Gesichter der MS 2024: Fiona Lang

Gesichter der MS

Hallo, ich bin Fiona, 26, bin frisch verheiratet mit meiner Jugendliebe und wohne in der Nähe von Bern. Ich würde mich als fröhlichen, neugierigen, lebensfreudigen und quirligen Menschen beschreiben und bin leidenschaftlich gerne Hebamme. 

Wann bekamst du die Diagnose MS? Welche Verlaufsform «hast du»? Welche Symptome belasten dich am meisten?
Ich habe die Diagnose schubförmig remittierende MS am 11. April 2022 bekommen. Die ersten Symptome traten am 27. März 2022 auf. Was ich damals und auch heute noch beeindruckend finde, ist, dass am Tag, bevor die Symptome aufgetreten sind, wir im Rahmen meiner Ausbildung die körperliche Untersuchung des Nervensystems angeschaut und getestet haben, und nichts auffällig war.

Es begann mit einem Kribbeln in den Füssen und endete mit motorischen Einschränkungen, Sensibilitätsstörungen und Kribbel-Parästesien von den Füssen bis zum Schlüsselbein und leider noch viel mehr.

Trotz Cortisontherapie wurden die Symptome nicht besser, weshalb ich eine Plasmapherese bekam. Nach zwei Monaten Klinikaufenthalt durfte ich nach Hause mit dem Satz «Mal sehen, ob die Zeit noch etwas mehr Linderung bringt». Dies ist zum Glück eingetreten, sodass meine Lebensqualität wieder gestiegen ist.

Welche Schlagzeile würdest du 2024 gerne über dich lesen?
Unheilbare Krankheit dank neuster Forschung bei der ersten Probandin geheilt.

Wenn du dir eine «Superkraft» aussuchen dürftest, welche wäre das und warum?
Mich in andere hinein versetzen zu können. Damit ich sowohl Gedanken, aber auch körperliche Vorgänge nachvollziehen könnte. In der Hoffnung, besser auf andere Menschen eingehen und ihnen somit besser helfen zu können.

Wenn du deiner MS ein Tattoo widmest? Welches Motiv? Welcher Text? Wo am Körper?
Hmm… gute Frage, da ich mit Tattoos nichts am Hut habe. Es wäre wahrscheinlich ein Mond. Da erstrahlt die eine Seite hell und die andere liegt im Dunkeln, im Verborgenen. 

Was macht dir Stress und wie drückt sich der Stress bei dir aus? Was tust du dagegen?
Seit meiner Diagnose arbeite ich mit reduziertem Pensum, dies ermöglicht mir bereits, weniger Stress zu haben. Aber wenn der Stress aufflammt, kommt die Erschöpfung noch schneller, kann ich mich nicht konzentrieren, bekomme wackelige Beine und die Kribbel-Parästesien werden noch viel schlimmer. 

Ferien am Meer oder in den Bergen? Was findet deine MS besser?
Meine MS mag die Hitze nicht sehr. Aber meine Liebe zum Meer ist geblieben und man muss ja nicht im Hochsommer ans Meer fahren. So haben wir einen Kompromiss für beide Seiten.

Kopf oder Herz/Bauchgefühl? Auf was vertraust du im Alltag?
Obwohl ich immer alles Durchdenken möchte und alle möglichen Szenarien im Kopf durchspiele, vertraue ich, wenn’s drauf ankommt, doch mehr auf mein Bauchgefühl.

Was bedeutet Familie für dich? 
Das kann man mit Worten nicht ausdrücken.

Du und der Schlaf: Freund oder Feind? 
Ein Wolf im Schafspelz beschreibt es nicht schlecht. 

Würdest du gerne einmal für ein Jahr im Ausland leben? Wo? Was hält dich davon ab?
Ich träume immer noch von einem Jahr Weltreise. Aber dies wird wohl aus diversen Gründen nicht in Erfüllung gehen. Aber vom Reisen sonst, lasse ich mich nicht abhalten. So mache ich meine Weltreise halt in kleineren Etappen.

Was wolltest du als Kind (beruflich) werden? Hat dich die MS gebremst, es zu werden?
Vieles wollte ich werden, aber das Hartnäckigste war Hebamme. Diesen Traum habe ich mit meinem Studienstart im Jahr 2019 erfüllt und bin jeden Tag dankbar dafür. Insbesondere da ich die MS-Diagnose während meiner Bachelor-Thesis bekommen habe und ich nicht sicher war, ob ich das letzte praktische Jahr überhaupt noch absolvieren kann. Der Wiedereinstieg war hart, aber ich habe es trotzdem geschafft und bin sehr stolz auf mich. Aber das habe ich auch den lieben Hebammen zu verdanken, die mich so aufgenommen haben, wie ich bin und mich in meinem Werdegang unterstützt haben und es mir jeden Tag ermöglichen, trotz diversen Hürden meinen Traum zu leben.

Wenn deine MS ein Tier wäre, welches und warum?
Ein Faultier. Es möchte viel Schlaf, ist langsam und alles braucht einfach viel mehr Zeit und Geduld. 

