Die Rolle der Ernährung bei MS
Fachartikel
Der menschliche Magen-Darm-Trakt wird von einer riesigen Anzahl an Mikroorganismen (wie Viren, Bakterien, Pilze) besiedelt. Dieses sogenannte Mikrobiom hilft nicht nur bei der Verdauung, sondern spielt eine zentrale Rolle für das Immunsystem.
Da in der Darmwand mehr Nervenzellen sitzen als im Rückenmark, steht der Darm in engem Austausch mit dem Gehirn. Veränderungen des Mikrobioms, zum Beispiel durch die Ernährung, können daher auch einen Einfluss auf Erkrankungen wie MS haben. Wie Dr. oec. troph. Nina Steinemann, Ernährungswissenschaftlerin aus Zürich, in ihrem Workshop erklärte, wird das Thema Ernährung in Konsultationen von MS-Betroffenen häufig angesprochen und sollte daher idealerweise auch frühzeitig gemeinsam diskutiert werden.
Ernährung beeinflusst Nervenzellen
Untersuchungen weisen darauf hin, dass verschiedene Bestandteile von Nahrungsmitteln einen positiven Einfluss auf Faktoren wie oxidativen Stress oder Entzündungsmechanismen haben und so die Struktur und Funktion von Nervenzellen schützen können.
Dazu gehören Curcumin (Hauptbestandteil von Kurkuma), Vitamin A und D sowie Omega-3-Fettsäuren. Demgegenüber stehen gesättigte Fettsäuren, Transfette, ein hoher Zucker- und Salzkonsum sowie der übermässige Konsum an tierischen Proteinen, denen allen ein negativer Effekt zugeschrieben wird. Kein Wunder also, dass im Zusammenhang mit MS zahlreiche Diätformen als vorteilhaft beworben werden. Dr. Steinemann mahnte hier allerdings zur Vorsicht, da Menschen mit MS ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung aufweisen und viele Diäten sehr einseitig sind und den Nährstoffbedarf nicht abdecken.
Wissenschaftliche Daten zur Ernährung bei MS
Wissenschaftliche Studien zu Ernährungsfaktoren bei MS ergaben bisher, dass ein Vitamin-D-Mangel als etablierter Risikofaktor für die Entwicklung einer MS gilt sowie auch zu einem schlechteren Verlauf der Erkrankung führen kann. Dennoch riet Dr. Steinemann von einer Überdosierung von Vitamin D ab. Ebenfalls mit einem ungünstigen Erkrankungsverlauf in Verbindung gebracht wird ein hoher BMI, also Übergewicht und Adipositas, sowie weitere metabolische Erkrankungen.
Dagegen ist eine gesunde Ernährung mit einem höheren Anteil an Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten sowie wenig Fleisch und Zucker mit einem geringeren Behinderungsgrad und einer besseren Lebensqualität assoziiert. Auch Nährstoffe wie Magnesium und Folsäure können positive Effekte zeigen und sich günstig auf die Fatigue, die enorme Müdigkeit bei MS, auswirken.
Erkenntnisse aus dem Schweizer MS Register
Auch aus dem Schweizer MS Register liegen mittlerweile viele Angaben zu den Ernährungsgewohnheiten und -veränderungen von Menschen mit MS vor. Diese zeigen, dass 37% der MS-Betroffenen ihre Ernährung nach der Diagnose umgestellt haben, 40% davon bereits im ersten Jahr. Die Umstellung ging dabei hin zu mehr Obst und Gemüse und zu einer Bevorzugung regionaler sowie saisonaler Produkte. Gleichzeitig wurde der Konsum von verarbeiteten Lebensmitteln und Alkohol reduziert.
Eine weitere Auswertung der Registerdaten zeigte zudem, dass Ernährungsmuster mit einem höheren Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln mit weniger Fatigue assoziiert waren. Nach ihren persönlichen Erfahrungen befragt, berichteten viele Betroffene über eine positive Veränderung nach einer Umstellung der Ernährung, beispielsweise über eine Abnahme der Fatigue durch Intervallfasten und eine vermehrt pflanzenbetonte Ernährung. Zudem vermittelte die Umstellung der Ernährung vielen ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und ermöglichte ihnen einen besseren Umgang mit der Diagnose.
Empfehlungen für den Alltag
Zum Schluss des Workshops wies Dr. Steinemann darauf hin, dass auf der Website der MS-Gesellschaft verschiedene Informationen zum Thema Ernährung bei MS zu finden sind (z. B. das MS-Infoblatt «Ernährung: sich etwas Gutes tun».
Sie bewarb auch den jährlich stattfindenden Workshop zum Thema «antientzündlicher Ernährung», der in Zusammenarbeit mit der MS-Gesellschaft durchgeführt wird. Neben aktuellen Empfehlungen werden dort auch praxisnahe Tipps sowie Verköstigungen vor Ort angeboten. Das Essen soll schliesslich genussvoll sein und Freude bereiten!
Ihre Empfehlungen für den Alltag lauten wie folgt:
- 5 Portionen Obst und Gemüse täglich
- Regelmässiger Konsum von Hülsenfrüchten (1 bis 2x pro Woche)
- Hochwertige Pflanzenöle verwenden (z. B. Olivenöl, Rapsöl, Leinöl)
- Fisch 1x pro Woche
- 1 Handvoll Nüsse täglich
- Probiotische Lebensmittel einbinden
- Wenig tierische Fette, maximal 2x pro Woche mageres Fleisch
- Verarbeitete Lebensmittel meiden
- 1,5 bis 2 Liter ungesüsste Getränke pro Tag (Wasser, Tee, Kaffee)
«MS State of the Art Symposium»
Das «MS State of the Art Symposium» ist der bedeutendste Fachkongress zum Thema Multiple Sklerose in der Schweiz und wird von der Schweiz. MS-Gesellschaft und ihrem Medizinisch-wissenschaftlichen Beirat organisiert. 2025 fand das Symposium am 25. Januar im KKL Luzern statt.