Noè Ponti: Ein Überflieger im Wasser

FORTE Magazin

«Die Bewegung des Schwimmens kommt dem Fliegen am nächsten», schrieb der italienische Autor Erri De Luca. Und genau so wirkt es, wenn Noè Ponti durchs Wasser gleitet, als würde er fliegen. Zurück als dreifacher Weltmeister von der Schwimm-WM in Budapest, wo er zusätzlich zwei Weltrekorde feierte, stand der Tessiner der FORTE-Redaktion für ein Interview bereit.

Noè Ponti, welche drei Adjektive beschreiben Sie am besten und warum?

Ehrgeizig: weil ich im Sport und im Leben immer mein Bestes gebe und versuche, der Beste zu sein. Respektvoll: gegenüber meinen Gegnern und gegenüber den Menschen im Allgemeinen. Liebevoll: da ich meiner Familie sehr nahe stehe.

Wie sind Sie zum Schwimmsport gekommen?

Ich habe schwimmen gelernt, da war ich noch keine drei Jahre alt. Meine ältere Schwester schwamm bereits bei «Nuoto Sport Locarno» und ich begann auch dort zu trainieren – alles ergab sich von selbst. Mit 11 Jahren bat ich meine Eltern, mich zu den Schwimmwettbewerben der Olympischen Spiele 2012 in London mitzunehmen. Dort sah ich Michael Phelps schwimmen. Als ein Jahr später Tokio als Austragungsort für die Olympischen Spiele 2020 bekannt gegeben wurde, sagte ich zu meinen Eltern, sie sollten sich bereithalten, denn ich würde als Schwimmer nach Tokio reisen und nicht als Zuschauer.

Wie sieht der Tag eines Schwimmers aus?

Normalerweise gehe ich nach dem Aufstehen um 6.30 Uhr und einem kleinen Snack direkt zum Schwimmbad. Dort trainiere ich etwa zwei Stunden mit meinen Teamkollegen. Danach frühstücke ich und kehre nach Hause zurück, um mich zu entspannen. Nach dem Mittagessen folgt die nächste Trainingseinheit. Zunächst ausserhalb des Beckens, anschliessend wieder im Wasser. Dazwischen stehen Termine mit dem Physiotherapeuten, Osteopathen oder Mentaltrainer an. Ausserdem finden fast jede Woche auch Treffen mit Medien und Sponsoren statt.

Was reizt Sie neben dem Schwimmen besonders?

Ich reise gerne und lerne fremde Kulturen kennen. Zeit mit meinen Freunden zu verbringen, macht immer Spass. Lesen war nie eine Leidenschaft von mir, aber in letzter Zeit lese ich gerne verschiedene Bücher. Und ich liebe Musik und Kino.

Wie bleiben Sie mental stark beim Schwimmen?

Zum einen hilft mir die Erfahrung, die ich über die Jahre gesammelt habe. Zum anderen spielt auch die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen eine wichtige Rolle. Meine Fitness hängt vor allem von meinem Engagement und der Kontinuität im Training ab. Es ist entscheidend, niemals aufzugeben, selbst wenn man sich müde fühlt. Sich fit zu fühlen und mit der eigenen Leistung zufrieden zu sein, trägt wesentlich zur Konzentration bei. Ebenso wichtig sind jedoch Erholung und Regeneration.

Wie bereiten Sie sich in den letzten Stunden vor einem Wettkampf vor?

Ich ziehe mich gerne ein wenig zurück. Ausserdem versuche ich, mich nach dem Mittagessen auszuruhen und zu schlafen. Ein paar Stunden vor einem Wettkampf esse ich eine grosse Mahlzeit.

Was ist Ihre schönste Erinnerung an einen Wettkampf?

Auf jeden Fall die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021. Leider gab es wegen der Pandemie keine Fans und meine Familie musste die Spiele von zu Hause aus verfolgen. Die ersten Olympischen Spiele zu erleben und gleich eine Medaille zu gewinnen, ist definitiv unvergesslich. Sehr bewegend waren auch die beiden Finals der Olympischen Spiele in Paris mit 20’000 Zuschauerinnen und Zuschauern, die frenetisch gejubelt und applaudiert haben, oder die Kurzbahn-Europameisterschaft in Bukarest, wo ich dreimal Gold über 50, 100 und 200 Schmetterling sowie Silber über 100 Lagen gewonnen habe.

Menschen mit MS stehen täglich vor grossen Herausforderungen. Wie gehen Sie mit schwierigen Momenten um?

Der Umgang mit schwierigen Momenten ist etwas sehr Persönliches. Meiner Erfahrung nach muss man zunächst verstehen, was genau passiert. Schmerz und Wut sind ebenfalls Teil dieser Momente, und es ist wichtig, diesen Gefühlen Raum zu geben und sie mit jemandem zu teilen. Ich denke, das ist alles Teil des Akzeptanzprozesses. Anschliessend sollte der Fokus möglichst schnell auf positive Aspekte und neue Ziele gerichtet werden, manchmal auch auf kleine und kurzfristige. Es ist entscheidend, sich auf das zu konzentrieren, was man durch das eigene Verhalten und die eigenen Entscheidungen beeinflussen kann. Und dann nach und nach einen Weg aus dem zu finden, was einem negativ erscheint.

Wovon träumen Sie für die Zukunft?

In sportlicher Hinsicht träume ich davon, bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles erfolgreich zu sein. Ich würde die Emotionen, die ich in Tokio erlebt habe, gerne noch einmal empfinden – und wenn möglich noch mehr erreichen. Privat wünsche ich mir vor allem Gesundheit, für mich und meine Familie, damit ich dem Leben weiterhin mit der gleichen Energie und Freude begegnen kann wie jetzt. Und auch über die Zeit nach dem Wettkampfschwimmen mache ich mir bereits Gedanken.

Können Sie uns etwas verraten, was noch nicht viele wissen?

Ich habe einen Hund namens Loki, er ist erst ein paar Monate alt. Man kann ihm auf Instagram folgen: @loki_ponti. Es gibt einige lustige Anekdoten zu entdecken!

 

Interview: Milo Prada
Foto: Roldy Cueto