Strategie für barrierefreie ÖV nicht befriedigend

Neues aus der Politik

Um dem Behindertengleichstellungsgesetz gerecht zu werden, müssen die öffentlichen Verkehrsmittel in der Schweiz für Menschen mit Behinderung angepasst werden. Die vom Bundesamt für Verkehr vorgestellte Strategie birgt aber die Gefahr, dass zahlreiche Bahnhöfe in der Schweiz nicht umgebaut werden.

Seit 2004 ist das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) in Kraft. Es fordert unter anderem, dass Reisende mit Behinderungen öffentliche Verkehrsmittel bis 2023 selbstständig nutzen können. Es dauerte jedoch 13 Jahre, bis das BAV eine entsprechende Strategie erarbeitete.

Rund ein Viertel der Bahnhöfe wird nicht umgebaut

Bestandteil der Strategie ist eine Planungshilfe, dieder Verband öffentlicher Verkehr (VöV) unter der Leitung der SBB entwickelt hat und die nun vom BAV übernommen wird. Die Schweiz. MS-Gesellschaft kritisiert nach heutigem Stand drei Punkte:

  • Es besteht die Gefahr, dass es für Bahnhöfe mit weniger als 540 Passagiere pro Tag kaum finanzielle Unterstützung gibt. Rund ein Viertel bzw. 450 Bahnhöfe werden nicht behindertengerecht sein.
  • Weiter berücksichtigt die Planungshilfe den Faktor Zeit nicht. Bei einer frühzeitigen Planung hätten die Transportunternehmen bei Umbauten, die sowieso getätigt worden sind, die Barrierefreiheit sicherstellen können. Es entsteht der Verdacht, dass diese Versäumnisse auf Kosten der Menschen mit Behinderungen kaschiert werden.
  • Schliesslich gewichtet die Planungshilfe den Vollausbau eines Bahnhofs als Massstab zu stark. Günstige Teilanpassungen werden zu wenig in Betracht gezogen, obwohl dies durch die entsprechende Verordnung (VböV) gefordert wird.

Strategie muss angepasst werden

Die UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) verlangt, dass die Behindertenorganisationen bei der Erarbeitung von relevanten Strategien miteinbezogen werden. «Die Behindertenorganisationen wurden vom BAV jedoch erst heute informiert, obwohl wir frühzeitig und wiederholt interveniert hatten», hält Pascale Bruderer, Präsidentin von Inclusion Handicap, fest. Inclusion Handicap wird stellvertretend für die MS-Gesellschaft den Prozess weiterhin kritisch begleiten und auf den vom BAV zugesicherten Miteinbezug bestehen.

Inclusion Handicap hat zwecks Klärung der Vereinbarkeit der Planungshilfe mit dem BehiG und der UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) ein Rechtsgutachten bei M. Schefer, Prof. an der juristischen Fakultät der Universität Basel, in Auftrag gegeben.

Es geht um Rechte, nicht um Wünsche

Mobilität ist ein Schlüsselfaktor für die individuelle Selbstbestimmung und gesellschaftliche Inklusion. Deshalb unterstützt die MS-Gesellschaft folgende Aussage von Pascale Bruderer vollumfänglich: «Es geht hier nicht einfach um Wünsche, sondern um verfassungsmässige und gesetzliche Ansprüche von Menschen mit Behinderungen, die es bis Ablauf der langen Umsetzungsfrist von 20 Jahren umzusetzen gilt. Wir pochen dabei nicht auf unverhältnismässige Massnahmen, die nicht bezahlbar sind. Im Gegenteil: Wir wollen Hand bieten zu Lösungen, die das Gesetz in vernünftiger Weise umsetzen.»