicher, wie ich die Diagnose mitteilen sollte. Ich war immer sehr aufgestellt und energiegeladen, und jetzt fühlte es sich anders an. Auch wollte ich kein Mitleid oder Ähnliches erfahren, weil ich mir auch heute immer wieder vorstelle, dass es Personen gibt, welche es um einiges schwieriger haben als ich. Aber durch die Offenheit kann man Menschen auch dafür sensibilisieren, dass nicht alle Krankheiten sichtbar sind und dass dies nicht heisst, solche weniger ernst zu nehmen.

Wenn du dich an jeden beliebigen Ort auf der Welt wünschen könntest. Wo wäre das und was würdest du dort unbedingt tun wollen?
Ich würde entweder gerne auf meinem Maiensäss Pilze sammeln oder in Afrika mit den Kindern Unihockey spielen (war dort letztes Jahr und gehe wieder hin, in eine soziale Organisation).

Um schwierige Phasen zu meistern? Was hilft dir? Was spornt dich an? Gibt es ein alltägliches Ritual oder einen «Geheimtipp», der dir besonders hilft, wenn dich die MS körperlich und mental hart fordert?
Wie gesagt, hilft mir ein kleiner Powernap nach der Schulzeit, um meine Batterien aufzuladen und mich wieder auf die Aufgaben des Alltags einzulassen. Ansonsten denke ich, sollte man das tun, was einen glücklich macht: Spazieren gehen, lesen, etwas Gutes kochen, sich mit jemandem treffen. Mir persönlich hilft es meistens, eine halbe Stunde singend am Klavier zu verbringen oder mich mit einem guten Buch aufs Sofa zu legen.

Gibt es Menschen, die dich besonders unterstützen? Gab es Menschen, die sich nach der Diagnose von dir abgewendet haben?
Vor allem meine Familie und Freunde. Auch heute nehmen sie immer wieder Rücksicht oder zeigen Verständnis, wenn ich mal nicht genügend Energie habe, und sie erinnern mich immer auch, Pausen zu machen und «einen Gang runterzuschalten».

In welchen Situationen fällt es dir schwer, deine Grenzen zu akzeptieren, und wie versuchst du, damit umzugehen?
Für meine Pausenplanung brauche ich manchmal einen Ruck, damit ich mich nicht überanstrenge. Ein Gedanke, welcher immer wieder in meinem Kopf herumschwirrt, ist die zukünftige Familienplanung. Momentan ist dieses Thema bei mir noch weit weg, aber ich weiss, dass ich mit meinen Medikamenten momentan nicht Mutter werden könnte. Ob dann alles klappt, falls der Wunsch da wäre, darüber mache ich mir mal mehr, mal weniger Gedanken.

Wenn du einen Film über dein Leben drehen würdest: Welches Genre wäre es (Komödie, Drama, Thriller, Doku?)  Gäbe es eine Schlüsselszene, um deine MS-Erfahrungen darzustellen?
Ich glaube, es wäre eine gute Mischung aus einer Biografie und einer Komödie - ich mag es lustig. Eine Szene wäre in einem Kleidergeschäft, in welchem ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, jemand würde mich am Arm berühren. Dabei war mein Taubheitsgefühl so komisch und die Berührungen kamen einfach von Kleidern, welche an der Kleiderstange hingen.

Hast du einen Plan für dein weiteres Leben? Oder lässt du alles auf dich zukommen und entscheidest dann situativ?
Carpe diem - nutze den Tag und sammle so viele Erfahrungen und Erinnerungen wie möglich. Ich möchte reisen, Freundschaften pflegen und weiterhin das Leben geniessen.

Welchen Rat würdest du einem Menschen geben, der gerade neu mit MS konfrontiert ist (und sich möglicherweise verloren fühlt)?
Bleib weg von unseriösen Internetseiten, suche dir einen Neurologen, welcher dich als Mensch versteht, und nutze die Hilfe oder Erfahrungen anderer Personen mit MS - aber hänge dich nicht nur daran. Schlussendlich ist jede MS verschieden, höre auf dich selbst.

