Lattmann & Luana: ER war selfmade Himmelsstürmer und dirigierte als Aviatik-Manager eine Flotte von Business-Jets, ehe die MS ihm ein temporäres Grounding bescherte. SIE schlug als Jugendliche Belinda Bencic auf dem Tennis-Court, jetzt wehrt sie sich tagtäglich gegen den Versuch der MS, sie in die Knie zu zwingen. Oliver R. Lattmann (55) und Luana Montanaro (28) schreiben aus völlig unterschiedlichen Perspektiven über eine Sache: Ihre MS. Wie und wo sie im Alltag auf Verständnis und Solidarität treffen. Oder auch nicht. Und welche Hindernisse und Tabus ihnen rund um die unheilbare Krankheit MS in der Welt draussen (noch immer) begegnen. Lattmann & Luana sind #MiteinanderStark und unser Autoren-Team für den Welt MS Tag 2021.
Belmondo und ich…
Welt MS Tag
Aviatik, das war mein Lebensinhalt, der Flughafen mein Zuhause. Ich würde auf die Startbahn ziehen, wenn das ginge. Brauchte ich damals nicht, denn ich hatte alles.
Mein Leben, ohne angeben zu wollen, es war, privat, wie beruflich, einfach XXL.
Dann kam die MS. Sie reduzierte mein Leben erst auf M. Dann auf S.
Nachdem ich die Liebe meines Lebens ziehen liess und sie sogar noch selbst zum Flughafen gebracht hatte, bin ich auf der Rückfahrt an einem Rastplatz raus, und dann sass ich da, mit Mya, meinem Hund.
Ich erinnerte mich an einen Film mit Jean-Paul Belmondo, der einen Clochard spielte, früher erfolgreich und gut situiert, dann seine Frau verlor, in der Gegenwart des Films mittel- und beziehungslos, bis auf einen treuen Hund. Ich schaute meinen Hund Mya an, Mya schaute mich an.
«Jetzt sind nur noch wir zwei übrig…».
Es gibt solche Momente, in denen man verzweifeln mag. Die MS, die im Hintergrund deine Lebens-Batterien entlädt und die ganz realen Katastrophen des Lebens, die bewältigt werden wollen.
Aber die MS nimmt nicht nur, sie gibt auch. Vor allem anderen einen ungeheuren Lebenswillen.
Deshalb: Ich weiss, dass nach M und S auch noch XS und XXS kommen können. Nicht müssen, können. Aber was immer auch kommen mag. Ich bin bereit…
Oliver R. Lattmann