Gesichter der MS 2024: Sarah Bacher

Gesichter der MS

Ich bin 37 Jahre alt. Ich bin am Bodensee aufgewachsen und bin noch immer hier zuhause. Seit rund elf Jahren bin ich superglücklich in einer Beziehung und davon seit sieben Jahren verheiratet. Ich arbeite als Kundenberaterin für Einbauküchen und absolviere zurzeit eine Ausbildung zur betrieblichen Mentorin mit eidg. FA/Coach.

Wann bekamst du die Diagnose MS? Welche Verlaufsform «hast du»? Welche Symptome belasten dich am meisten?
Seit April 2023. Mich belasten die Nervenschmerzen sowie die Fatigue sehr. Ich habe noch immer grosse Mühe mit dem Energiemanagement. 

Welche Schlagzeile würdest du 2024 gerne über dich lesen?
Frau, 37, braucht keinen Schlaf mehr und ist immer fit. 

Wenn du dir eine «Superkraft» aussuchen dürftest, welche wäre das und warum?
Natürlich Heilerin. Um all die leidenden Menschen zu heilen. Egal ob eine physische oder psychische Erkrankung vorliegt. 

Wenn du deiner MS ein Tattoo widmest? Welches Motiv? Welcher Text? Wo am Körper?
Ein Elefant. Auf der rechten Körperhälfte. Vermutlich am Arm. 

Was macht dir Stress und wie drückt sich der Stress bei dir aus? Was tust du dagegen?
Genau das Thema meiner Diplomarbeit. Ich bin schlecht gelaunt, esse kaum und wenn, dann Süssigkeiten und ich weine viel. Ich versuche offen darüber zu sprechen, was mich stresst. Ich schreibe meine Sorgen in ein Journal. Ich teste verschiedene Selbstcoaching-Tools aus, um eine andere Perspektive zu gewinnen. 

Ferien am Meer oder in den Bergen? Was findet deine MS besser?
Meine MS findet Kälte angenehmer als Wärme. Aber ich finde Meer, Strand, Palmen und gutes Essen fantastisch. 

Was sollte dein soziales Umfeld gerne öfter tun? Was lassen?
Ich behaupte, mein Umfeld hat Verständnis für meine Situation. Für mich passt es genauso, wie es ist. In der Partnerschaft war es hingegen schon ein kleiner Kampf. Man sieht mir nichts an und das Verständnis für mein tiefes Energielevel war manchmal beschränkt. Durch viele Gespräche und Arbeit in unserer Beziehung ist das heute jedoch kein Thema mehr. Mein Ehemann hat heute viel Verständnis für meine Situation, auch wenn es für ihn ab und an auch herausfordernd ist. 

Kopf oder Herz/Bauchgefühl? Auf was vertraust du im Alltag?
Ganz klar Herz/Bauchgefühl. Es gibt keine besseren Aufpasser als unser Gefühl. Wir müssen wieder tiefer in uns selbst hören. 

Welches Kompliment hat man dir zuletzt gemacht?
Ich habe meine Haare etwas über 30 Zentimeter schneiden müssen. Ein Riesending für mich, aber ich erhalte wirklich nur Komplimente dafür. Nicht zuletzt, weil es meine Locken wieder schön zur Geltung bringt. 

Was bedeutet Familie für dich?
Ein sehr schwieriges Thema, deshalb keine Antwort dazu - sorry.

Du und der Schlaf: Freund oder Feind?
Freund - und das locker 10 bis 12 Stunden lang. 

Wie findest du es, wenn wir über «prominente» MS-Betroffene, wie zum Beispiel Selma Blair oder Christina Applegate berichten? Was wäre deine erste Frage an einen von ihnen? Und an wen?
Ich finde das toll. Wir sollten auch mit MS sichtbar sein. Ich habe keine Fragen, aber eine liebevolle Umarmung an beide.

Würdest du gerne einmal für ein Jahr im Ausland leben? Wo? Was hält dich davon ab?
Nein, momentan nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, im Alter nach Asien auszuwandern. 

Was wolltest du als Kind (beruflich) werden? Hat dich die MS gebremst, es zu werden?
Ich wollte immer Flight Attendant werden. Die MS hat mich nicht gebremst das zu werden, denn bei der Berufswahl wusste ich von der Erkrankung noch nichts. 

Wenn deine MS ein Tier wäre, welches und warum?
Ein Elefant, weil diese Tiere für mich Gemütlichkeit und trotzdem enorme Stärke ausstrahlen. 

