Wenn Hitze und Kälte für Stress sorgen

Das Schweizer MS Register

Für viele Menschen mit MS sind heisse Sommertage nicht unbedingt ein Grund zur Freude. Zwischen 70–80 Prozent der Betroffenen leiden am sogenannten Uhthoff-Phänomen, einer vorübergehenden Verschlimmerung der MS-Symptome aufgrund von Hitze oder erhöhter Körpertemperatur. Deutlich weniger Betroffene reagieren umgekehrt auf Kälte mit stärkeren MS-Symptomen. Die neuste Studie des Schweizer MS Registers gibt einen Einblick, wie sich diese Temperatursensitivität im Alltag zeigt.

Die Studie wurde gemeinsam mit Dr. Roman Gonzenbach (ärztlicher Direktor Rehaklinik Valens und Vorstandsmitglied der MS-Gesellschaft) von August 2024 bis Ende Januar 2025 durchgeführt. Der Fokus lag dabei auf Kühlmethoden und Kühlkleidung. Zum Hintergrund dieser Studie sagt Roman Gonzenbach: «Immer wieder höre ich von MS-Betroffenen, wie sie mit einfach anzuwendenden Methoden der Körperkühlung erfolgreich gegen die sehr unangenehme Hitzeempfindlichkeit ankämpfen. Mit dieser Arbeit wollen wir das geballte Wissen der Betroffenen sammeln und aufbereiten, damit möglichst viele Betroffene und Fachpersonen davon profitieren können.»

Von den 762 Befragten gaben 73 Prozent an, dass sich ihre MS-Symptome aufgrund von Änderungen der Umgebungstemperatur verschlechtern. Von diesen Befragten leidet fast die Hälfte, wenn es heiss wird. Demgegenüber stehen nur 6.5 Prozent, die auf Kälte negativ reagieren. Knapp 18 Prozent reagieren sowohl auf Hitze als auch auf Kälte mit mehr Beschwerden. Dabei konnten bezüglich der MS-Verlaufsformen, der Geschlechter sowie der verschiedenen Altersgruppen keine Unterschiede bei den Antworten ausgemacht werden.

Welche MS-Symptome verstärken sich am meisten?

Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass sich die allgemein häufigsten Symptome der jeweiligen MS-Verlaufsformen durch Hitze oder Kälte auch am meisten verstärken. Beispielsweise haben zwischen 70 und 83 Prozent der Registerteilnehmenden Fatigue. Diese ist mit 70 Prozent mit Abstand das häufigste Symptom, das sich durch Temperaturveränderungen verstärkt. Daneben nannten fast 50 Prozent Schwäche oder Muskelschwäche. Ausserdem berichteten um die 40 Prozent von Gangstörungen sowie Gefühlsstörungen und Missempfindungen.

Ungenutztes Wissen

Von den 65 Prozent der Befragten, die unter Hitze leiden und wissen, dass es Kühlungsmethoden gibt, kühlen sich nur 40 %, um verstärkte Symptome zu lindern. Dies ist erstaunlich, da es viele Methoden gibt, die einfach umzusetzen und kostengünstig sind. Mögliche Gründe hierfür gilt es in weiteren Studien zu erforschen.

Meistgenutzte Kühlmethoden

Die vordersten Plätze werden alle von einfachen Methoden belegt: Eine kühle Dusche ist für fast die Hälfte der Befragten die erste Wahl. Auch summt bei über 40 Prozent der Ventilator, wenn es heiss ist. Auf dem dritten Platz folgen kaltes Wasser und das Kühltuch. Letzteres besteht aus einem speziellen Material, das Feuchtigkeit besonders gut aufnimmt. Man taucht es einfach ins Wasser, wringt es aus und legt es auf die Haut. Dort sorgt es durch die Verdunstung für eine erfrischende Kühle. Lässt der Effekt nach, taucht man es einfach erneut ins Wasser.

In den Kommentaren empfahlen die Befragten häufig die Nutzung von Cold Packs, den Aufenthalt in klimatisierten Räumen (etwa in Einkaufszentren) sowie das erfrischende Besprühen mit Wasser aus Pflanzensprühflaschen zur effektiven Kühlung. Weitere allgemeine Hitzetipps von Betroffenen sind beispielsweise das Lüften in den kühlen Morgenstunden und danach die Fensterläden zu schliessen, sowie das Aufhalten im Schatten.

Die Mehrheit der Teilnehmenden hatte diese Umfrage in den wärmeren Monaten (Spätsommer) ausgefüllt, was einen Teil der Antworten und Kommentare zu den jeweiligen Kühlmethoden erklären kann.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass effektive Abkühlung auch ohne teure Anschaffungen möglich ist. Lieber alltägliche Dinge ausprobieren, die man sowieso zuhause hat und gut beobachten, ob es angenehm ist und hilft. Bei Fragen oder Unklarheiten sollte dies unbedingt mit medizinischen Fachpersonen, zum Beispiel in der MS-Sprechstunde, besprochen werden. Hilfe und viele praktische Tipps bietet auch die Infoline der MS-Gesellschaft unter der Telefonnummer 0844 674 636.

Gemeinsam mehr Wissen schaffen

Haben Sie MS und möchten Teil der Forschungsgemeinschaft werden? Das Team des MS Registers freut sich über Ihre E-Mail an: ms-register@ebpi.uzh.ch

Text: Murielle Bona (Kommunikationsverantwortliche), Stefania Iaquinto (Doktorandin) und Dr. Nina Steinemann (Projektleitung), Schweizer MS Register