Einzelfallbericht: Covid-19 Impfung und MS

Fachartikel

In den Medien wird in den letzten Wochen vermehrt über einen Patienten berichtet, der nach der Covid-19 Impfung eine Multiple Sklerose entwickelt hat. Neben dem zeitlichen Zusammenhang würden immunologische Untersuchungen den Hinweis dafür liefern, dass es auch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Ausbruch der MS gäbe.

Die Details dieser Untersuchungen wurden noch nicht veröffentlicht, aber Prof. Roland Martin, Zürich, hat in einem Interview erklärt, dass sein Labor die Immunzellen des Betroffenen untersucht hat und eine Kreuzreaktivität von T-Lymphozyten gefunden hat, die sowohl Eiweisse von SARS-CoV2 erkennen als auch Bestandteile des Myelins.

Wie von Prof. Martin in seinem Interview bereits erläutert, muss festgehalten werden, dass sehr grosse epidemiologische Studien keinen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Auftreten einer MS gefunden haben. In diesen Studien wird auf Bevölkerungsebene die Häufigkeit einer MS-Erstdiagnose, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten ist, verglichen mit einem Zeitraum, in dem nicht geimpft wurde. Für die SARS-CoV2 Impfung konnte dabei kein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer MS gefunden werden.

Im Allgemeinen kein Erhöhtes Risiko nach Impfung

Ähnliche Untersuchungen wurden in grossem Stil auch für andere Impfungen durchgeführt, die kein erhöhtes Risiko einer MS nach Impfung zeigen konnten. Im Gegenteil hat eine vor kurzem veröffentlichte deutsche Studie sogar Hinweise dafür geliefert, dass eine Impfung gegen die saisonale Grippe oder FSME mit einem niedrigeren Risiko für eine MS einhergeht.

Natürlich müssen Impfungen, insbesondere mit neuen Impfstoffen, weiterhin gründlich untersucht werden. Dafür ist es notwendig, dass mögliche Impfnebenwirkungen auch gemeldet werden (was in besagtem Fall leider nicht geschehen ist). Die Risikobewertung muss aber schliesslich auf einer Analyse der epidemiologischen Daten beruhen und von Einzelfällen darf kein genereller Rückschluss - weder auf die Wirksamkeit noch auf die Sicherheit von Impfstoffen - gezogen werden.

Auch wenn die immunologischen Untersuchungen des beschriebenen Einzelfalles sehr wichtig sind, muss man vorsichtig mit allgemeinen Rückschlüssen sein. Noch ist unklar, welche Immunzellen und welche von ihnen erkannte Proteinstrukturen an der Krankheitsentstehung der MS beteiligt sind. Die Relevanz der Untersuchungsergebnisse ist deshalb unklar.

Impfungen sind weiterhin empfohlen

Es bleibt festzuhalten, dass die Vorteile einer Impfung die möglichen Nebenwirkungen deutlich überwiegen. Dies gilt sowohl für die SARS-CoV2 Impfung wie auch für alle anderen Impfungen, die von der BAG in der Schweiz empfohlen werden.

Prof. Dr. Tobias Derfuss, Universitätsspital Basel, Medizinisch-wissenschaftlicher Beirat der MS-Gesellschaft
 

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