Du, deine MS und Mobilität. Wenn du unterwegs bist – mit Bahn, Bus, Auto, zu Fuss, im Flieger – läuft alles rund?
Es läuft alles rund, kann mich nicht beschweren.

Wenn du deine MS als Lebewesen beschreiben müsstest: Welche 3 hauptsächlichen Charaktereigenschaften würde dieses Wesen besitzen?
Müde, überraschend, geduldig.

Was kannst du der MS Positives abgewinnen?
Entschleunigung, mehr Achtsamkeit mir gegenüber, Dankbarkeit für alles, was geht.

Gab es einen Schlüsselmoment, in dem du erkannt hast, dass du stärker bist, als du jemals dachtest?
Nicht unbedingt.

Welche 3 Eigenschaften magst du an dir? Welche 3 «nerven» eher?
Ich mag meine Offenheit, meine Kreativität, meine Fähigkeit, andere zum Lachen zu bringen. Ich mag es eher nicht, dass ich manchmal unordentlich bin (Haushalt), manchmal auch ein wenig (bewegungs)faul und manchmal zu perfektionistisch.

Was ist deine grösste Leidenschaft? Ein Traum, den du dir erfüllen möchtest?
Musik. In einem grossen internationalen Chor mitzusingen, wäre «Bombe». Oder eigene Musik zu machen. Reisen, viele neue Länder noch sehen.

Frühling, Sommer, Herbst, Winter. Welche Jahreszeit ist dein Favorit und warum?
Frühling: Alles erwacht aus der Winterstarre, es wird heller, freundlicher, farbiger.

Was macht dir in Bezug auf die MS Angst? Was gibt dir Hoffnung?
Angst? Gedanken in Hinblick auf Familienplanung. Hoffnung gibt mir die fortgeschrittene Methodik der Medikamente und das wachsende Know-how über diese Erkrankung.

Wie oder wo tauschst du dich aus? Welche Communitys helfen dir bei Fragen? Zum Beispiel auf social media-Plattformen, in Regionalgruppen, etc.?
Es gibt Regionalgruppen in der Nähe, welche ich aber nur manchmal besuche, dies aber aus zeitlichen Gründen. Ansonsten gefällt mir euer Forum sehr gut. Fragen stelle ich aber direkt an meinen Neurologen.

Hast du Erwartungen an die Gesellschaft im Umgang mit Menschen, die eine chronische Erkrankung haben? Was muss sich deiner Meinung nach noch ändern? Was würdest du dir wünschen?
Mehr Offenheit gegenüber solchen Themen, evtl. auch mehr Informationen in Richtung Aussenwelt, damit die Vielfalt sichtbar wird.

Danke, dass du ein «Gesicht der MS» geworden bist. Was hat dich motiviert?
Ich finde es interessant, viele verschiedene Gesichter zu sehen - und dies von Jung bis Alt.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft? Nimmst du Beratung, Angebote oder Dienstleistungen in Anspruch? Was könnte die MS-Gesellschaft besser machen (Beratung, Betreuung, Infos)?
Nach meinem Empfinden macht die MS-Gesellschaft das gut.

 


Immer gesucht: Neue Gesichter der MS

  •  Du liest und magst unsere Portrait-Serie «Gesichter der MS»? 
  •  Du und deine MS, ihr habt eure ganz eigene Geschichte? 
  •  Du möchtest sie erzählen, um anderen Mut zu machen? Und 
  •  Du willst ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind? 

Dann schreib uns eine Mail mit dem Betreff «Gesichter der MS» an: redaktion@multiplesklerose.ch
und wir schicken dir zum Kennenlernen ganz unverbindlich den jeweils aktuellen Portrait-Fragebogen zu. Du kannst dann in aller Ruhe überlegen, ob du mitmachen möchtest.

Liebe Grüsse, deine Redaktion

P.S. Du magst/kannst nicht mitmachen, kennst aber jemanden, der gerne dabei wäre? Dann erzähl’ es einfach weiter…