Wie stark hat die Diagnose MS deine Einstellung zum Leben verändert? Gibt es bestimmte Dinge, die du vor der Diagnose über das Leben und die Gesundheit geglaubt hast, die sich seitdem verändert haben?
Ich sehe nichts mehr als selbstverständlich an und bin daher auch viel dankbarer. Dankbar für alles, was ich nach dem Schub wieder erlangen konnte, für alles, was ich bin und erleben darf. Dankbar für die lieben Menschen um mich herum. 

Du darfst für 24 Stunden in die Haut eines anderen Menschen schlüpfen. Wer würdest du sein wollen? Und warum?
In die Haut meines Mannes. Zum einen, weil er viel grösser und stärker ist als ich. Er besitzt grosses mathematisches Verständnis und beherrscht das logische Denken. Dinge, die mir fremd sind. Aber auch, um zu sehen, wie es ist, mit mir zu leben. 

Umgekehrt: Wer sollte mal einen Tag lang dein Leben mit MS führen? Warum?
Alle, die sagen «MS ist ja nicht so schlimm, man sieht es dir ja nicht an». Nicht weil ich ihnen diese Krankheit wünsche, aber damit ihr Einfühlungsvermögen gestärkt wird und sie daraus lernen können, dass auch Krankheiten, die «unsichtbar» sind, eine Person einschränken können.

Stell dir vor du könntest mit deiner MS sprechen, was würdest du ihr sagen/sie fragen wollen?
Ich würde sie wohl zuerst eine Runde beschimpfen, danach hätte ich aber doch einige persönliche Fragen, zum Beispiel, wieso gerade ich MS habe, wie sie sich weiterentwickelt, aber auch generelle medizinische Fragen, wie: Wie genau entsteht MS? Kann man diese mit dem Lebensstil wirklich beeinflussen?

Zu welcher Tageszeit erlebst du deine besten Momente? Warum?
Hmm… das kommt auf die Tagesform an, aber auch darauf, in welchem Rhythmus vom Arbeiten ich mich befinde (Früh- oder Spätschicht). Aber meistens am Morgen so um 10 Uhr oder nachmittags, nach meinem Mittagsschlaf, so um 14 Uhr.

Wurdest du schon mal auf Grund der MS nicht ernst genommen? Wie bist du damit umgegangen?
Ja, das kommt vor. Aber es ist für Unbeteiligte auch schwer nachzuvollziehen, was diese Krankheit bedeutet. Deshalb versuche ich, es nicht persönlich zu nehmen. Aber leider hatte ich auch das Erlebnis, dass mich die Neurologen nicht ernst genommen haben, was ich hingegen eher traurig finde.

Hast du Kontakt zu anderen MS Betroffenen? Hilft dir der Austausch mit anderen MS Betroffenen?
Ja, besonders nach der Diagnose hat mir der Kontakt geholfen, so konnte ich meine Situation selbst besser einschätzen. Aber mittlerweile suche ich den Kontakt mit anderen Betroffenen nicht mehr aktiv. 

Was unterscheidet dich von anderen MS-Betroffenen?
Hmm… das ist sehr schwierig zu beantworten. Vor allem, da ich leider meine oben erwähnte Superkraft nicht besitze und jede MS einzigartig ist. Ich denke, für die meisten ist die Diagnose zuerst eher ein Schock, aber für mich war es eine Erleichterung. Ich war froh, als ich wusste, dass ich mir alle diese Symptome nicht eingebildet habe. Ebenfalls war ich froh zu hören, dass es mittlerweile so gute Immunsuppressiva wie das Ocrevus gibt.

Wenn du einen Tag ohne MS- Symptome erleben könntest, wie würdest du diesen Tag gestalten?
Ich würde wohl im Arches Nationalpark in den USA und dort zum Delicate Arch wandern. Ich war im Jahr 2023 dort und schon die kürzesten Ausflüge waren sehr diffizil, besonders bei dieser Wärme. Daher konnte ich dieses Wunder nur von Weitem betrachten. Aber auch andere anspruchsvolle Ausflüge in der Natur, die ich auf Grund der Fatigue und meiner starken Kribbel-Parästesien in den Beinen und Füssen nicht mehr machen kann.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft? Nimmst du Beratung, Angebote oder Dienstleistungen in Anspruch?
Die Schweizerische MS-Gesellschaft ist so ein wunderbarer Verein. Als ich die Diagnose erhalten habe, hatte ich die Dienste der Sozialberatung in Anspruch genommen, da ich mich wegen meines Studiums in einer etwas verzwickten Situation befunden habe. Sie haben mir einen Weg durch den ganzen Bürokratiekram gezeigt.

Seit der Papierkrieg ein Ende gefunden hat, musste ich keine Dienste mehr in Anspruch nehmen. Aber es ist schön zu wissen, dass es einen Verein gibt, der sich jederzeit für dich einsetzt und dir hilft.


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