Hat sich aus deiner Sicht in den letzten Jahren etwas verändert in der Gesellschaft oder Politik gegenüber chronisch kranken Menschen? Was ist vielleicht besser oder schwieriger geworden?
Beispielsweise durch Social Media stehen chronisch kranke Personen heute mehr in der Öffentlichkeit und sprechen offen über ihre Erkrankung. Für mich ist es auch deshalb einfacher geworden, über meine MS zu sprechen. 

Wenn Du morgen zum «Bundesrat für Forschung gegen die MS» ernannt wirst, was sind deine ersten 3 Massnahmen?
Hmm… keine Ahnung. Vielleicht, dass Fatigue auch wirklich anerkannt wird. Es ist nämlich wirklich eine komplett andere Art als die normale Müdigkeit. 

Wie stark hat die Diagnose MS deine Einstellung zum Leben verändert? Gibt es bestimmte Dinge, die du vor der Diagnose über das Leben und die Gesundheit geglaubt hast, die sich seitdem verändert haben?
Einer meiner ersten Sätze war: «Ich weiss, warum ich MS erhalten habe.» Stets unter Strom, immer vorwärts, nicht zurückschauen, nichts verarbeiten, sondern einfach weitermachen. Die Krankheit zwingt mich ruhiger zu werden, auf meinen Körper zu hören.

Und trotzdem ist es täglich eine Herausforderung, für mich und meine Gesundheit wirklich einzustehen. Zuerst dachte ich, jetzt mit dieser Diagnose ändert sich alles. Ich nehme es ruhiger. Gleichzeitig bin ich so sehr auf Leistung (Arbeit und Erfolg) getrimmt, dass es unheimlich schwer ist, dies nachhaltig zu verändern. Es ist ein Prozess, in dem ich noch mittendrin bin. 

Du darfst für 24 Stunden in die Haut eines anderen Menschen schlüpfen. Wer würdest du sein wollen? Und warum?
Dalai Lama. Seine Einstellung, sein Denken und diese Ruhe. Das würde ich gerne mal spüren. 

Umgekehrt: Wer sollte mal einen Tag lang dein Leben mit MS führen? Warum?
Mein Ehemann. Er würde dann ganz genau wissen und spüren, was ich täglich spüre. Es ist eine Herausforderung fürs nächste Umfeld, das Ganze zu verstehen - man sieht ja offensichtlich bei mir nicht viel. Meine rechte Einschränkung ist nicht gut sichtbar, aber sehr gut spürbar - doch eben nur für mich. 

Stell dir vor du könntest mit deiner MS sprechen, was würdest du ihr sagen/sie fragen wollen?
Ich glaube, es ist weniger die MS, mit der ich sprechen würde, sondern mit meinem Körper. Ich würde wissen wollen, was mein Körper genau braucht, um so lange wie möglich gut zu funktionieren. 

Zu welcher Tageszeit erlebst du deine besten Momente? Warum?
Ganz unterschiedlich. Je nachdem, was gerade los ist. 

Wurdest du schon mal auf Grund der MS nicht ernst genommen? Wie bist du damit umgegangen?
Ich glaube schon. Vielleicht nicht offensichtlich, aber ich spüre es genau. Das Thema ist einfach, dass man bei mir optisch nicht wirklich was sieht. Und wenn man nichts sieht, ist ja vermutlich auch nichts da?!

Wenn du ein Vorurteil gegen MS aus den Köpfen der Menschheit löschen könntest, welches wäre das?
MS = Rollstuhl.

Hast du Kontakt zu anderen MS Betroffenen? Hilft dir der Austausch mit anderen MS Betroffenen?
Ja, ab und zu. Ich habe auch Betroffene im Bekanntenkreis. Der Austausch hilft mir aber nicht besonders. Ich bin ich - und spüre andere Dinge als andere. MS ist so unterschiedlich. 

Was unterscheidet dich von anderen MS-Betroffenen?
Der offene Umgang mit der Krankheit - privat wie beruflich. Meine positive Art, mit Schicksalsschlägen umzugehen.

Wenn du einen Tag ohne MS- Symptome erleben könntest, wie würdest du diesen Tag gestalten?
Ich glaube, erst mal weinen. Ich weiss nicht mehr, wie es ist, schmerzfrei zu sein. 

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft? Nimmst du Beratung, Angebote oder Dienstleistungen in Anspruch?
War mir schon lange bekannt, aber bis zur eigenen Erkrankung gab es kaum Berührungspunkte. Seitdem habe ich mich schon beraten lassen oder online an Infoabenden teilgenommen. 


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